«Was würde Novak tun?» Kurioses Geständnis von Medvedev nach Zittersieg

DPA/SB10

26.1.2022

Daniil Medvedev kann nach seinem Triumph am US Open auch weiterhin vom Sieg in Melbourne träumen.
Daniil Medvedev kann nach seinem Triumph am US Open auch weiterhin vom Sieg in Melbourne träumen.
Bild: Keystone

Zwei Sätze zurück, einen Matchball gegen sich – und am Ende doch noch ein Happy End für Daniil Medvedev: Der US-Open-Champion und Titelfavorit hat sich bei den Australian Open ins Halbfinale gerettet. Dabei half ihm ein Gedanke besonders.

DPA/SB10

26.1.2022

In einem aussergewöhnlichen und so nicht erwartbaren Tennis-Spektakel über fünf Sätze quälte sich der russische Weltranglisten-Zweite gegen den kanadischen Herausforderer Felix Auger-Aliassime zu einem 6:7 (4:7), 3:6, 7:6 (7:2), 7:5, 6:4.

Nach 4:42 Stunden durfte Medvedev doch noch jubeln. Anders als der schon im Achtelfinale gescheiterte Olympiasieger Alexander Zverev wendete der Vorjahresfinalist ein überraschend frühes Aus noch ab.

«Ich habe keine Ahnung», antwortete der 25-Jährige im Siegerinterview noch auf dem Platz auf die Frage, wie er dem Aus noch entkommen sei. «Ich habe nicht mein bestes Tennis gespielt und Felix hat unglaublich gespielt. Ich wusste nicht genau, was ich machen soll.»

Lange hatte es so ausgesehen, als würde der forsch auftretende Weltranglisten-Neunte Auger-Aliassime den Titelkandidaten Medvedev schocken. Im vierten Satz musste Medvedev bei 4:5 einen Matchball abwehren, was ihm mit einem guten ersten Service gelang.

Danach drehte er das packende Duell aber doch noch. Auf die kritischen Situationen im Spiel angesprochen, meinte Medvedev: «Ich habe gedacht: ‹Was würde Novak tun?›»

Novak Djokovic ist bekannt dafür, den Gegner auch in einer vermeintlich ausweglosen Lage hart für den Sieg arbeiten zu lassen. Dass Medvedev so offen und ehrlich darüber spricht, zeigt eindrücklich, wie sehr er die mentale Stärke des serbischen Weltranglisten-Ersten bewundert. Dabei dürfte er nicht der einzige Tennis-Profi sein, der sich gerne von der Denkweise des Australian-Open-Rekordchampions (9) was abschneiden möchte.

Djokovic fehlt dieses Jahr in Melbourne, weil er vor dem Bundesgericht mit dem Einspruch gegen sein annulliertes Visum gescheitert war.

Gegner Tsitsipas hat Kräfte gespart

Im Halbfinale am Freitag trifft Vorjahresfinalist Medvedev nun auf den griechischen Weltranglisten-Vierten Stefanos Tsitsipas, der seinen erneuten Halbfinaleinzug mit dem beeindruckenden 6:3, 6:4, 6:2 gegen das italienische Talent Jannik Sinner perfekt machte. Im anderen Vorschlussrundenduell will der spanische Tennisstar Rafael Nadal gegen den italienischen Wimbledonfinalisten Matteo Berrettini die Chance auf den 21. Grand-Slam-Titel und die damit verknüpfte Bestmarke sichern.

Tsitsipas dürfte es ganz recht sein, dass sich Medvedev so aufreiben musste, als er selbst längst aus der Rod-Laver-Arena verschwunden war. «Das ist erst der Anfang. Let's do it», kündigte der Grieche an: «Ich bin für alles bereit.» Genau das ist alles andere als selbstverständlich, ebenso wenig, wie es überhaupt seine Reise nach Australien gewesen ist. Fast liebevoll redete der 23-Jährige nach seiner famosen Leistung lächelnd von seinem «Doktor Frank». Und davon, dass es ihm der Arzt schwermache, die Ellenbogen-Operation zu vergessen, schliesslich schicke dieser ihm regelmässig Nachrichten.

«Ich bin mir sicher, mein Arzt schaut gerade zu», erzählte Tsitsipas schmunzelnd, als er nach seinem erfolgreichen Viertelfinale mit seiner verschwitzten wilden Mähne für das Siegerinterview ans Mikrofon getreten war: «Wir haben beide nicht erwartet, dass ich an den Australian Open teilnehme. Es war nicht Teil des Plans, in Australien zu spielen, aber ich habe ihm das Gegenteil bewiesen.»

Eine solche Verletzung helfe, demütig zu bleiben, sagte Tsitsipas: «Wenn es gut läuft, tendierst du dazu, dich selbst zu glorifizieren, als ob du unantastbar bist. Es ist wichtig in diesem Prozess, auf dem Boden zu bleiben und dich zu erinnern, dass du ein Mensch bist, der nach etwas Grossartigem strebt.»

In Melbourne ist der Weltranglisten-Vierte nun schon mal zwei Schritte weitergekommen als Olympiasieger Zverev, der überraschend im Achtelfinale gescheitert war. Seine Statistiken hat Tsitsipas mit dem dritten Halbfinale in Melbourne nach 2019 und 2021 und dem insgesamt fünften Grand-Slam-Halbfinale aufgepeppt.

Am heissen Mittwoch in Melbourne imponierte Tsitsipas mit seiner kompromisslosen Vorhand. Zwischenzeitlich bremste ihn nur eine Regenunterbrechung aus, in der das Dach geschlossen wurde und fleissige Ballkinder sowie Helfer mit Handtüchern den Boden trocken wischten. Ob es sein bisher bestes Match in dieser Saison war, wollte der Grieche nicht konkret beantworten. «Aber es war eine grossartige Leistung von Anfang bis Ende ohne Zweifel», sagte er. Diese Form soll ihn zu seinem ersten Grand-Slam-Titel führen.