Chronologie eines Absturzes So verkam Serienmeister FCB zum Chaos-Klub

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13.4.2021

Der FC Basel dominiert die nationalen Fussball-Schlagzeilen. Im Gegensatz zu früher sind die Nachrichten jedoch meist negativer Natur. Wie es zu diesem Chaos kommen konnte und was bis heute alles vorgefallen ist.

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13.4.2021

  • April 2017: Nach dem Rücktritt der sportlich und finanziell erfolgreichen Crew um Bernhard Heusler wird in einer ausserordentlichen Mitgliederversammlung die neue Führung gewählt, unter anderem mit Bernhard Burgener als Präsident und Marco Streller als Sportdirektor.

  • April 2017: Der FC Basel steht unmittelbar vor dem achten Meistertitel in Folge, gibt aber bekannt, dass er sich im Sommer von Trainer Urs Fischer trennen wird. Dieser ist zwar erfolgreich, ihm wird aber unter anderem vorgehalten, dass sein Fussball zu wenig spektakulär ist. Nachfolger wird Raphael Wicky. Später wird in den Medien bekannt, dass Patrick Rahmen eigentlich bereits eine mündliche Zusage für den Job hatte, ehe Wicky noch an ihm vorbei geschleust wurde.

  • Dezember 2017: Der FCB sorgt für die erfolgreichste Champions-League-Kampagne seiner Vereinsgeschichte, die magischen Nächte in Basel mit dem 5:0 gegen Benfica Lissabon und dem 1:0 gegen Manchester United sind unvergessen. Erst im Achtelfinal gegen Manchester City ist Schluss.

Die FCB-Spieler feiern die 5:0-Gala gegen Benfica Lissabon.
Die FCB-Spieler feiern die 5:0-Gala gegen Benfica Lissabon.
Bild: KEYSTONE

  • Juni 2018: Bei der neuen Führungscrew gibt es erste Risse: Jean-Paul Brigger tritt nach nicht einmal einem Jahr als CEO zurück. Die genaue Rolle des Wallisers beim FCB war nie ganz klar.

  • Juli 2018: Abgesehen von der Champions-League-Kampagne ist der Neuanfang krachend gescheitert. YB löst den FCB als Serienmeister ab. Und auch der Auftakt in die neue Saison misslingt. Nach dem Out in der Champions-League-Qualifikation gegen PAOK Saloniki wird Raphael Wicky entlassen. Interimistisch übernimmt U18-Trainer Alex Frei, später kommt Marcel Koller. 

  • September 2018: Der sportliche Niedergang schreitet unaufhaltsam voran. Nach dem Champions-League-Out scheitert der FCB auch in der Europa-League-Qualifikation gegen Apollon Limassol. Und in der Super League gibt es eine historische 1:7-Klatsche gegen YB.

FCB-Torhüter Martin Hansen muss den Ball zum 0:1 passieren lassen, am Ende verliert Basel den Spitzenkampf gegen YB mit 1:7.
FCB-Torhüter Martin Hansen muss den Ball zum 0:1 passieren lassen, am Ende verliert Basel den Spitzenkampf gegen YB mit 1:7.
Bild: Keystone

  • Februar 2019: Der FCB steigt beim Chennai City FC ein. Die AG von Präsident Burgener beteiligt sich mit knapp einer Million Franken und 26 Prozent am indischen Verein. Das Ziel: gemeinsame Ausbildung und Scouting von Talenten. Bei den FCB-Fans sorgt das für rote Köpfe, sie kritisieren, dass sich der Verein auf Nebenschauplätzen verirre, anstatt sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Die Muttenzerkurve bleibt aus Protest eine Halbzeit lang leer.

  • Mai 2019:  Ein sportliches Lebenszeichen in einer schwierigen Phase: Der FCB gewinnt durch einen 2:1-Sieg gegen Thun den Cupfinal. Später hört man hinter vorgehaltener Hand, dass dieser Titel Gift war, weil dadurch die Realität verkannt wurde.

  • Juni 2019: Das Sommertheater: Patrick Rahmen soll Marcel Koller als Trainer ablösen. Doch Präsident Burgener und der neue CEO Roland Heri übergehen Sportdirektor Streller und bestimmen, dass Koller bleibt. Streller zieht die Konsequenzen und tritt zurück.

  • September 2019: David Degen kauft sich für zwei Millionen Franken beim Verein ein und bekommt einen Aktienanteil von zehn Prozent an der FC Basel Holding AG. 82 Prozent der Aktien gehören Burgener, der Rest Kleinanlegern. Degen gibt seine Tätigkeit als Spielerberater auf. Mit seinem Zwillingsbruder Philipp hatte er 2016 die Agentur SBE gegründet.

  • März 2020: Der FCB sorgt für ein Highlight auf internationaler Ebene. Er gewinnt unmittelbar vor dem Lockdown und dem Fussball-Stillstand wegen Corona in der Europa League das Achtelfinal-Hinspiel auswärts gegen Eintracht Frankfurt mit 3:0. Fünf Monate später wird auch das Rückspiel mit 1:0 gewonnen, beim Finalturnier in Deutschland ist dann im Viertelfinal gegen Schachtar Donezk Endstation.


