Ninas Tagebuch, Teil 2 Ninas Tagebuch – «100 Prozent wohl fühlt man sich in diesen Stunden nicht mehr»

Nina Betschart

31.7.2021

Tanja Hüberli und Nina Betschart holen sich in Tokio den Gruppensieg, ohne selbst restlos mit der eigenen Leistung zufrieden zu sein.
Tanja Hüberli und Nina Betschart holen sich in Tokio den Gruppensieg, ohne selbst restlos mit der eigenen Leistung zufrieden zu sein.
Bild: Getty

Mit Partnerin Tanja Hüberli steht Nina Betschart dank drei Siegen aus drei Spielen (ein Forfait-Sieg) direkt im Achtelfinale des olympischen Beachvolleyball-Turniers. Für «blue Sport» schildert die 25-Jährige ihre Eindrücke aus Tokio in ihrem Tagebuch. Teil 2.

Nina Betschart

31.7.2021

Nina Betschart bildet mit Tanja Hüberli das aktuell siebtbeste Beachvolleyball-Duo der Welt. An den Olympischen Spielen steht das Duo dank des erkämpften Gruppensiegs bereits im Achtelfinal. In ihrem Tagebuch gewährt Nina Betschart exklusive Einblicke und schreibt für «blue Sport» über ihr erstes Olympia-Abenteuer in Japan.



Tag 6: Die Anspannung steigt

Der Countdown läuft, noch ein Tag bleibt für uns bis zum Turnierauftakt. Die Anspannung steigt, genau wie die Vorfreude, dass es endlich losgeht. Aber 100 Prozent wohl fühlt man sich in diesen Stunden nicht mehr. Mit dem ausführlichen Videostudium der deutschen Gegnerinnen und einer Taktikbesprechung machen wir bereits einen Grossteil der Matchvorbereitung am Vorabend.

Für kurze Ablenkung sorgt der positive Corona-Test der Tschechin Marketa Slukova, die mit uns in einer Gruppe eingeteilt ist, aber zu keinem Spiel antreten kann. Das tut mir extrem leid. Wir haben alle fünf Jahre auf diesen Moment gewartet, es ist enorm bitter. Das wünscht man wirklich keinem.

Und natürlich hätten wir auch lieber gespielt, als die Partie Forfait zu gewinnen. Denn jedes Spiel auf diesem Center Court ist ein Erlebnis. Gerade in der Gruppenphase, in der eine Niederlage noch nicht das Ausscheiden bedeutet, kann man noch etwas anders in die Partie gehen als in der K.o.-Phase. Aber wir nehmen das so, wie es ist. Ändern können wir ohnehin nichts. Was wir hingegen beeinflussen können, ist die eigene Leistung im Auftaktspiel gegen Deutschland morgen. Und da liegt unser Fokus.

Herrliche Abendstimmung über einem Trainingscourt in Tokio.
Herrliche Abendstimmung über einem Trainingscourt in Tokio.
Bild: zVg

Tag 7: Der nervenaufreibende Auftakt

Was für ein Nervenkrimi! Eigentlich waren wir vor dem Spiel gegen Ludwig/Kozuch ziemlich entspannt und hatten ein gutes Warm-Up. Wir fühlten uns bereit. Und dann war der Start ins Spiel Horror. Nach Aktionen weit unter unserem normalen Niveau stand es 0:5. Doch wir haben uns genau auch auf solch schwierige Situationen, die wir an diesem Tag leider nicht verhindern konnten, vorbereitet. Die Schwierigkeiten hatten sicher mit der Anspannung zu tun. Aber es war gut, wie wir damit umgingen. Wir wollten mit dem, was wir zu Stande brachten, irgendwie das Spiel gewinnen. Das haben wir geschafft.

