Film-Komponist Hans Zimmer Auch wegen ihm zuckst du im Kino immer wieder zusammen

Von Bruno Bötschi

4.6.2022

«Filmmusik bedeutet, mit einem Regisseur zu arbeiten, der wirklich weiss, wie man Geschichten erzählt, und mit meiner Musik helfe ich ihm dabei»: Hans Zimmer.
«Filmmusik bedeutet, mit einem Regisseur zu arbeiten, der wirklich weiss, wie man Geschichten erzählt, und mit meiner Musik helfe ich ihm dabei»: Hans Zimmer.
Bild: Mondadori Portfolio via Getty Images

Hans Zimmer ist der weltweit erfolgreichste Filmmusik-Komponist. Seit Mitte der 80er Jahre hat er für sage und schreibe 150 Filme Musik geschrieben. Manche sagen, er habe Hollywoods Sound erfunden.

Von Bruno Bötschi

4.6.2022

Hans Zimmer? Okay, der Name sagt dir vielleicht nichts.

Trotzdem behaupte ich: Du kennst Herrn Zimmer. Oder besser gesagt: seine Musik.

Seit Mitte der 80er Jahre hat der 64-Jährige die Musik für sage und schreibe 150 Filme komponiert.

Ende März gewann er seinen zweiten Oscar für den Science-Fiction-Film «Dune». Das erste goldene Männchen gab es bereits 1994 für den «König der Löwen». Er wurde zudem 12-mal für den Oscar, 15-mal für den Golden Globe Award und 11-mal für den Grammy Award nominiert.

Komponieren statt Abendessen

Kürzlich erzählte Hans Zimmer, der in Deutschland aufgewachsen ist, aber schon seit vier Jahrzehnten in Hollywood lebt, im «Zeit-Magazin», wie ein normaler Tag in seinem Leben aussieht: «Komponieren, komponieren.»

Mittagessen? Gibt es nicht, weil er es vergesse. Abendessen? Vergisst er meistens auch.

Und seine vier Kinder? Die habe er während Corona-Pandemie gefragt, ob es sie störe, wenn er nachts arbeite und morgens nicht aufstehe, um sie zur Schule zu bringen. Antwort der Kinder: «Nee, so bist du eben. Und wenigstens schreist du uns nicht an.»

Wie gesagt: Nachts arbeitet Zimmer besonders gern. Nicht aus Zwang, sagt er, sondern weil ihm die Dunkelheit gefällt. Er sitzt dann vor den 88 Tasten seines elektronischen Klaviers und vor seinen Computerbildschirmen.

Du willst mehr über seine Arbeitsweise erfahren? Auf der Online-Plattform MasterClass gibt es eine Art Meisterkurs, in dem Zimmer sechs Stunden lang über sein Ringen mit den Tönen spricht.

«Deswegen musste ich im Ausland meine Sachen probieren»

Begonnen hat Zimmers Musikkarriere mit einem geradezu historischen Auftritt. Der junge Hans hat ihn im Video zum Song «Video Killed the Radio Star» von der Band The Buggles hingelegt.

Mit diesem Clip nahm der Musikkanal MTV 1981 den Sendebetrieb auf. Zimmer ist darin am Synthesizer zu sehen.

«Für eine Weile war es schön, in einer Band zu sein,» sagt er in der «Zeit», aber dann sei es langweilig geworden. «Filmmusik dagegen bedeutet, mit einem Regisseur zu arbeiten, der wirklich weiss, wie man Geschichten erzählt, und mit meiner Musik helfe ich ihm dabei.»

Wieso er ins Ausland ging? Wegen des «Tatort»-Krimis.

Und das kam so: «Ich wollte immer einen ‹Tatort› machen, das war mein Traum. Aber ich bin ja nie zur Musikhochschule gegangen, und die Deutschen haben gesagt: Was will der denn? Der kann ja gar nix. Und deswegen musste ich im Ausland meine Sachen probieren.»

Der Effekt will die Bilder überrumpeln

Was folgte, war eine unglaublich erfolgreiche Karriere als Musiker, die bis heute andauert. Die «Zeit» beschreibt sie so: «Die Konventionen, die heute die Hollywoodmusik beherrschen, hat weitgehend Hans Zimmer geschaffen.»

Und weiter: «Berühmt und oft kopiert wurde eine Fanfare des Schreckens, die mittlerweile durch fast jeden Film- oder Dokutrailer donnert: tiefe, aggressive Blechbläser, die aus dem Nichts kommen und den Zuschauer in zwei Akkordfetzen andröhnen.»

Im Internet kursiert längst ein lautmalerischer Name für diesen Effekt: Braaam. Dieser Effekt kommentiert einen Film nicht dezent, sondern will die Bilder übertrumpfen.

Der Siegeszug dieser Fanfaren begann mit dem Kinofilm «Inception» von Regisseur Christopher Nolan, in dem Edith Piafs Chanson «Non, je ne regrette rien» eine tragende Rolle spielt. Zimmer hat die Anfangsakkorde dieses Stücks in langsamen Tempo von Blechbläsern einspielen lassen und elektronisch verzerrt.

Aus dem gleichen Film stammt übrigens auch das meistgehörte Stück von Hans Zimmer. Es heisst «Time» und wurde nur schon beim Streamingdienst Spotify bereits über 241 Millionen Mal angehört.

«Immer wenn ich ‹Time› dirigiere, und das habe ich etwa 70 Mal getan, stehen mir am Ende die Haare zu Berge», sagt Dirigent Gavin Greenaway in der «Zeit». Mehr muss man zu einem Musikstück nicht sagen, um erklären zu können, wie fantastisch es ist.

Die Musik zum verrücktesten Kuss der Filmgeschichte

Eine andere verrückte Filmszene mit wunderbarer Musik von Hans Zimmer gibt es im Film «Hannibal» des Regisseurs Ridley Scott zu sehen. Darin küsst Hannibal Lecter die Agentin Clarice Starling. Zur Untermalung verwendet Zimmer Richard Wagners Tristan-Vorspiel, das ebenfalls von einer unmöglichen Liebe erzählt.

«Ich habe zu Ridley gesagt, ich mache die Musik für ‹Hannibal›, wenn ich das als absurde Liebesgeschichte erzählen kann,» sagt Zimmer in der «Zeit». «Hannibal ist für Clarice das Wichtigste im Leben, und umgekehrt ist es auch so. Wenn man den Film nicht auch als verrückte Komödie sieht, ist das alles zu schwarz.»

Zimmer schrieb die Musik deshalb absichtlich sehr klassisch. «Ich wollte elegant sein. In Florenz, wo der Film spielt, konnte ich ein paar Monate lang leben und durfte da nachts überall in die Museen rein.»

Länger vor Ort sein, das macht Hans Zimmer oft, wenn er sich mit den Tönen für einen Film anfreundet. Als er die Musik zum Film «The Da Vinci Code» komponierte, konnte er zwei Wochen lang nachts im Louvre in Paris herumgeistern.

Kommt demnach die Inspiration von den Orten, an denen ein Film spielt, oder eher von der Deadline? Antwort: «Immer von der Deadline.»

Und falls du jetzt Lust auf noch mehr von Zimmers Musik hast: Dann ab ins Kino und «Top Gun Maverick» schauen.

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