  • April 2020: Wegen der Pandemie werden Lohnverzichte bei den Klubs zum Thema. So auch beim FCB. Die Vereinsführung überrascht dabei mit einer Medienmitteilung, in der sie den Spielern öffentlich vorwirft, dafür nicht Hand zu bieten. Die Spieler reagieren darauf mit einer gemeinsamen Mitteilung in den sozialen Medien, in der sie diese Vorwürfe vehement zurückweisen. Das Chaos ist perfekt.

  • Juni 2020: Die nächste Schreckensnachricht: Der FCB  hat im Geschäftsjahr 2019 einen Verlust von 20 Millionen Franken eingefahren. Und auch die 60 Millionen Franken Reserven aus den erfolgreichen Zeiten unter Heusler sind fast aufgebraucht. 

  • Juli 2020: Mehrere Medien berichten, dass Burgener vor hat, 30 Prozent der Anteile am FC Basel an den britischen Investor Centricus zu verkaufen. Die Fans laufen Sturm, weil der Präsident sein Versprechen, dass der FCB den Baslern gehört, nicht einhält. Der Eingang der FCB-Geschäftsstelle wird mit «Fuck off Centricus!» beschmiert. Durch Burgeners Pläne mit Centricus beginnt auch der Konflikt mit Mitaktionär David Degen. 

  • August 2020: Der auslaufende Vertrag mit Trainer Marcel Koller wird nach einer über Monate andauernden Hängepartie nicht verlängert. Beerbt werden soll er von U21-Trainer Alex Frei, dem Sportchef Ruedi Zbinden einen Vertrag vorgelegt hat. Doch stattdessen kommt es zur nächsten Posse: Burgener legt sein Veto ein. Als Folge davon treten Zbinden und Frei zurück. Frei, der anschliessend Trainer beim FC Wil wird, kritisiert in seinem öffentlichen Kündigungsschreiben die verloren gegangenen Werte beim FCB und vermisst den mangelnden Respekt gegenüber seiner Person.

  • August 2020: Der FCB stellt Ciriaco Sforza an einer Medienkonferenz als neuen Trainer vor, nachdem dieser Fakt bereits zuvor publik geworden war, weil sich Sforza gegenüber dem «Blick» verplappert hatte. Daneben sorgt Sforza durch den Versprecher «Ich gebe alles für mich» für Aufssehen und macht sich zum Gespött. Für den medialen Aktionismus von Burgener wegen Sforza unmittelbar vor dem Cupfinal, der anschliessend gegen YB verloren geht, hat der scheidende Trainer Koller kein Verständnis und spricht in einer emotionalen Medienkonferenz vor dem Spiel Klartext.

  • November 2020: Burgener tritt vor der GV als Vereinspräsident zurück. Damit kommt er einer Abwahl zuvor, denn das Vertrauen der Mitglieder in ihn und CEO Heri schwindet. Trotzdem bleibt das Duo im Verwaltungsrat. Neuer Präsident wird das langjährige Vorstandsmitglied Reto Baumgartner.

  • Februar 2021: Ein neuer sportlicher Tiefpunkt: Der FCB blamiert sich im Cup-Achtelfinal gegen Winterthur durch eine 2:6-Pleite. Auch in der Meisterschaft steht Basel so schlecht wie noch nie seit Einführung der Super League da.


  • März 2021: Captain Valentin Stocker wird beurlaubt. Er soll gegen Sforza Stimmung gemacht haben. Den Fans lupft es ein weiteres Mal den Hut: 1000 Menschen halten einen Protestmarsch ab. Wegen Stocker und wegen der wieder aufflammenden Gerüchte bezüglich ausländischer Investoren. Die Beurlaubung gegen Stocker wird am 11. März wieder aufgehoben. Die Fan-Proteste gehen weiter. Während des Heimspiels gegen Luzern versammeln sich über 5000 Personen vor dem St. Jakob-Park.

  • März 2021: Burgener stellt Degen ein Ultimatum. Er will seine Anteile an eine Briefkastenfirma namens Basel Dream & Vision AG verkaufen. So lockt er Degen aus der Reserve, damit dieser von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen muss. Es ist aber fraglich, ob Degen das nötige Geld dafür (rund 16 Mio. Franken) aufbringen kann. Es halten sich auch die Gerüchte hartnäckig, dass Centricus rund 200 Millionen via Basel Dream & Vision in den FCB pumpen will. Ein Angebot, das Degen kaum wird stemmen können.

  • März 2021: Während der Gespräche um eine Übernahme von David Degen kommt eine andere Geschichte ans Licht. Degen soll vor seinem Einstieg beim FCB mit seiner Spielerberaterfirma an einer Teilhabe bei GC interessiert gewesen sein. Auf Instagram bezeichnet er entsprechende Artikel als «grossen Blödsinn», doch die «Basler Zeitung» veröffentlicht das Dokument mit Degens Unterschrift und lässt diesen dadurch schlecht aussehen.

