Kolumne Winterschwimmen, der kalte Kick für Hartgesottene

Von Marianne Siegenthaler

8.2.2021

Winterschwimmen macht Spass und härtet ab – und es ist ein natürliches Antidepressivum. (Symbolbild)
Winterschwimmen macht Spass und härtet ab – und es ist ein natürliches Antidepressivum. (Symbolbild)
Bidl: Getty Images

Manche Menschen – unsere Kolumnistin etwa – frönen dem eiskalten Hobby seit Jahren. Nun liegt Winterschwimmen im Trend. Bleibt die Frage: Warum tun sich das vor allem Frauen an?

Ja, ich gehöre auch dazu. Zu den Frauen und Männern, die bei winterlichen Temperaturen, Regen oder Schneefall ein Bad im eiskalten See nehmen. Raus aus den warmen Winterklamotten, rein in den Bikini und ab ins Wasser.

Zugegeben: Es ist kalt. Richtig frostig. Geschätzte 5 Grad.

Ich google schon lange nicht mehr nach der Wassertemperatur. Denn wenn diese sich erst mal im einstelligen Bereich bewegt, spielt es keine Rolle mehr. Die Kälte umgibt mich wie ein Schock. Schuld ist die im Vergleich zur Luft viel höhere Dichte von Wasser.

Oder anders ausgedrückt: Die Körperwärme wird rund 20-mal schneller abgeleitet als an der Luft. Und nein, es ist nicht so, dass sich das Wasser irgendwann angenehm anfühlt oder so ähnlich. Es bleibt kalt.

Zur Autorin: Marianne Siegenthaler
Bild: zVg

Marianne Siegenthaler ist freie Journalistin, Texterin und Buchautorin. In ihrer Kolumne nimmt sie die grossen und kleinen, die schrägen und schönen, die wichtigen und witzigen Themen des Alltags unter die Lupe – mal kritisch, mal ironisch, mal mit einem Augenzwinkern. Sie ist verheiratet, hat eine erwachsene Tochter und lebt am Zürichsee. www.texterei.ch

Macht aber nichts. Für ein paar flotte Schwimmzüge reicht es allemal. Und schon geht’s wieder raus aus dem Wasser. Schlottern? Nein. Denn kaum bin ich wieder draussen, gibt die Durchblutung Vollgas. Und ich fühle mich grossartig! Hellwach und putzmunter. Und gleichzeitig total entspannt.

Lebensfreude und Freiheit

Das bestätigen auch andere Winterschwimmer*innen, die ich ab und zu am Zürichsee-Ufer antreffe. «Ich mach das wegen des guten Gefühls danach», meint eine. «Für mich ist es Lebensfreude, Vertrauen in den Körper, mentales Training und wildes Freiheitsgefühl.» Und: «Es macht Spass und härtet ab – und es ist ein natürliches Antidepressivum.» Nicht zuletzt stärkt es gemäss einer Studie auch das Immunsystem.

Letzteres kann mit ein Grund sein, warum gerade jetzt so viele Menschen den Sprung ins eiskalte Wasser entdeckt haben. Denn eine gut funktionierende Körperabwehr kann nicht nur dabei helfen, Erkältungsviren in Schach zu halten, sondern auch andere Krankheitserreger auszubremsen oder den Verlauf einer Erkrankung abzumildern.

Und natürlich hat wohl kaum jemand was gegen eine bessere Fettverbrennung beziehungsweise einen höheren Kalorienverbrauch. Wobei ich erfahrungsgemäss weiss: Nach so einem kalten Bad habe ich jeweils enorm viel Appetit.

Glücksgefühl, das süchtig macht

Entdeckt habe ich das Winterbaden vor einigen Jahren. Am Ende des Sommers wollte ich einfach nicht aufhören mit meinem täglichen Schwumm. Und so blieb ich dran. Auch als das Wasser unter die 10-Grad-Marke fiel.

So ziehe ich bis heute zwischen Herbstlaub meine Runde. Im Schneegestöber oder wenn eisige Winterböen das Wasser aufpeitschen oder dicker Nebel das gegenüberliegende Ufer verschwinden lässt. Und wenn dann im Laufe des Frühlings das Wasser wieder wärmer wird, werden auch die Schwimmrunden länger, denn bei 14, 15 Grad ist es doch fast schon angenehm temperiert, oder?

Interessanterweise scheint das Winterschwimmen eher ein Frauen-Ding zu sein, jedenfalls habe ich bisher nur ganz selten mal einen Mann angetroffen, der sich in die eisigen Fluten geworfen hätte.

Dabei hat es einen guten Grund, warum wir uns das immer wieder antun: Der Kälteschock hat nämlich auch positive Auswirkungen auf die Psyche: Beim Eintauchen ins eisige Wasser werden Adrenalin und Endorphine freigesetzt. Ich schätze mal, es ist das euphorische Glücksgefühl, das süchtig macht und uns regelmässig ins kalte Nass lockt.

Eben nicht, obwohl es kalt ist. Sondern genau deswegen.

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