Polizei zur Gewalt in Bern «Wenn Werkzeug im Spiel ist, muss man von Vorsatz ausgehen»

Von Philipp Dahm

17.9.2021

Eine radikalisierte Minderheit lässt die Berner Corona-Demo eskalieren: Christoph Gnägi von der Berner Kantonspolizei erklärt, mit welchem Potenzial die Beamten konfrontiert waren.

Von Philipp Dahm

17.9.2021

Die Pandemie – und wie die Politik mit ihr umgeht – spaltet das Land: Die Zertifikatspflicht erregt die Nation und sowohl auf Seiten der Gegner wie auch der Befürworter kochen die Emotionen mitunter ungesund hoch – wie am Donnerstagabend in der Hauptstadt.

«Ich verurteile jeden gewalttätigen Akt zutiefst», stellt Guy Parmelin am Tag darauf klar, obwohl in der Medienkonferenz eigentlich die Europa-Frage auf der Agenda steht. «Gewalt ist nie gut, da hört das demokratische Mitspracherecht auf.»

Das sagt der Bundespräsident zur Demo in Bern

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«Wir verurteilen uneingeschränkt Gewaltakte, sei es gegen Menschen, privates oder öffentliches Eigentum». So kommentierte Bundespräsident Parmelin die Demonstration der Gegner des Covid-Zertifikates vor dem Bundeshaus.

17.09.2021

Unter den Corona-Zweiflern seien die Extremen eine Minderheit innerhalb einer Minderheit, erklärt Sozialwissenschaftler Marko Kovic. Eine kleine, radikalisierte Minderheit hetze die Skeptiker auf und schüre Hass. Dass ein Sturm aufs Bundeshaus möglich gewesen sei, wie es Sicherheitsdirektor Reto Nause getweetet hat, glaubt der Experte aber nicht.

Ein verletzter Demo-Teilnehmer

Wie gewalttätig war die Veranstaltung auf dem Bundesplatz? Verletzt wurde nach bisherigem Kenntnisstand nur eine Person, die am Umzug teilgenommen hat, sagt der Sprecher der Berner Kantonspolizei. Nach Auflösung des Protests habe es auch keine weiteren Zwischenfälle gegeben, führt Christoph Gnägi aus und spricht über die Eskalation.

Zur Person
Kapo BE

Christoph Gnägi, Sprecher der Berner Kantonspolizei, berichtet, wie die Beamten die Demonstration am Donnerstagabend wahrgenommen haben.

Herr Gnägi, gestern wurde es zwischen Teilnehmenden der Demo und anderen Gruppen handgreiflich. Gab es eine Art Gegen-Demonstration?

Während der Demonstration und vor allem beim Umzug kam es zu Provokationen. Personengruppen haben sich diesem Umzug in den Weg gestellt. Man kann hier von einem zielgerichteten Vorgehen ausgehen.

Kommt es auch spontan zu Konfrontationen?

Wir wissen aus Erfahrung, dass es sich bei solchen Veranstaltungen nicht nur um zielgerichtete Vorgänge handelt: Es kommt auch zu Provokationen durch Passanten, die anderer Meinung sind. Das geschieht verbal, kann aber auch in so einem Handgemenge enden.

Warum ist die Lage eskaliert?

Wir haben die Demonstration abgemahnt. Wir haben gesagt, sie sollen die Zone räumen. Wir haben gesagt, die Demonstration ist beendet. Doch es ist weitergegangen. In der ersten Phase hat nur ein kleiner Teil der Teilnehmer den Platz verlassen. Wir haben Mittel eingesetzt wie etwa den Wasserwerfer, aber auch Gummi-Schrot und Reizstoff.

Weil sie aus der Demonstration heraus angegriffen worden sind? 

Der Beschuss gegen die Polizei war massiv: Es sind Gegenstände wie Holz-Scheite, Flaschen, Büchsen und Schirme gegen unsere Einsatzkräfte, gegen Fahrzeuge und das Bundeshaus geworfen worden. Ebenso flogen Knall-Petarden und Feuerwerkskörper.

Teilnehmer der unbewilligten Demonstration filmen am 16. September den Wasserwerfer im Einsatz auf dem Bundesplatz.
Teilnehmer der unbewilligten Demonstration filmen am 16. September den Wasserwerfer im Einsatz auf dem Bundesplatz.
KEYSTONE

Hätten die Demonstranten zum Bundeshaus vordringen können?

Teilnehmende haben zum Beispiel am Zaun gerüttelt und ihn teilweise aus der Verankerung gehoben. Als wir heute Morgen den Zaun bei Tageslicht auf Schäden kontrollierten, haben wir festgestellt, dass sogar Schrauben gelöst worden sind. Das sind Schrauben, die man nur mit Werkzeug lösen kann. Wenn das im Spiel gewesen ist, muss man von einem Vorsatz ausgehen.

Gibt es für Teilnehmende polizeiliche Konsequenzen?

Im Zusammenhang mit den Würfen haben wir einen Mann angehalten und für weitere Abklärungen mit auf die Polizeiwache genommen. Der Mann durfte im Laufe der Nacht wieder gehen. Weitere Untersuchungen zu den Ereignissen sind noch im Gange. Wir arbeiten auch an der Identifizierung solcher Personen, die Gegenstände geworfen oder Sachbeschädigung verübt haben könnten.

Was sagen Sie friedlichen Demonstranten, die in Mitleidenschaft gezogen wurden?

Es waren natürlich nicht alle Teilnehmenden, die auf den Zaun zugegangen sind. Aber auch Personen, die – möglicherweise auch passiv – vor Ort bleiben, nachdem die polizeiliche Durchsage erfolgt ist, die Demonstration zu verlassen, müssen sich im Klaren sein, dass sie von einem Mitteleinsatz betroffen sein können. Das ist auch der Grund, weshalb wir diese Durchsagen machen.