Biden und Putin in Genf «Es ist gut, dass die Schweiz mal wieder nützlich ist»

Von Alex Rudolf

9.6.2021

Was bringt das Gipfeltreffen für Genf?

Was bringt das Gipfeltreffen für Genf?

US-Präsident Joe Biden und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin treffen sich in Genf. Das nütze dem Ruf der Schweiz, sind sich die Aussenpolitiker im Parlament einig. Die Erwartungen an das Treffen gehen aber auseinander.

08.06.2021

In gut einer Woche treffen sich US-Präsident Joe Biden und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin in Genf. Das nütze dem Ruf der Schweiz, sind sich die Aussenpolitiker im Parlament einig. Die Erwartungen an das Treffen gehen aber auseinander.

Von Alex Rudolf

9.6.2021

Die Vorbereitungen in Genf laufen auf Hochtouren. In wenigen Tagen treffen dort zwei der mächtigsten Männer der Welt aufeinander: US-Präsident Joe Biden und der russische Präsident Wladimir Putin. Für den Schweizer Bundespräsidenten Guy Parmelin (SVP) und den Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) sei dies eine wunderbare Gelegenheit, den neuen US-Präsidenten von Angesicht zu Angesicht zu treffen, sagt Christa Markwalder (FDP/BE). Die Nationalrätin ist Mitglied der Aussenpolitischen Kommission (APK) und erhofft sich, dass in Genf einige «heisse Eisen» angesprochen werden.

Biden trifft Putin: Welchen nutzen kann die Schweiz daraus ziehen?

Biden trifft Putin: Welchen nutzen kann die Schweiz daraus ziehen?

US-Präsident Joe Biden und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin treffen sich in Genf. Das nütze dem Ruf der Schweiz, sind sich die Aussenpolitiker im Parlament einig. Die Erwartungen an das Treffen gehen aber auseinander.

08.06.2021

 «Der Bundesrat muss Präsident Biden klarmachen, dass die Schweiz kein Steuerparadies ist, wie dieser es in seiner Rede vor dem Kongress Ende April bemerkt hat», sagt sie. Mit dem durchschnittlichen Schweizer Gewinnsteuersatz von 15 Prozent erfülle man den von Biden geforderten globalen Mindeststeuersatz bereits. Werden die Schweizer Vertreter gar noch weitere politische Themen aufgreifen, wenn sie die Aufmerksamkeit der beiden Grossmächte haben?

«Unsere Interessen werden sicher nicht im Vordergrund stehen. Primär stellen wir einen vertrauensvollen Partner für diesen Austausch dar.»

Nationalrätin und APK-Mitglied Elisabeth Schneider-Schneiter (Die Mitte/BL) hofft auf einen guten Austausch. Auch sie legt ihren Fokus auf die Wirtschaft: «Für unsere Industrie ist es wichtig, dass wir mit Biden über das längst fällige Freihandelsabkommen mit den USA diskutieren.» Dies sei nicht zuletzt wichtig, weil das Rahmenabkommen mit der EU gescheitert ist.

Nidegger: «In diesem Fall ist die Schweiz ein Gast in Genf»

APK-Präsidentin Tiana Angelina Moser (GLP/ZH) glaubt hingegen nicht, dass die Bedürfnisse der Schweiz viel Raum erhalten. «Unsere Interessen werden sicher nicht im Vordergrund stehen. Primär stellen wir einen vertrauensvollen Partner für diesen Austausch dar», sagt sie. Ihr Kommissionskollege Yves Nidegger (SVP/GE) pflichtet bei: «In diesem Fall ist die Schweiz ein Gast in Genf.» Es sei nicht die Gelegenheit für bilaterale Gespräche – weder mit Russland noch mit den USA.

APK-Mitglied Jacqueline Badran (SP/ZH) glaubt ebenfalls nicht, dass für Bern viel rausspringt: «Einerseits hat die Schweiz dazu viel zu wenig Mut und andererseits ist es bei diesem Treffen auch nicht unsere Rolle.» Bis auf die üblichen Lippenbekenntnisse sei nicht viel zu erwarten. «Wahrscheinlich ist dies auch richtig so.»

BIden_Putin_Frage_1

BIden_Putin_Frage_1

08.06.2021

Es geht darum, Spannungen abzubauen

Doch worüber werden sich Putin und Biden unterhalten? Aus Sibel Arslans (Grüne/BS) Sicht ist es zentral, dass die beiden Staatsoberhäupter über gewaltlose Kommunikation sprechen. «Die USA und Russland sollen sich von den Atomwaffen verabschieden und das entsprechende Abkommen unterzeichnen – die Schweiz könnte hier auch gleich mitmachen», so die Aussenpolitikerin.

BIden_Putin_Frage_3_und_4

BIden_Putin_Frage_3_und_4

08.06.2021

Schneider-Schneiter hofft, dass man mit Putin über die Menschenrechte diskutiert. «Hier würde die Schweiz sicher den richtigen Ton finden, um ihm klarzumachen, dass seine Auffassung von Menschenrechten dem Zusammenhalt nicht dienlich ist.»

«Frozen conflicts» sollen zur Sprache kommen

Für Markwalder steht der anhaltende Konflikt in der Ostukraine und die Besetzung der Krim weit oben auf der Prioritätenliste. «Doch nimmt Russland auch in sogenannten frozen conflicts in Georgien und Moldau Einfluss, obwohl besagte Territorien nicht zu Russland gehören.»

«Früher war die Schweiz Meisterin in der aktiven Neutralitätspolitik – dies war sie nun länger nicht mehr.»

Auch wenn die Aussichten schlecht stehen, dass die Schweiz kommende Woche ihre politische Agenda voranbringt, könnte sie dennoch profitieren. Moser betont, es sei wichtig, dass die Schweiz eine Plattform für den Austausch zwischen den USA und Russland darstellen dürfe. «So nehmen wir nach wie vor eine wichtige Rolle auf dem internationalen Parkett ein.»

Fast wie bei Reagan/Gorbatschow im Jahr 1985

Auch Badran sieht das Treffen als Chance: «Früher war die Schweiz Meisterin in der aktiven Neutralitätspolitik - dies war sie nun länger nicht mehr.» Immerhin gehöre «die Friedensvermittlung zu den Kernaufgaben der Schweizer Diplomatie», so Schneider-Schneiter. Für Arslan steht fest, dass Genf – früher wie heute – eines der weltweiten Zentren ist, wo multilaterale Diskussionen stattfinden.

An diese Zeit hat Nidegger ganz besondere Erinnerungen. Er war 1985 dabei, als sich die damaligen Präsidenten der beiden Grossmächte, Michail Gorbatschow und Ronald Reagan, im Genfer Hotel Intercontinental trafen. «Ich begleitete dieses Ereignis als Journalist. Es ist gut, dass die Schweiz mal wieder nützlich ist.»