Kolumne am Mittag Wir gratulieren Sibel Kekilli nicht nur wegen ihres Geburtstags

Von Philipp Dahm

16.6.2020

Geburtstagskind am 16. Juni: Sibel Kekilli wird heute 40 Jahre alt.
Geburtstagskind am 16. Juni: Sibel Kekilli wird heute 40 Jahre alt.
Bild: Keystone

Sibel Kekilli spielte in Pornos mit, im «Tatort», in «Game of Thrones». Die Tochter türkischer Migranten hat sich von den Eltern befreit – und von der «Bild»-Zeitung. Wir gratulieren der deutschen Actress nicht nur wegen ihres Geburtstags.

Sibel Kekilli wirkt zerbrechlich. Aber ihre Nerven scheinen aus Stahl – und ohne diese wäre sie heute auch nicht da, wo sie ist.

Ihre Eltern kommen 1977 aus einem türkischen Bergdorf zum Arbeiten nach Deutschland und bringen in Heilbronn ihre vier Kinder zur Welt. Kekilli wird am 16. Juni 1980 geboren.

Die Älteste unter den Geschwistern macht die Mittlere Reife und lässt sich in Heilbronn von 1997 bis 2000 zur Verwaltungsfachangestellten ausbilden. Eine Weile arbeitet sie bei den Entsorgungsbetrieben, doch ihre Geburtsstadt wird ihr bald zu klein. Sie kündigt, landet im Ruhrpott, schlägt sich durch. Als Putzfrau, Kellnerin, Verkäuferin. Ab und an kann sie Model stehen und verdient sich bei einer Fotografin etwas dazu.

Doch um das Leben zu bestreiten, reicht das nicht aus: 2001 und 2002 spielt Sibel Kekilli in einigen Pornofilmen mit, dann spricht sie in Köln eine Casting-Agentin an – es ist August 2002.

«Bild»-Kampagne gegen Kekili

Sie setzt sich gegen 350 Mitbewerberinnen durch und übernimmt die Hauptrolle im Film «Gegen die Wand». Das grandiose Sozialdrama ist der Durchbruch für Regisseur Fatih Akin und seine Hauptdarsteller.

Preisgekröntes Trio: Birol Ünel, Sibel Kekilli und Fatih Akin 2004.
Preisgekröntes Trio: Birol Ünel, Sibel Kekilli und Fatih Akin 2004.
Bild: Keystone

2004 gewinnt «Gegen die Wand» jede Menge Preise, und Kekilli droht, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren – «Bild» hat von ihrer Fummelfilm-Vergangenheit erfahren. Das Boulevardblatt fährt eine Kampagne gegen die Schauspielerin, erzählt dem Vater von den Pornos, gräbt anderes Privates aus.

«Dass sie es auf die Titelseite nehmen, so riesig, so schmutzig, das hätte ich nicht gedacht», sagt Kekilli damals der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». «Ich war eine kleine Pornodarstellerin und mehr nicht.» «Traurig» gemacht habe sie, dass sich ihr Papa und ihre Schwester öffentlich über sie geäussert hätten – Kontakt zu den Eltern hatte sie da bereits nicht mehr. «Eltern verstossen sündige Film-Diva», so titelte «Bild».

Ab nach Hollywood

Kekillis Karriere hätte von da an so verlaufen können wie die von Birol Ünel, ihrem kongenialen Filmpartner in «Gegen die Wand», der wegen Alkoholproblemen um sein Leben zu kämpfen hat. Doch Kekilli scheitert weder am Ruhm noch an der Ruchlosigkeit, die ihr die «Bild» beharrlich unterstellt.

Obwohl sie 2010 mit dem Sozialdrama «Die Fremde» gute Kritiken einfährt, will Kekilli weg von der Rolle der Migrantin: Sie steigt in diesem Jahr als Psychologin Sarah Brandt beim Kieler «Tatort» ein. Und der Imagewechsel gelingt ihr schneller als erwartet.

Bundespräsident Joachim Gauck verleiht am 8. März 2017 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland an die sichtlich bewegte Sibel Kekilli im Schloss Bellevue in Berlin.
Bundespräsident Joachim Gauck verleiht am 8. März 2017 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland an die sichtlich bewegte Sibel Kekilli im Schloss Bellevue in Berlin.
Bild: Keystone

Eine Rolle in der HBO-Serie «Game of Thrones» führt Kekilli zu ganz neuen Ufern. Und auch wenn «Bild» es gern hätte, gibt sie dem Blatt keine Interviews mehr.

Zuletzt drehte Kekilli, die sich für Frauenrechte engagiert, die Miniserie «Bullets» und den Episodenfilm «Berlin, I Love You». Dass sie der deutsche Bundespräsident 2017 mit dem Bundesverdienstkreuz am Band geehrt hat, zeigt die Grösse, die diese Schauspielerin in 40 Jahren erreicht hat.

Auch dazu an diesem Tag herzlichen Glückwunsch, Frau Kekilli!

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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