Die Stimmung in diesem grossen Stadion ist schon speziell, es ist extrem ruhig. Man muss alles selber machen. Ich habe das Gefühl, alle Spielerinnen versuchen sich zu pushen. Das muss man ja auch irgendwie. Die Bedingungen sind gut. Einzig der teils wechselhafte Wind macht es schwierig. Bei unseren Spielen allerdings war das nicht extrem – was wir dummerweise auch gegenüber unseren Coaches zugaben, als die unsere etwas zu zahlreichen Fehler ansprachen. «Jetzt hättet ihr die Chance gehabt auf eine gute Ausrede», antworteten sie lachend.

Tag 8 bis 10: Die unerwartete Pause

Durch die unerwartete Pause am Montag stand der Sonntag im Zeichen der Erholung. Physio, Lesen, Schlafen – wir konnten etwas abschalten. Der Auftaktsieg ist für unseren Turnierverlauf extrem wertvoll. Es ist ohnehin immer schön, mit einem Sieg ins Turnier zu starten. Aber wenn du so ein knappes Spiel gewinnst, obwohl du selber nicht so zufrieden bist mit der Leistung, kann das einen Boost geben.

Auch die freien Tage im Dorf vergehen wie im Flug. Am Sonntagabend werden wir angewiesen, unseren Balkon zu räumen. Der angesagte Taifun trifft das olympische Dorf dann aber nicht gravierend. Und so galt der Fokus ab Montag dem Duell mit den Japanerinnen. Ihre Partie gegen Deutschland verfolgten wir im Stadion ganz genau. Selbst versuchten wir, mit Trainingseinheiten im Turnierrhythmus zu bleiben. Ob im Trainingssatz gegen Brasilien oder im Duell mit unseren Trainern – wir konnten Selbstvertrauen tanken. Das gilt es nun im zweiten und zugleich letzten Gruppenspiel gegen die Lokalmatadorinnen unter Beweis zu stellen.

Tag 11: Achtelfinal-Einzug perfekt!

Uff, der dritte Sieg ist im Trockenen! In unserem zweiten Auftritt auf dem Center Court machen wir uns das Leben gegen die unangenehm zu spielenden Japanerinnen teilweise selber schwer und kommen nicht auf unser bestes Niveau. Und dann sind die Japanerinnen mit ihren starken Aufschlägen ein Team, das dich zum Verzweifeln bringen kann. Es war schwierig, ruhig zu bleiben.

Betschart/Hüberli mussten gegen die Japanerinnen um jeden Ball kämpfen.
Betschart/Hüberli mussten gegen die Japanerinnen um jeden Ball kämpfen.
Bild: Keystone

Aber wir standen als Team wieder voll zusammen und versuchten, einander zu helfen. Es war ein grosser Kampf, den wir am Ende mit 15:12 im Entscheidungssatz für uns entscheiden konnten. Der Sieg bedeutet gleichzeitig die direkte Achtelfinal-Qualifikation. Die Vorfreude auf die K.o.-Phase ist gross. Ab jetzt sind die möglichen Gegner ohnehin alle stark, wir bereiten uns deshalb auf ein ausgeglichenes Spiel vor. Wir wissen, dass es eine Topleistung braucht, um in ein olympisches Viertelfinale vorzustossen.

Schweizer Duell im Achtelfinal

Das Los hat mittlerweile entschieden: Nina Betschart und Tanja Hüberli treffen in ihrem Achtelfinal am Sonntag um 11 Uhr ausgerechnet auf ihre Trainingspartnerinnen und Landsfrauen Joana Heidrich und Anouk Vergé-Dépré.

Dabei sind die Leistungen der Schweizer Sportlerinnen und Sportler in Tokio mit den zahlreichen Medaillen und Diplomen eine Inspiration. Es sind so viele tolle Sportler hier, die so viel leisten und die verschiedensten Anforderungen erfüllen – das ist spannend mitzuverfolgen. Cool ist auch, dass wir bei jedem Gewinn einer Medaille ein SMS von Ralph Stöckli kriegen. Man spürt eine gewisse Euphorie, beispielsweise im Raum mit den Physios der verschiedensten Sportarten, wo immer gute Stimmung herrscht. Ich hoffe, das beflügelt auch uns!

Bis bald, eure Nina