Ukraine braucht Flugzeuge Der Gripen hängt sogar den Alleskönner F-16 ab

Von Philipp Dahm

30.8.2022

Selenskyj: «Die Ukraine wird zurückkommen»

Selenskyj: «Die Ukraine wird zurückkommen»

Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj bekräftigt in seiner täglichen Video-Ansprache, dass die Ukraine zu den Gebieten «zurückkommen wird», die derzeit von russischen Truppen besetzt sind.

29.08.2022

Im Krieg in der Ukraine rücken nach der Artillerie wieder andere Waffen-Gattungen in den Vordergrund. Kiew wünscht sich neue Kampfjets, doch nicht alle Typen kommen infrage. Die beste Lösung kommt aus Schweden.

Von Philipp Dahm

30.8.2022

Experten haben einen anderen Auftakt des Krieges in der Ukraine erwartet – so wie bei den Kampagnen des Westens in den letzten Jahrzehnten: Da werden zuerst mit einem massiven Raketenbeschuss die Kommando-Struktur und die Luftabwehr des Gegners angegriffen und ausgeschaltet.

So eine Barrage ist die Grundvoraussetzung für die zweite Welle, in der Wild Weasel und andere Sead-Flugzeuge (Suppression of Enemy Air Defence) ausschwärmen, um feindliche Radar- und Raketensysteme unter Beschuss zu nehmen, während Jäger die Kampfflugzeuge vom Himmel holen, die nicht am Boden zerstört werden konnten. So wird die absolute Kontrolle des Luftraums hergestellt.

Nicht so in der Ukraine: Die erste Raketen-Welle blieb weit hinter den Erwartungen zurück, überdies mangelt es Russland offensichtlich auch an Flugzeugen für die elektronische Kriegsführung. Moskau verzichtet darauf, die Herrschaft in der Luft zu übernehmen. Die Vorsicht erklärt sich auch damit, dass die Ukraine einerseits noch über Luftabwehr-Systeme verfügt – und russische Flugzeuge im Tiefflug anfällig für den Beschuss durch mobile Raketen wie Stinger oder Igla sind.

In diese Lücke wollen die Verteidiger nun vorstossen – und weibeln für eine Aufrüstung der Luftwaffe. Das Verteidigungsministerium in Kiew hat zwei entsprechende Tweets abgesetzt. Man bekämpfe einen technisch und numerisch überlegenen Feind, heisst es in einem Video, das ukrainische Jets zeigt, während Kenny Loggins «Danger Zone» aus dem Gassenhauer «Top Gun» läuft.

Im zweiten Tweet heisst es mit Blick auf Martin Luther King Jr.: «I have a dream.» Die Luftwaffe träumt demnach von «F-16, F-22, F-35, Eurofighter Typhoon, Mirage 2000, Gripen». Zuvor wurde auch immer wieder die A-10 Warthog genannt: Wäre das legendäre amerikanische Erdkampfflugzeug die richtige Wahl? Hier beleuchten wir, wie sinnvoll welches System für die Ukraine wäre.

Mig-29 Fulcrum

Die Mig-29 Fulcrum ist ein bodenständiges Jagdflugzeug aus sowjetischer Produktion, das sich bereits im Arsenal der ukrainischen Luftwaffe befindet. Der Jet hat seine Daseinsberechtigung: Er ist umgerüstet worden, um die amerikanische AGM-88 Harm abschiessen zu können, die Radaranlagen zerstört.

Das Problem: Andere westliche Waffen können die ukrainischen Mig-29 nicht abfeuern, obwohl nun Kapazitäten auch gegen Bodenziele gefragt wären. Hier kommt nun die slowakische Luftwaffe ins Spiel: Am 27. August hat Bratislava einen Vertrag mit Tschechien und Polen unterschrieben, nach dem Prag und Warschau in den kommenden Jahren die Luftraum-Überwachung über der Slowakei übernehmen.

So werden Mig-29-Jets frei, die theoretisch an Kiew übergeben werden könnten. Der Vorteil der slowakischen Exemplare: Sie wurden umgerüstet, um Nato-Waffen tragen und einsetzen zu können. Die Slowakei hat 2018 14 F-16-Kampfjets in den USA bestellt, die 2024 ausgeliefert werden sollen.

A-10 Thunderbolt II alias Warthog

Die A-10 ist ein heutzutage ikonisches Erdkampfflugzeug, das im Kalten Krieg entwickelt worden ist. Der Jet ist quasi um sein Maschinengewehr herum gebaut worden, das 173 Millimeter grosse Munition verschiesst, die dank ihres Kerns aus abgereichertem Uran auch schwere Panzerungen mühelos penetriert.