  • März 2021: Der Showdown: An einer Verwaltungsratssitzung soll sich entscheiden, wem der FC Basel in Zukunft gehört. David Degen oder der Basel Dream & Vision und damit der Scheinfirma von Bernhard Burgener. Zunächst ruft sich Degen als neuer Mehrheitsaktionär aus, anschliessend dementiert dies der Verein im Namen Burgeners. Es könne gar keine Entscheidung fallen, weil Degen dies mit einer superprovisorischen Verfügung blockiere. Der Gerichtsstreit ist perfekt und das Chaos hat einen neuen Höhepunkt erreicht.

  • April 2021: Nach der 1:2-Heimniederlage gegen Vaduz entlässt der FCB Trainer Ciriaco Sforza. Im dritten Anlauf wird Patrick Rahmen doch noch neuer Trainer.


  • April 2021: Der Club informiert darüber, dass der Verwaltungsrat dem Verkauf von Degens Aktienpaket an die Basler Dream & Vision AG zugestimmt hat. Möglich sei dies durch ein Drag-Along-Recht von Burgener. Dieses Recht sei hierarchisch höher zu gewichten als Degens Vorverkaufsrecht auf das Aktienpaket von Burgener. Der Schritt könne aber erst nach der Aufhebung der superprovisorischen Verfügung vollzogen werden. Degens Berater Dani Büchi will davon nichts wissen. Zur «Basler Zeitung» sagt er: «David Degen hat das ihm gewährte Vorkaufsrecht rechtskonform ausgeübt. Dieses gilt nach wie vor und David Degen hält daran fest. Er hat einen Anspruch auf die Aktien von Bernhard Burgener.» 

  • April 2021: Die Fans werden mit einer aussergewöhnlichen Aktion erneut aktiv. Aus Protest gegen die Klubführung folgen 657 Saisonkartenbesitzer dem Aufruf der Muttenzerkurve und geben ihre Abos zurück, weitere Rückgaben erfolgen auf dem Postweg. 

  • April 2021: Im Netz ist ein Video aufgetaucht, das zeigt, wie Karli Odermatt gegen Valentin Stocker austeilt. Der Holding-Verwaltungsrat des FC Basel nennt die Gründe für die Beurlaubung des Captains im Februar. Stocker sei gegen Trainer Sforza gewesen und habe die Mannschaft bei der Cup-Schmach gegen Winterthur dazu aufgefordert, nicht zu rennen.

  • Mai 2021: Nachdem ein abgetrennter Schweinekopf vor der Geschäftsstelle des FC Basel liegt, hat der Verein genug und reagiert mit einer Mitteilung und der Botschaft: «Es reicht!» Regelmässig würden zulässige Grenzen überschritten. Es seien auch durch Fremde in ihrem Namen Unmengen von Zeitschriften, Katalogen und Artikeln aller Art bestellt worden, dazu würden falsche Termine vereinbart und Fake-Briefe im Namen der FCB-Exponenten verschickt.

  • Mai 2021: Der auf den 11. Mai angesetzte und mit viel Spannung erwartete Gerichtstermin im Streit zwischen Burgener und Degen platzt, weil sich die beiden Parteien kurz zuvor doch noch einigen können. Statt eine Gerichtsverhandlung gibt es am 11. Mai eine Medienkonferenz, an der bekannt gegeben wird, dass Degen sämtliche Aktien von Burgener übernimmt. Degen ist somit der neue Besitzer des Klubs. Er versicherte, den FCB im Bedarfsfall selbst oder durch Dritte finanziell zu unterstützen. Die FC Basel Holding AG, die 75 Prozent der Klubanteile hält, stimmte der Übertragung von Burgeners Aktien an Degen zu. Es handelt sich um 91,96 Prozent der Anteile an der Holding, wobei Degen einen Teil davon an Basler verkaufen wird. Burgener, Karl Odermatt und Peter von Büren werden am 15. Juni an der ordentlichen GV aus dem Verwaltungsrat ausscheiden. Zu den sieben Personen, die sich zur Wahl stellen, gehören neben Degen auch der ehemalige Basler Meistertrainer Christian Gross und Reto Baumgartner sowie mit Sophie Herzog eine Frau. Baumgartner ist als VR-Präsident vorgesehen. Die weiteren Namen des designierten künftigen Führungsgremiums sind Johannes Barth, Marco Gadola und Andreas Rey.
Anstatt sich vor Gericht zu bekriegen, einigen sich David Degen (l.) und Bernhard Burgener (r.) doch noch einigen. Hier klären sie an der Medienkonferenz darüber auf, dass Degen sämtliche Aktien von Burgener übernimmt.
Anstatt sich vor Gericht zu bekriegen, einigen sich David Degen (l.) und Bernhard Burgener (r.) doch noch einigen. Hier klären sie an der Medienkonferenz darüber auf, dass Degen sämtliche Aktien von Burgener übernimmt.
Bild: Keystone