Nur für Frustresistente «Returnal»: Und täglich grüsst das Tentakelmonster

Von Pascal Wengi

3.5.2021

Als Selene befindet man sich in «Returnal» in einem scheinbar nie endenden Kreislauf.
Als Selene befindet man sich in «Returnal» in einem scheinbar nie endenden Kreislauf.
Sony

«Returnal» gilt als erster ernsthafter Spiel-des-Jahres-Anwärter. Doch der extreme Schwierigkeitsgrad könnte doch so manchem Spieler die Laune verderben.

Von Pascal Wengi

3.5.2021

Spätestens seit «Hades» im letzten Jahr zu den Anwärtern auf das Spiel des Jahres zählte, finden Roguelike-Spiele langsam ihren Weg aus dem Nischen-Dasein und erfreuen sich auch in der breiten Masse immer grösserer Beliebtheit. Trotzdem scheint es ziemlich mutig, dass Sony nun mit «Returnal» ein Spiel als Playstation-Exklusivtitel mitfinanziert, welches alles andere als massentauglich scheint.

Der Gameplayloop und der Schwierigkeitsgrad von «Returnal» könnte für den ein oder anderen Casualgamer eher abschreckend wirken, da selbst «Dark Souls»-Veteranen das Spiel als sehr schwer bezeichnen. Ansprechen will Entwickler Hausmarque die Spieler aber mit der Mischung aus Roguelike-Elementen und spannender Story – und die steckt voller Mysterien und Spannung.

Gefangen in der Wiedergeburt

Deep-Space-Austronautin Selene befindet sich gerade im Landeanflug auf den mysteriösen Planeten Atropos. Ihre Mission oder ihre Herkunft sind nicht bekannt, aber es besteht eh keine Zeit für Fragen, denn ihr Raumschiff erleidet einen schweren Schaden und Selene muss zur Bruchlandung ansetzen.

Als Selene sich aus dem qualmenden Wrack ihres Schiffes zwängt, erstreckt sich vor ihre eine fremde Alien-Welt. Künstliche Strukturen wie Mauern und riesige Türen, die fast fliessend in die Umgebung eingearbeitet scheinen, zeugen davon, dass der Planet von einer fremden Zivilisation bevölkert sein muss. Dichter Nebel wabert wie ein unheimlicher See über den dichten Dschungel-Boden. Leuchtende Pflanzen-Tentakel ranken sich in ihre Richtung. Überall sind Knartzer, Gurgeln und Gluckser zu hören. Doch Selene bahnt sich tapfer ihren Weg durch den Dschungel der Gefahren.



Sie findet eine Tonaufzeichnung – vielleicht erhält sie so mehr Antworten. Doch die Stimme, die sie darauf hört, lässt sie erstarren: Es ist sie selber, die eine Botschaft hinterlassen hat. Doch Selene ist doch gerade erst mit dem Raumschiff auf diesem Planeten gelandet. Wie also ist das möglich? Ein paar Schritte weiter entdeckt sie eine Austronauten-Leiche, die denselben Anzug trägt wie sie. Als sie den Helm des leblosen Körpers dreht, erfolgt der nächste Schock: Sie starrt gerade ihre eigene Leiche an. 

Aus dem Nebel leuchtet etwas rot auf. Ein tiefes Brüllen ist zu hören. Aus der Dunkelheit springt eine Kreatur hervor. Reisengross, von schwarzen Tentakeln umgeben. Sofort springt das Biest Selene an und erschlägt sie mit nur einem Hieb. Selene erwacht wieder im abgestürzten Raumschiff. Sie ist wieder lebendig, aber immer noch auf dem Planeten. Was zur Hölle ist da los?

Der Tod wird zur Normalität

Bis hierhin hat man erst das Intro von «Returnal» erlebt. Die Idee vom Sterben und Neustarten ist ein wichtiger Bestandteil der gesamten Story und dem Gameplay. Immer wenn Selene das Zeitliche segnet, erwacht sie wieder im Raumschiff und das Abenteuer geht von Neuem los. Waffen, Währung oder Artefakte, die sie unterwegs eingesammelt hat, sind weg. Nur eine handvoll Dinge kann sie über den Tod hinaus mitnehmen. Zum Beispiel wichtige Story-Items oder Äther, eine Art Währung für abgespacte Verkaufsautomaten. Wieso sie dem Tod scheinbar trotzen kann und wieso sich der Planet bei jedem Neustart wie ein flüssiges Puzzle zu verändern scheint, das gilt es im Laufe der Story zu entdecken. Wobei man so viel verraten kann: Eine von den Toten auferstandene Person ist bei Weitem nicht das Schrägste, was man sehen wird.

