Rösti, der freundliche SVPler Ist Charisma angeboren oder lernbar?

Von Gil Bieler

11.10.2022

Gilt vielen als freundliches Gesicht der SVP: Ex-Parteichef und Nationalrat Albert Rösti gab am Montag seine Bundesratskandidatur bekannt.
Gilt vielen als freundliches Gesicht der SVP: Ex-Parteichef und Nationalrat Albert Rösti gab am Montag seine Bundesratskandidatur bekannt.
Bild: Keystone

SVP-Bundesratskandidat Albert Rösti ist bekannt für seine gewinnende und freundliche Art. Kann man an seinem Charisma eigentlich arbeiten? Ja, sagen zwei Fachfrauen – und verraten ein paar Dos und Don'ts.

Von Gil Bieler

11.10.2022

Wenn es ein Wort gibt, das Albert Rösti hartnäckig anhängt, dann: gmögig. Die «Luzerner Zeitung» brachte es einmal wie folgt auf den Punkt: «Rösti ist moderater im Auftritt, kaum ein Porträt über ihn kommt ohne die Attribute ‹nett› und ‹gmögig› aus.»

Der Berner Oberländer galt während seiner Zeit als Parteipräsident (2016 bis 2020) als das freundliche Gesicht der SVP. Und das, obschon er den Kurs der Partei «voll und ganz» vertrete, wie die Politologin Sarah Bütikofer im Gespräch mit blue News festhält.

Nach seinem Auftritt vom Montag dominiert in den Medien wiederum ein positiver Grundtenor: «Rösti empfahl sich mit einem gewinnenden, magistralen Auftritt», befand etwa der «Tages-Anzeiger» in einem Kommentar vom Dienstag. Röstis bislang einziger Herausforderer um den freiwerdenden SVP-Bundesratssitz, der Berner Ständerat Werner Salzmann, falle dagegen «mit seiner begrenzten Strahlkraft» deutlich ab.

Auch die NZZ ortet Unterschiede im Auftreten der beiden Kandidaten: «Salzmann tritt gerne zackig auf, Rösti gemächlich.» Der Gemächliche würde aber, so prognostiziert das Blatt, in einem direkten Duell mit Salzmann das Bundesratsrennen machen und vom Parlament gewählt.

Eine Wahl entscheidet sich freilich nicht am Charisma, und noch ist keiner als definitiver Kandidat gesetzt. Trotzdem wirft die Konstellation Rösti–Salzmann die Frage auf: Wird einem ein gewinnendes Wesen in die Wiege gelegt?

«Sympathisch herüberzukommen, kann man lernen», sagt Beatrice Müller. Die Zürcherin hat 16 Jahre lang die SRF-«Tagesschau» moderiert und arbeitet heute als Coach im Bereich Auftritts- und Medienkompetenz.

«Viele meiner Kundinnen und Kunden glauben, entweder liege einem der öffentliche Auftritt oder nicht. Doch das ist ein Handwerk wie andere auch.» Zwar spielten bei einem schwer fassbaren Begriff wie der Ausstrahlung viele Faktoren mit: Müller nennt Kommunikation, Gestik, Körperhaltung und anderes mehr.

Was aber besonders wichtig ist: «Es geht um ein Bewusstsein dafür, was beim Gegenüber gut ankommt und was nicht.» Sie schule diese Selbstwahrnehmung bei ihren Kund*innen darum mittels Videoanalyse.

Eigene Stärken betonen und sich treu bleiben

Ebenfalls entscheidend: Authentizität. Man müsse seine individuellen Stärken in den Vordergrund stellen, ohne sich zu verbiegen. «Wer versucht, jemand anderen zu kopieren, wird damit nicht punkten. Das durchschauen andere sofort, es wirkt irritierend.»

Will heissen: Ein Werner Salzmann sollte gar nicht versuchen, Albert Rösti zu sein – und umgekehrt.

«Wer versucht, jemand anderen zu kopieren, wird damit nicht punkten.»

Beatrice Müller

Auftritts-Coach und ehemalige «Tagesschau»-Moderatorin

Gleich sieht das Sophia Siegenthaler, die als Kommunikationstrainerin schon mehrere Politiker*innen durch den Wahlkampf begleitet hat. «Natürlich kann man als Coach vieles herausholen und verbessern. Aber am Ende ist es wichtig, dass die Leute sich treu bleiben – gerade in der Politik.»

Müller weiss aus ihrer Berufspraxis, dass sich bei öffentlichen Auftritten viele Menschen anders gäben, als sie seien – weil sie unter Stress stünden. «Ein Auftritt wie am Montag war ein gewaltiger Stresstest für Rösti.» Alle Augen und Kameras waren auf ihn gerichtet. Sie hat die Medienkonferenz verfolgt und dabei einige Stärken erkannt, die Rösti auszeichnen: «Seine Mimik, seine Sprache, nichts wirkt aufgesetzt. Darin ist er sehr stark, sogar wenn er eine vorbereitete Rede hält.»

Will ebenfalls in den Bundesrat: Der Berner Ständerat Werner Salzmann hat sich als Sicherheitspolitiker einen Namen gemacht.
Will ebenfalls in den Bundesrat: Der Berner Ständerat Werner Salzmann hat sich als Sicherheitspolitiker einen Namen gemacht.
Keystone

Was ihr ebenfalls auffiel: «Rösti arbeitet viel mit Storytelling. Wenn er erklären will, wie er ist oder was er meint, bettet er vieles in eine kleine persönliche Geschichte ein.» Die beginnt zum Beispiel mit dem Satz: «Mein Vater hat einmal zu mir gesagt ...» Da sei er ganz bei sich selbst, statt im Abstrakten zu bleiben. «Das ist ein starkes Mittel», sagt Müller. «Es geht gar nicht so sehr darum, das Gegenüber vom Hocker zu reissen, sondern darum zu belegen, wie man etwas meint.»

Perfekt zu formulieren, sei gar nicht notwendig, sagt Kommunikationscoach Sophia Siegenthaler: «Wenn man sich verhaspelt oder nicht so geschliffen ausdrückt, kann das auch charmant wirken. Und es ist sicher besser, als Worthülsen zu platzieren.»

Auch Maurer bleibt sich treu

Authentisch wirkt laut den beiden Expertinnen auch Ueli Maurer, der scheidende SVP-Bundesrat. Dennoch ist er – darauf lassen Umfragen zur Beliebtheit der Bundesräte schliessen – kein allzu grosser Sympathieträger.

«Was ihm sicherlich nicht hilft, ist sein gelegentlicher Zynismus», glaubt Beatrice Müller. Und mit seiner direkten Art könne Maurer manche vor den Kopf stossen. «Da beweist Rösti eine einfühlsamere, empathischere Art.»

Albert Rösti will für die SVP in den Bundesrat

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