Himalaya China plant Super-Staudamm und lässt Indien schwer schlucken

Von Philipp Dahm

15.4.2021

China plant Super-Staudamm

China plant Super-Staudamm

Er soll drei Mal so viel Strom liefern wie das grösste Kraftwerk der Welt: China will in den Dihangschluchten einen Riesen-Staudamm bauen, der den Yarlung Tsangpo bändigt, bevor er die Grenze nach Indien überquert und zum Brahmaputra wird.

13.04.2021

China will im Hochland von Tibet das Wasser bändigen: Ein Damm soll dreimal so viel Energie wie die enorme Drei-Schluchten-Talsperre bringen. Flussabwärts in Indien und Bangladesch läuten hingegen Alarmglocken.

Von Philipp Dahm

15.4.2021

Die Drei-Schluchten-Talsperre produziert gut 100 Terrawattstunden Strom pro Jahr. Zum Vergleich: Alle Schweizer Wasserkraftwerke kommen im selben Zeitraum gerade mal auf 0,036 Terrawattstunden. Was China da leistet, ist also gewaltig – und dennoch wird das grösste Kraftwerk der Welt klein gegen Pekings jüngstes Projekt.

Ein neuer Damm im Hochland von Tibet soll dreimal so viel Energie liefern wie die Drei-Schluchten-Talsperre. Ein Plan mit weitreichenden Folgen vor allem für Indien, das durch den Bau von China abhängig zu werden droht.

Den Titel als grösstes Kraftwerk der Welt soll sie bald abgeben: Die chinesische Drei-Schluchten-Talsperre wurde von 1994 bis 2012 gebaut.
Den Titel als grösstes Kraftwerk der Welt soll sie bald abgeben: Die chinesische Drei-Schluchten-Talsperre wurde von 1994 bis 2012 gebaut.
Archivbild: KEYSTONE

Das Bauwerk der Superlative soll den Brahmaputra stauen, der in Tibet entspringt und dort noch Yarlung Tsangpo heisst. Im Oberlauf durchschneidet der Fluss das Himalaya-Gebirge in den Dihangschluchten, die die tiefsten überhaupt gelten.

Im Höhenunterschied, den der wasserreiche Strom dabei durchmacht, liegt ein enormes Potenzial für Energiegewinnung: Die Landschaft sei «die weltweit ergiebigste Region mit Blick auf hydroelektrische Ressourcen», freut sich Yan Zhiyong, Chef der staatlichen PowerChina, die den Super-Damm im Himalaya bauen soll.

Ökologische, kulturelle und politische Folgen

Dass es ökologische Einwände gegen das Vorhaben gibt, liegt auf der Hand: Der Damm würde sich wesentlich auf die Tier- und Pflanzenwelt auswirken. Ein weiterer Aspekt sind die kulturellen Auswirkungen: «Es gibt ein sehr reiches tibetanisches kulturelles Erbe in diesen Gebieten», erklärt Tempa Gyaltsen Zamlha vom Tibet Policy Institute «PhysOrg».

Gelb markiert die Lage der Dihangschluchten im Hochland von Tibet. Der Yarlung Tsangpo überquert südlich die Grenze nach Indien und wird zum Brahmaputra. Die grünen Tannen repräsentieren Naturschutzgebiete.
Gelb markiert die Lage der Dihangschluchten im Hochland von Tibet. Der Yarlung Tsangpo überquert südlich die Grenze nach Indien und wird zum Brahmaputra. Die grünen Tannen repräsentieren Naturschutzgebiete.
Karte: Google Earth

«Jede Dammkonstruktion würde die Umwelt zerstören und Teile der Region unter Wasser setzen. Viele Bewohner müssten das Land ihrer Vorfahren verlassen», so der Umweltexperte. Die Han-Chinesen, die als Arbeiter in die Region kämen, würden dagegen wohl permanent angesiedelt werden und so die Kultur Tibets nachhaltig beeinflussen. 

Flussabwärts lassen Pekings Pläne die Alarmglocken schrillen. Doch warum eigentlich, wenn es doch schon mehrere Dämme und Kraftwerke auf chinesischem Gebiet gibt? Das Problem sind die Stauseen, die mit deren Bau verbunden sind und die regulieren, wie viel Wasser den Strom hinabfliesst.

Keine international bindenden Vereinbarungen

Das System funktioniert so: Wenn etwa nachts wenig Strom verbraucht wird, schliessen sich die Schleusen der Stauseen, um die Energie zu speichern. Steigt der Verbrauch am Tag wieder an, wird der Wasserspeicher dann entleert, um zusätzliche Energie zu liefern. Flussabwärts sind diese Unterschiede dann deutlich zu spüren.

«Mit offenen Karten» von «Arte» zum Thema Tibet (und Wasser).

Katalysiert wird die Entwicklung vom Klimawandel: Durch die Erderwärmung wird die Schneeschmelze im Himalaya geringer ausfallen und die Wassermenge damit sinken. Millionen von Bauern in Bangladesch und Indien drohen, dann von Chinas gutem Willen abhängig zu sein, während gleichzeitig die Bevölkerung in Süd-Asien deutlich stärker zunehmen wird als die chinesische: 2050 stehen gut 2,4 Milliarden Menschen in Südasien 1,4 Milliarden Chinesen gegenüber.

Für Indien und Bangladesch, aber beispielsweise auch für die Mekong-Anrainer wie Vietnam, Laos und Kambodschas, die vor demselben Problem stehen: Es gibt zwischen den Staaten und China, das an der Quelle sitzt, keine bindenden internationalen Verträge. Zwischen Indien und China gibt es seit 2013 zwar eine Absichtserklärung, was internationale Flüsse angeht, die legal aber keine Konsequenzen hat.

Treibt China Indien in die Arme der USA?

Die Mekong-Anrainer standen 1995 kurz vor dem Abschluss eines Abkommens: Bangladesch, Thailand, Laos und Vietnam hatten es bereits unterschrieben, als China in letzter Minute einen Rückzieher machte. Peking wollte sich rechtlich nicht einschränken lassen. Auch eine entsprechende UN-Initiative wurde 1997 vom Reich der Mitte abgelehnt. 

Geopolitik? «Caspian Report» ist stets gut informiert.

«Das alles geschah zu einer Zeit, in der Peking relativ arm war», analysiert der empfehlenswerte Geopolitik-Blog «Caspian Report». «Zu jener Zeit 1997 hat die Wirtschaftsleitung von Hongkong 18 Prozent der Wirtschaftsleistung von China entsprochen. Das Peking hatte weder die ökonomische Kapazität noch das politische Selbstvertrauen von heute.»

Es sei deshalb kaum denkbar, heute ein internationales Regelwerk jetzt noch zustande zu bringen, so die Schlussfolgerung. «Caspian Report» fasst zusammen: Klimawandel, Industrialisierung, Urbanisierung und Bevölkerungswachstum werden die Wasserproblematik im Himalaya in Zukunft verschärfen und die Abhängigkeit von Staaten wie Indien deutlich steigern.

Und Indien? Überlegt selbst, Staudämme zu bauen, was in Bangladesch nicht gut ankommt. Gleichzeitig steigert die Brahmaputra-Frage die Spannungen zwischen den bevölkerungsreichen Staaten. Kein Wunder, dass ein amerikanischer Think Tank Washington gerade empfohlen hat, stärker auf Neu-Delhi zu setzen, wenn es darum geht, Peking im Indo-Pazifik Paroli zu bieten.

Ein «ARD»-Bericht über das Wassersystem von Tibet von 2012.