Fake News unter roter Flagge Wie Influencer in China Propaganda verbreiten

Von Amanda Seitz, Eric Tucker und Mike Catalini, AP

2.4.2022

Die chinesischen Behörden haben ein Netzwerk an Social-Media-Persönlichkeiten aufgebaut, die in ihren Posts die Positionen der Regierung wiedergeben. 
Die chinesischen Behörden haben ein Netzwerk an Social-Media-Persönlichkeiten aufgebaut, die in ihren Posts die Positionen der Regierung wiedergeben. 
Bild: Uncredited/YouTube/dpa

Sie schwärmen für ihre Heimat, werben für die Politik Pekings und schimpfen über den Westen: Dutzende chinesische Influencer arbeiten eng mit den Staatsmedien zusammen. Doch das ist nicht immer transparent.

Von Amanda Seitz, Eric Tucker und Mike Catalini, AP

2.4.2022

In den sozialen Medien bezeichnet sich Vica Li als Bloggerin, die über das Leben und über Essen schreibt. Sie wolle ihren 1,4 Millionen Followern ihre Heimat näherbringen und zeigen, dass China ein sicheres Reiseland sei, erklärt sie. «Ich werde euch durch meine Linse durch China und mein Leben führen», kündigte sie im Januar in einem Video auf YouTube und Facebook an.

Doch diese Linse wird möglicherweise vom staatlichen Fernsehnetzwerk CGTN kontrolliert. Dort trat Vica Li regelmässig in Sendungen auf und wird auf der Website des Unternehmens als Digitalreporterin geführt. Während sie ihren Followern versichert, alle Kanäle selbst eingerichtet zu haben, wird ihre Facebook-Seite den Kontoinformationen zufolge von mindestens neun Menschen verwaltet.

Regierungstreue Social-Media-Persönlichkeiten

Das Portfolio an Accounts ist nur ein Beispiel für den wachsenden Einfluss Chinas auf US-Social-Media-Plattformen, wie Recherchen der Nachrichtenagentur AP ergaben. Das wirtschaftlich immer mächtigere Land nutzt das globale System sozialer Medien, um seinen Einfluss weiter auszudehnen. Die Behörden bauten ein Netzwerk an Social-Media-Persönlichkeiten auf, die in ihren Posts die Positionen der Regierung wiedergeben. Im virtuellen Gleichschritt werben sie für China, wehren Kritik an Menschenrechtsverletzungen ab und verbreiten die Sicht Pekings auf weltpolitische Angelegenheiten wie den Krieg in der Ukraine.

Einige mit den Staatsmedien verbundene Reporter haben sich selbst als trendige Instagram-Influencer oder Blogger positioniert. Das Land heuerte auch Unternehmen an, um Influencer zu rekrutieren. Diese sollen vorformulierte Botschaften propagieren, um das Image Chinas bei Social-Media-Nutzern zu heben.

Online-Propaganda weltweit

Zudem profitiert die Regierung von einem Kader an westlichen Influencern, die ihre englischsprachigen YouTube-Kanäle und Twitter-Feeds chinafreundlichen Positionen widmen. Dabei geht es unter anderem um den Umgang Chinas mit der muslimischen Minderheit der Uiguren oder um die amerikanische Freestyle-Skierin Eileen Gu, die kürzlich bei den Olympischen Winterspielen für China angetreten war. Manche schliessen nicht aus, dass Peking für solche Inhalte bezahlt.

Mit Hilfe seines Influencer-Netzwerks verbreitet China seine Propaganda an Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzer weltweit. Laut der Firma Miburo, die zu ausländischen Desinformations-Kampagnen forscht, arbeiten mindestens 200 Influencer mit Verbindungen zur chinesischen Regierung oder den Staatsmedien in 38 verschiedenen Sprachen.

«Man kann sehen, wie sie versuchen, jedes dieser Länder zu infiltrieren», sagt Miburo-Präsident Clint Watts, ein ehemaliger FBI-Agent. «Wenn man ein Publikum nur lange genug mit denselben Narrativen bombardiert, werden die Leute im Laufe der Zeit geneigt sein, diese zu glauben.» Offenbar habe China vor allem ein Potenzial weiblicher Influencer erkannt.

Getarnte Accounts der Staatsmedien

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist nur ein Beispiel. Während die Invasion als Angriff auf die Demokratie verurteilt wurde, präsentierte Li Jingjing ihren 21’000 YouTube-Abonnenten eine andere Sicht: Sie postete Videos, in denen die russische Propaganda wiederholt und irreführende Behauptungen verbreitet wurden – etwa, dass USA und Nato den russischen Angriff provoziert hätten.

Auf YouTube bezeichnet sich Li Jingjing als Reisende, Geschichtenerzählerin und Journalistin. Sie macht allerdings nicht transparent, dass sie als Reporterin für CGTN arbeitet. Auf Anfragen der AP reagierten weder das TV-Netzwerk noch Vica Li und Li Jingjing.

Die AP identifizierte Dutzende ähnliche Accounts, die zusammen mehr als zehn Millionen Follower und Abonnenten haben. Die Profile gehören oft Reporterinnen und Reportern chinesischer Staatsmedien, die ihre Accounts auf Facebook, Instagram, Twitter und YouTube umgebaut haben und sich dort nun «Blogger», «Influencer» oder «Journalisten» nennen. Die Plattformen sind in China ansonsten weitgehend blockiert.

China dementiert Einflussnahme

Ausländische Regierungen versuchen schon lange, mithilfe sozialer Medien heimlich Nutzer zu beeinflussen, so wie bei der Wahl in den USA 2016. Als Reaktion versprachen Tech-Unternehmen wie Facebook und Twitter, Nutzer besser auf ausländische Propaganda hinzuweisen, indem staatlich finanzierte Accounts entsprechend gelabelt werden.

Den AP-Recherchen zufolge ist das bei den Konten der meisten der chinesischen Influencer auf Social Media aber nicht durchgängig der Fall. Accounts wie die von Li Jingjing und Vica Li sind oft auf Facebook und Instagram gelabelt, aber nicht auf YouTube oder TikTok. Bei Vica Li fehlt der Hinweis auch auf Twitter.

Ein Sprecher der chinesischen Botschaft in Washington betonte, dass chinesische Medien und Journalisten unabhängig arbeiteten. Eine Führung oder Einmischung der Regierung gebe es nicht.

Werbevideos zu Propagandazwecken

Der aus Südafrika stammende YouTuber Winston Sterzel gehörte zu einer Reihe englischsprachiger Influencer, die im vergangenen Jahr von einer Firma namens Hong Kong Pear Technology kontaktiert wurden. Per E-Mail wurden sie aufgefordert, auf ihren Kanälen ein Werbevideo über die chinesische Provinz Hainan als Urlaubsziel zu teilen. Es folgte ein Propaganda-Video, in dem es hiess, das Coronavirus sei nicht in China, sondern in Nordamerika erstmals aufgetaucht.

Auf seine Nachfrage nach Beweisen für diese Behauptung habe er nie wieder etwas von Pear Technology gehört, erzählt Sterzel. Es gebe hier eine ganz einfache Erfolgsformel: «Sie besteht einfach darin, die chinesische Regierung zu loben, China zu loben und darüber zu reden, wie schlecht der Westen ist.»