Schweizer Outdoor-Fotograf «Mountains» – die atemberaubend schönen Bergbilder von Robert Bösch

Bruno Bötschi

8.12.2018

Robert Bösch ist Alpinist und Fotograf und schafft mit der Kamera kunstvolle Bilder. Klingt hübsch, ist aber auch gefährlich. Jetzt hat der 64-Jährige mit dem Bildband «Mountains» sein Lebenswerk veröffentlicht.

Seine Bilder zeigen Bergsteiger, Freerider oder Paraglider bei gewagten Stunts. Sie zeigen Biker und Kanuten. Der Schweizer Robert Bösch gilt als einer der besten Outdoor-Fotografen der Welt.

Auf die Frage, wie viel Risiko er für ein gutes Foto eingehe, sagt Bösch: «Wenn ich als Fotograf in die Berge gehe, suche ich Bilder, nicht die Gefahr. Wenn ich als Bergsteiger unterwegs bin, ist das anders.»

Seit über 30 Jahren arbeitet Bösch als Fotograf, war in früheren Jahren ambitionierter Bergsteiger und Bergführer. Als 2017 der Profi-Bergsteiger Ueli Steck tödlich im Himalaya verunglückte, traf ihn das schwer – er widmet seinen neuesten Bildband «Mountains» seinem engen Freund.

«Bluewin» publiziert exklusiv das gekürzte Vorwort von Bösch und präsentiert einige seiner schönsten Bergbilder in der Galerie.

Bergsteigen und Fotografieren: Lebensinhalt und Beruf

»Mountains« ist das Buch des Fotografen Robert Bösch. »Mountains« ist nicht das Buch des Bergsteigers Robert Bösch. Doch ohne den Bergsteiger hätte der Fotograf dieses Buch nicht realisieren können. Bergsteigen und Fotografieren waren mir über all die Jahre Lebensinhalt und Beruf.

Stand am Anfang das leistungsorientierte Bergsteigen im Zentrum meines Tuns, entwickelte sich aus meinem Unterwegssein in den Gebirgen der Welt allmählich die Fähigkeit, meine zweite Leidenschaft, die Fotografie, auf eine professionelle Basis zu stellen. Learning by Doing war mein Weg bei beidem.

Es wurde ein langer Weg, der mich auf alle Kontinente und in abgelegenste Winkel der Erde geführt und mir zu einem spannenden Leben und langjährigen Freundschaften verholfen hat. Berge und Bilder, das sind die zwei Welten, in denen ich mich die letzten vierzig Jahre bewegt habe und die sich manchmal – hauptsächlich auf Expedition – überschnitten.

Normalerweise waren es aber zwei sehr verschiedene Bergwelten, in denen ich entweder als Fotograf oder als Alpinist unterwegs war. Bergsteigen als Abenteuer bedeutet, sich bewusst und dauernd mit der Gefahr auseinanderzusetzen. Zum Bergsteigen gehört nicht nur die Freude am Erleben der Berge und der Respekt davor, zum Bergsteigen gehört auch die Angst: die manchmal aufflackernde Angst in der Wand, aber vor allem die viel zehrenderen Ängste in der Nacht vor der Tour. Jeder, der ein großes Projekt geplant hat, muss sich mit diesen Ängsten auseinandersetzen und ihnen widerstehen können.

Abenteuer ist kein Vergnügen

Wirkliches Abenteuer ist kein Vergnügen, und schon gar nicht ist es Fun. Es ist dieses Ausgesetztsein, in dem man nur durch sein eigenes, richtiges Handeln bestehen kann und das oft mit dem Wunsch verbunden ist, möglichst schnell und heil wieder aus der Situation herauszukommen. Zum Abenteuer gehören aber auch die Momente intensivsten Erlebens, wenn man spürt, dass man auch unter schwierigen Bedingungen richtig handelt.

Diese Momente sind es, die wir immer wieder suchen. Mich haben viele Varianten des Bergsteigens interessiert – kombinierte Touren, Enchaînements, Freeclimbing, alpine Felsklettereien, Bigwall-Klettern, Höhenbergsteigen. Bei allen Spielarten galt für mich der Grundsatz: Bergsteigen heißt vorsteigen beziehungsweise in wechselnder Führung klettern.

