Graubünden verpflichtet Ex-Pflegende «Ich hätte mir gewünscht, der Kanton wäre auf uns zugekommen»

Von Oliver Kohlmaier

12.1.2022

Bündner Pflegefachleute, die derzeit nicht in ihrem Beruf arbeiten, müssen sich beim Kanton melden.
Bündner Pflegefachleute, die derzeit nicht in ihrem Beruf arbeiten, müssen sich beim Kanton melden.
Keystone

Bündner Pflegefachleute, die derzeit nicht in ihrem Beruf arbeiten, müssen sich beim Kanton melden und sollen im Ernstfall für den Kampf gegen Omikron aufgeboten werden. Beim Pflegeverband hätte man eine freiwillige Lösung bevorzugt.

Von Oliver Kohlmaier

12.1.2022

Die aktuelle Omikron-Welle belastet wie überall in der Schweiz auch in Graubünden das Gesundheitswesen stark. Derzeit nimmt die Belegung auf den Intensivstationen zwar leicht ab, dies wird jedoch nach allen seriösen Prognosen nicht so bleiben.

Die Taskforce vermutet den Höhepunkt der Omikron-Welle in der Schweiz noch im Januar und warnt vor einer Überlastung der Spitäler. Auch in Graubünden ist nach Angaben des Kantons «davon auszugehen, dass die starke Zunahme der Corona-Fälle die medizinische Versorgung, beziehungsweise die personellen Ressourcen in den Pflegeberufen, an ihre Grenzen bringen wird».

Es sei daher «unvermeidlich, dass Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen personelle Engpässe bewältigen werden müssen».



Wie schon zu Beginn der Pandemie verpflichtet die Kantonsregierung daher am Mittwoch alle Pflegefachpersonen, die derzeit nicht in dem Beruf tätig sind, sich zu melden.

Was das im Ernstfall für die betroffenen Personen bedeuten könnte, stellt die Kantonsregierung in ihrer Medienmitteilung unmissverständlich klar: «Gemäss Gesundheitsgesetz kann der Kanton Betriebe des Gesundheitswesens sowie Gesundheitsfachpersonen zur Mitwirkung bei der Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen verpflichten.»

«Szenario war absehbar»

Auf Anfrage von blue News zeigt Renate Rutishauser, Präsidentin der Sektion Graubünden des Schweizer Berufsverbandes für Pflegefachpersonal, zwar grundsätzlich Verständnis für den Aufruf. Vor dem Hintergrund des erhöhten Personalbedarfs moniert sie jedoch:

«Dieses Szenario war absehbar und ich hätte mir gewünscht, dass der Kanton auf uns zugekommen wäre, um gemeinsam eine Lösung auf freiwilliger Basis zu suchen.»

Vor zwei Jahren meldeten sich 1000 Personen

Nach Angaben des Kantons haben sich 2020 «gegen 1000 Personen» gemeldet. 

Dass die gelernten Pflegefachkräfte nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten, dürfte jedoch seine Gründe haben. Ob es die richtige Lösung ist, diese Personen im Ernstfall zu einem Einsatz zu zwingen, steht für Rutishauser durchaus infrage.

Schon 2020 habe der Aufruf der Kantonsregierung trotz grundsätzlicher Hilfsbereitschaft zu «Verunsicherung und Ängsten» bei den betroffenen Personen geführt.

«Eine Verpflichtung ist immer weniger motivierend als eine freiwillige Unterstützung. Mit angemessenen finanziellen Anreizen könnte der Kanton die Motivation sicher verbessern», erklärt Rutishauser.