Die Alienlandschaften und ihre Bewohner erinnern einem immer wieder etwas an H.R. Giger.
Die Alienlandschaften und ihre Bewohner erinnern einem immer wieder etwas an H.R. Giger.
Sony

Kugelhagel aus der Hölle

Selene kann sich dem Tod aber mit allen Mitteln widersetzen. Vorzugsweise mit roher Waffengewalt, denn «Returnal» sieht sich selber als eine Art Weiterentwicklung der Bullethell-Spiele. Diese erkennt man daran, dass die gegnerischen Projektile meist langsam und hell leuchtend sind und sich in verschiedenen Mustern über den Bildschirm bewegen. Die Gegner schiessen nicht mit Patronen, sondern heizen Selene mit blau, rot oder violett leuchtenden Bällen ein, denen es auszuweichen gilt.

Schnell entstehen so wahre Lasershows und das Ausweichen wird zum Spiessrutenlauf. Denn viel hält Selene nicht aus und Heilung ist rar. Zum Glück ist die Protagonistin aber ziemlich geschickt auf den Beinen und steuert sich butterweich und flink wie ein Wiesel durch die Level. So entsteht ein wildes Hin und Her aus Ausweichen, Schiessen, Springen und nochmals Ausweichen bis alle Gegner erledigt sind.



Ein Adrenalin-Meter motiviert die Spieler, besonders geschickt vorzugehen. Denn je mehr Gegner man tötet, ohne selber getroffen zu werden, desto höher steigt das Adrenalin und desto mehr Boni erhält man. Ist man erstmal im «Flow» drin, dann spielt sich «Returnal» einfach hervorragend und macht jede Menge Laune. Beim Durchforsten des Planeten findet Selene auch etliche nützliche Verbesserungen wie neue und bessere Waffen, passive Boni wie mehr Leben, stärkere Verteidigung oder Spezial-Gegenstände wie eine Art Kuppel, welche sämtliche gegnerische Projektile in Währung verwandelt.

Doch leider ist alles vergänglich und so verliert Selene diese Verbesserungen nicht nur bei ihrem Tod, sondern quält sich beim Voranschreiten auch mit verunreinigten Verbesserungen herum, welche einen Negativeffekt hervorrufen können. So haben beispielsweise einige Heilitems die Chance, Selene zu verletzen, statt zu heilen oder andere schränken den Waffenschaden massiv ein, bis man eine Anzahl Gegner erledigt hat. Es ist ein beständiges Spiel um Risiko und Chancen. 

Definitiv kein Feierabend-Spiel

Dieses Spielprinzip kennt man bereits bestens aus anderen Roguelikes. Doch bei «Returnal» dauert ein Versuch nicht wie bei anderen Titeln dieser Art zwischen 20 und 30 Minuten, sondern kann schnell einmal eine Stunde oder länger gehen. Und je länger man unterwegs ist, desto grösser wird der Frust, wenn man am Ende wieder im Schiff aufwacht ohne dabei einen Fortschritt mitnehmen zu können.

Hinzu kommt, dass man ebenfalls wieder im Schiff startet, wenn man das Spiel verlässt. Wer also eine Speichern-Option sucht, der wird in «Returnal» nicht fündig. Das ist nicht etwa einem Bug oder anderen Fehler geschuldet, sondern bewusst so programmiert. Ein neuer Versuch ist jedes Mal ein Zugeständnis, so lange zu spielen, bis man stirbt. Dieser Fakt ist aktuell bei Gamern alles andere als unumstritten und löst heftige Debatten aus.

Kugelhagel dieser Art gehören noch zu den einfacheren Gegnermechaniken im Spiel.
Kugelhagel dieser Art gehören noch zu den einfacheren Gegnermechaniken im Spiel.
Sony

Hier zeigt sich auch einer der grösseren Kritikpunkte am Spiel. So viel Spass das Spiel auch machen kann, wenn man gut unterwegs ist, so schnell kann es auch äusserst frustrierend werden. Wenn man eine längere Spielsession investiert hat, um gute Ausrüstung zu finden und dann alles mit zwei, drei kleineren Unachtsamkeiten zunichtegemacht wird. Das ist schon sehr hart. Das Verhältnis zwischen der durchschnittlichen Länge der Versuche und dem Anforderungsgrad stimmen hier einfach nicht überein. Statt wie in anderen Roguelike-Spielen sofort nach dem Tod die Motivation zu spüren, noch einen Versuch zu starten, ist man hier zunächst einmal gefrustet. Und das nicht zu knapp.

Menschen mit einer niedrigen Frust-Toleranz sollten also lieber einen Bogen um «Returnal» machen. Wer sich aber sehr gerne Herausforderungen stellt und auch nach gefühlt 50 erfolglosen Versuchen noch weiter selber motivieren kann, der wird mit «Returnal» sehr glücklich und kann einen der interessantesten Exklusivtitel dieser Generation geniessen.