Nur wer selbstständig am Berg entscheidet, eigenverantwortlich handelt und bereit ist, die schwierigsten und auch die gefährlichsten Passagen einer Tour im Vorstieg zu klettern, hat die Tour wirklich gemacht. Wer nicht bereit ist, gewisse Risiken einzugehen, wird nie ein erfolgreicher Bergsteiger. Wer dauernd zu viel Risiko eingeht oder die Gefahren nicht erkennt, wird vermutlich kein alter Bergsteiger.

Doch neben der rationalen Einschätzung unseres Tuns lehrt uns das Leben in den Bergen auch Demut – die Erkenntnis, dass wir, so umsichtig wir auch immer zu handeln bestrebt sind, auch Glück brauchen. Mein persönlicher kategorischer Imperativ lautet: Handle stets so, dass du das Glück nicht brauchst – aber wenn du Glück hast, sei dankbar.

In einer sehr anderen Bergwelt bewege ich mich, wenn ich als Fotograf unterwegs bin: Da geht es mir um das Bild, und da fehlt mir die Bereitschaft, bewusst Risiken einzugehen.  Kein Bild ist das Risiko eines schweren Unfalls wert. Das gilt für mich, aber vor allem auch für die Athleten. Entsprechend habe ich nie einen Athleten bei einer Aktion gepusht. Ich sah meine Aufgabe eher im Bremsen. Trotzdem ist die Gefahr immer mit dabei, man bewegt sich schließlich in einem Gelände, wo Fehler und Fehleinschätzungen – aber auch schlichtes Pech – verheerende Folgen haben können. Entsprechend dankbar bin ich, ohne gravierende Unfälle durch all die Jahre als Action-Fotograf gekommen zu sein.

Eine Bilderwelt der Bergwelt

In diesem Buch geht es nicht um Bergerlebnisse oder alpine Meilensteine. Die Bilder erzählen keine Geschichten. Sie stehen für sich. Eine Bilderwelt der Bergwelt. Es ist der Versuch, eine Bildsprache zu finden, einen Bildrhythmus, der als Gesamtes eine eigene Wirkung bekommt. Es geht mir um eine Verschmelzung von Landschafts- und Action-Fotografie. Auch wenn sich alles in den Bergen abspielt und Fotografie letztlich Fotografie ist, erfordert die Landschaftsfotografie doch oft eine andere Vorgehens- und Sichtweise als die Sportfotografie. Landschaftsfotografie ist für mich die Kunst des Bilder-Sehens. Wir sehen ja keine Bilder, wir sehen immer das Ganze, das Alles.

Während der Maler sein Viereck mit Farbe allmählich zu einem Bild gestaltet, indem er hinzufügt, gestalte ich als Fotograf das Bild gerade umgekehrt, nämlich indem ich weglasse. Im Moment des Auslösens wird das Bild aus der Welt geschnitten. Bilder stehen für sich und sind nur deshalb interessant, weil sie weder alles zeigen noch für das stehen, was sonst auch noch war – darum herum und vorher und danach.

Nur dieses »Aus-der-Welt-herausgelöst-Sein« macht das Bild einmalig. Landschaftsbilder sind wie aus dem Zusammenhang gerissene Zitate. Während die Landschaftsfotografie die Kunst des Bilder-Sehens ist, ist die Action-Fotografie die Kunst des Bilder-Voraussehens. Action heißt Veränderung, bedeutet, dass ich nicht sehe, was gleich sein wird. Das Bild erahnen, dass es so noch gar nicht gibt, das erst entsteht, wenn der Athlet am entscheidenden Ort die entscheidende Handlung macht. Bilder im Kopf kreieren, schnell entscheiden und handeln – das ist Actionfotografie.

Auch wenn Druck und Hektik eigentlich unangenehm sind, irgendwie liebe ich diese Situationen eben doch. Etwas ist für mich bei der Landschafts- und der Action-Fotografie aber dasselbe: Das Bild entsteht, wenn ich auf den Auslöser drücke, nicht danach am Computer.

Es handelt sich hier um einen originalen Textauszug. Deshalb erfolgten keine Anpassungen gemäss «Bluewin»-Regeln.

Bibliografie: Mountains, Robert Bösch, 336 Seiten, Format 29,5 x 38,0 cm, Hardcover auf Leinenband, 978-3-86690-540-5; für 130 Fr. signiert erhältlich direkt beim Fotografen oder im Buchhandel.

Ausstellung: Noch bis am 31. Januar zeigt die Bildhalle Zürich die Ausstellung «Robert Bösch – das Bild vom Berg».

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