In einem Konflikt mit der Sowjetunion hätte die A-10 die numerische Überlegenheit des Warschauer Pakts bei Panzern ausgleichen sollen, in dem sie im Tiefflug in der Europäischen Tiefebene feindliche Verbände aufreibt. Doch für den Krieg in der Ukraine ist das Warzenschwein keine gute Wahl.

Wie der amerikanische YouTuber Alex Hollings zeigt, funktioniert die A-10 nur dann, wenn die eigene Seite den Luftraum beherrscht – wie im Irak oder in Afghanistan, wo es keine Truppen mit mobilen Luftabwehrraketen oder eine potente gegnerische Luftwaffe mit Jets wie der Su-35 gibt. Auch Luftabwehr-Systeme wie die S-300, von denen gerade einige Batterien aus Syrien geholt worden sind, um sie in der Ukraine zu stationieren, sind für die A-10 potenziell tödlich.

F-22, F-35 und Eurofighter Typhoon

Träumen ist natürlich erlaubt, aber Realität werden diese beiden Punkte auf Kiews Wunschzettel sicherlich nicht. Zum einen wäre die Umschulung auf diese komplizierten Systeme für die ukrainischen Piloten ein Hindernis. Doch viel ausschlaggebender ist die Geheimhaltung.

Für die Schweizer Luftwaffe ist die F-35 ein «Gamechanger»

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Italienische F-35 zur Vorführung in Emmen: Das Militär klärt die Presse über das Flugzeug auf, das künftig den Schweizer Luftraum sichern soll. Der Kommandant Luftwaffe erklärt den Jet zum Gamechanger.

24.03.2022

Das Pentagon wird nicht riskieren, diese fortgeschrittenen Jets in russische Hände fallen zu lassen. Ein weiterer Nachteil: Die Flugzeuge kosten auch entsprechend viel. Den Preisvergleich zum Eurofighter Typhoon muss aber zumindest die F-35 nicht scheuen. Sprich: Auch der Euro-Jet ist keine gute Alternative.

F-16 Fighting Falcon

Die USA haben bereits ein Budget von 100 Millionen Dollar ausgelobt, um ukrainische Piloten in den USA an F-15- und F-16-Jets auszubilden. «Wir wollen offensichtlich eine Botschaft senden, um den Prozess zu autorisieren», sagte Mitte Juli der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger zu «Defence News».

Zweitbeste Wahl für Kiew: eine F-16 Viper am 17. August im Hangar in Hualien, Taiwan.
Zweitbeste Wahl für Kiew: eine F-16 Viper am 17. August im Hangar in Hualien, Taiwan.
EPA

Und weiter: «Für mich gibt es keinen Zweifel, dass die Ukraine mit westlichen Waffen ausgerüstet wird, wenn dieser Krieg endet. Ausserdem gibt es keine Migs oder Mig-Ersatzteile mehr.» Gerade die F-16 ist für die Verteidiger sehr gut geeignet: Das Flugzeug ist ein Allrounder und sowohl gegen Luft- wie auch gegen Bodenziele gut geeignet.

Die relativ günstige F-16 hat ausreichend Befestigungspunkte, um diverse Waffen zu tragen, und es gibt reichlich Ersatzteile für das Flugzeug, von dem weit über 4600 Exemplare gebaut worden sind. Ob das 100-Millionen-Paket für die Ausbildung durchkommt, entscheidet sich im September.

Jas-39 Gripen

Die F-16 ist zwar in der Beschaffung und im Unterhalt günstig – doch der Jas-39 Gripen ist in diesen Punkten nochmal deutlich billiger. Die operativen Kosten liegen im Vergleich bei zwei Drittel.

Der Gripen ist stark bei elektronischer Kriegsführung und erhält laufend Software-Updates. Der Jet kann Luft- wie Bodenziele bekämpfen. Das wendige schwedische Flugzeug ist dafür ausgelegt, alle gängigen Waffen der Nato-Staaten zu tragen, und hat ausserdem viele Befestigungspunkte. 

Der grösste Vorteil des Gripen gegenüber der Konkurrenz: Im Gegensatz zu F-16 und Co. braucht die Jas-39 nicht unbedingt einen Flugplatz. Weil diese Basen im Krieg erste Ziele sind, hat Saab den Gripen so gebaut, dass er auch mühelos von einer Strasse aus starten und wieder darauf landen kann. Eine Fähigkeit, die der ukrainischen Luftwaffe die Arbeit stark erleichtern würde.