2 Millionen für «Super Mario» Das abgekartete Spiel mit Retro-Spielen

Von Martin Abgottspon

10.9.2021

Das Geschäft mit Retro-Games ist lukrativ. Aber für wen?
Das Geschäft mit Retro-Games ist lukrativ. Aber für wen?
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Das Geschäft mit Spiele-Raritäten boomt. Doch hinter all den Rekord-Auktionen steckt eine perfekt funktionierende Maschinerie, die die Preise künstlich in die Höhe treibt.

Von Martin Abgottspon

10.9.2021

Die Gaming-Industrie gehört zu den grössten Gewinnern der Corona-Pandemie. Praktisch alle grossen Publisher und Hardware-Hersteller vermeldeten in den vergangenen zwei Jahren Rekordumsätze. Insofern erstaunt es auch nicht sonderlich, dass spezielle Spiele-Unikate in den letzten Monaten zu Höchstpreisen versteigert wurden.

Bereits Ende 2019 knackte ein Spiele-Sammlerstück erstmals die 100'000-Franken-Grenze und schaffte es damit auch in die Schlagzeilen der grossen Medienhäuser. Den sechsstelligen Betrag legten damals die Sammler Jim Halperin, Rich Lecce und Zac Gieg zusammen, um sich eine seltene Ausgabe von «Super Mario Bros.» zu leisten.



Es sollte nur der Auftakt einer Welle von Rekordauktionen im Gaming-Bereich sein. Ein weiteres «Mario»-Exemplar brachte es im Sommer 2020 bereits auf über 600'000 Franken. Dieses Jahr gingen eine «Legend of Zelda»-Version für knapp 1 Million Franken und kürzlich ein weiteres «Mario»-Spiel für knapp 2 Millionen über die Auktionstheke.

Wenn Unparteiische zu viel Macht bekommen

Der Youtuber und Journalist Karl Jobst nahm diese Entwicklung in einem seiner Videos nun etwas kritischer unter die Lupe und kam dabei zu überraschenden Erkenntnissen. Gemäss seinen Recherchen würden das Auktionshaus Heritage Auctions und Wata Games, ein Bewertungsunternehmen für Videospiele, eine künstliche Blase schaffen, um die Preise für Retro-Games mehr und mehr in die Höhe zu treiben.

Dies ist vor allem deshalb möglich, weil Wata Games trotz ihrer noch jungen Geschäftstätigkeit bereits als wichtige Autorität gilt, wenn es um die Bewertung von Videospielen gilt. Sammlerstücke, die nicht von Wata Games zertifiziert sind, sind quasi wertlos. Ähnlich verhält sich der Markt beispielsweise auch bei Münzen, Sammelkarten oder Comics.

Inzwischen sind es allerdings längst nicht mehr nur Sammler, die sich für die Millionen teuren Games interessieren. Vielmehr steigen Investment-Firmen wie Rally oder Otis in den Handel ein. Diese Unternehmen verkaufen Anteile dieser Spiele an Investoren, mit der Hoffnung, dass der Wert steigt, damit die Anteile mit Gewinn weiterverkauft werden können, wie eine Art Aktienmarkt.

«Ein riesiger Interessenkonflikt»

Nun stellt man sich natürlich die Frage, was eine Bewertungsfirma wie Wata Games denn überhaupt davon hat, wenn die Preise für Sammlerstücke immer weiter steigen. Für sie zahlt sich das am Ende ja nicht aus, müsste man annehmen. Nur hat die Sache hier einen grossen Haken. 



Gemäss den Untersuchungen von Jobst haben einzelne Mitarbeiter von Wata Games nämlich selber Spiele gekauft und verkauft, so etwa auch der Direktor Jeff Meyer.  Jobst kommt daher zu der Annahme, dass Meyer versucht, den «Informationsfluss über den Wert von Videospielen zu besitzen und zu kontrollieren, was angesichts seiner Verbindung zu Wata Games nur noch verdächtiger wirkt; ein riesiger Interessenkonflikt».

Ausserdem erhalten Wata Games und auch Heritage Auctions tatsächlich höhere Provisionen, je höher einzelne Sammlerobjekte bewertet sind. Liegt der Marktpreis eines Spiels bei 10'000 Dollar, erhält Wata Games für die Benotung 400 Dollar. Liegt der Wert bei einer Million, bekommt Wata 20'000 Dollar. Und auch Heritage Auctions erhält 20 Prozent vom Kaufpreis sowie weitere 5 Prozent vom Verkäufer. Diese Tatsache schreit förmlich nach Missbrauch und Manipulation.

Unternehmen bestreiten Vorwürfe

Wata Games reagierte auf die Vorwürfe von Karl Jobst zunächst nicht. Inzwischen formulierte das Unternehmen eine Antwort, die die Webseite «Videogamechronicle» veröffentlichte. Darin werden die Anschuldigungen als «grundlos und diffamierend» abgetan. 

Auch Heritage Auctions weist die Anschuldigungen zurück und bestreitet, in illegale oder unethische Aktivitäten verstrickt zu sein. «Heritage Auctions hätte gern die Möglichkeit gehabt, vor der Veröffentlichung des Videos zu antworten, da der Beitrag zahlreiche falsche Tatsachenbehauptungen und ungenaue Schlussfolgerungen enthält», heisst es. «Heritage weist nachdrücklich jede Behauptung zurück, dass es oder seine Mitarbeiter an Lockvogel-Angeboten, ‹Marktmanipulation› oder ähnlich illegalen oder unethischen Praktiken beteiligt sind.»

Die Geschichte wiederholt sich

Damit dürfte der Fall für die beiden Unternehmen allerdings noch nicht vom Tisch sein. Jobst hat mit seinem Video den Stein erst ins Rollen gebracht, und für viele scheint sich die Geschichte hier nur ein weiteres Mal zu wiederholen. 

Eine ähnliche Blase platzte schon einmal Ender der Achtzigerjahre. Damals wurden Münzen ebenfalls sehr hoch bewertet und durch Investorengelder grosse Blasen kreiert. Eine nicht unwichtige Gemeinsamkeit: Heritage Auctions war auch in dieser Blase involviert.