«Ehe für alle» im Detail Wer ist dagegen, dass Schwule und Lesben heiraten dürfen?

Von Alex Rudolf

23.7.2021

Sollen Schwule und Lesben bald heiraten dürfen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Stimmvolk am 26. September.
Sollen Schwule und Lesben bald heiraten dürfen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Stimmvolk am 26. September.
KEYSTONE/Anthony Anex

Dürfen Schwule und Lesben in der Schweiz bald heiraten? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Urnengang vom 26. September.

Von Alex Rudolf

23.7.2021

Jährlich lassen rund 700 gleichgeschlechtliche Paare ihre Partnerschaft eintragen. Am 26. September stimmt das Volk darüber ab, ob künftig auch die zivile Ehe, die bislang nur verschiedengeschlechtlichen Paaren vorbehalten ist, geöffnet werden soll. Hier die wichtigsten Fakten.

Worüber stimmen wir genau ab?

Vor dem Gesetz sollen gleichgeschlechtliche Paare den heterosexuellen Paaren gleichgestellt werden. Zwar gibt es seit 2006 das Instrument der eingetragenen Partnerschaft für Homosexuelle, doch ist diese der Ehe nicht gleichwertig. Heute können sich ausländische Partner*innen von Schweizer Homosexuellen beispielsweise nicht erleichtert einbürgern lassen.

Obwohl bereits heute Lesben und Schwule ihre Stiefkinder adoptieren dürfen, ist eingetragenen Partnerschaften die Adoption von Kindern untersagt. Auch der Fortpflanzungsmedizin dürfen sich aktuell nur heterosexuelle Paare mit Kinderwunsch bedienen, die auf natürlichem Weg keines bekommen können. All dies soll sich mit der «Ehe für alle» ändern.

Warum ist der Bundesrat dafür?

Neben dem Recht auf die individuelle Freiheit betont der Bundesrat in seiner Stellungnahme auch, dass niemandem dadurch ein Nachteil entsteht. Zudem seien Regenbogenfamilien bereits heute eine gesellschaftliche Realität. Besonders das Argument der Gegner, wonach Kinder eine Mutter und einen Vater brauchen, will der Bundesrat entkräften. «Welche Zuwendung und Fürsorge Eltern ihren Kindern zukommen lassen, ist keine Frage der Familienform.»

Bezüglich der Fortpflanzungsmedizin hält die Exekutive fest, dass sich derzeit manche Frauenpaare für eine Samenspende im Ausland entscheiden. Dabei sei das Recht des Kindes auf die Kenntnis der Abstammung nicht immer gewährleistet. So haben in der Schweiz Kinder, die durch Samenspende gezeugt wurden, ab dem 18. Lebensjahr das Recht, die Identität ihres leiblichen Vaters zu erfahren.

Wer ist dafür, wer dagegen?

Erwartungsgemäss sprechen sich die SP, die Grünen, die FDP, die Mitte und die GLP für die Vorlage aus. Die SVP und die EDU, die das Referendum ergriffen haben, und auch die EVP lehnen die Vorlage ab.

Warum stimmen wir überhaupt ab?

Bereits im vergangenen Dezember sprachen sich National- und Ständerat deutlich für die «Ehe für alle» aus. Gegen diesen Entscheid wurde von Exponenten der SVP, der Mitte und der EDU jedoch das Referendum ergriffen. Die Geschichte der Vorlage geht jedoch bis ins Jahr 2013 zurück. Damals reichte die GLP-Fraktion eine parlamentarische Initiative ein. Drei Jahre später zeigte ein Gutachten des Bundesamts für Justiz, dass die Öffnung der Ehe durch eine Gesetzesänderung und nicht durch eine Anpassung der Bundesverfassung erfolgen kann. 

Wie argumentieren die Gegner?

Das Komitee bestehend aus Exponent*innen aus SVP, Die Mitte und EDU sehen in der aktuellen Gesetzeslage keine Diskriminierung, da die Ehe zwischen Mann und Frau auf biologischen Fakten gründe. Auch sei die Samenspende für lesbische Paare verfassungswidrig, da aktuell heterosexuellen Paaren dieses Mittel nur bei Unfruchtbarkeit gestattet sei. Auch werde Kindern das Recht, beide Eltern zu kennen und von diesen betreut zu werden, verwehrt. So bräuchten Kinder Vorbilder von beiden Geschlechtern.

Kommt bei einem Ja bald die Leihmutterschaft?

Dies ist die Befürchtung der Gegner der Vorlage. Die Leihmutterschaft ist heute in der Schweiz untersagt, doch glaubt das Nein-Komitee, dass sich Schwule dereinst gegenüber Lesben benachteiligt fühlen, da sie auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können.

Der Bundesrat sagt jedoch klar, dass es bei dieser Vorlage keineswegs um Leihmutterschaft gehe. Das Ja-Komitee verneint ebenfalls, dass es sich um eine Salamitaktik handle. «Es ist eine absolut übliche Entwicklung, dass bei gesellschaftspolitischen Themen Gesetze angepasst werden, wenn sich Wertvorstellungen in der Gesellschaft geändert haben.»

Wo gibt es die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare bereits?

Als erstes Land erlaubten die Niederlande 2001 homosexuellen Paaren die Eheschliessung. Der Nachbar Belgien folgte zwei Jahre später, Spanien 2005. Mit Ausnahme von Italien und Liechtenstein ist die Homo-Ehe in den Nachbarländern der Schweiz ebenfalls erlaubt – in Frankreich seit 2013, in Deutschland seit 2017 und in Österreich seit 2019.

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Müssen Kirchen künftig auch gleichgeschlechtliche Paare vermählen?

Nein. An der Medienkonferenz zur Vorlage sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter deutlich, dass es bei dieser Vorlage lediglich um die Zivilehe, also jene, die vor Standesbeamt*innen geschlossen wird, gehe. Mit der kirchlichen Eheschliessung hat die Vorlage nichts zu tun.

Bestes Zitat

Die Deutsche Abgeordnete der Grünen, Claudia Roth, sagte im Vorfeld zur Einführung der Homo-Ehe in Deutschland in der «Heute Show», dass man niemandem vorschreiben solle, wen er oder sie liebt. «Egal, wer sich liebt und unbedingt heiraten will, soll das tun: Die werden schon sehen, was sie davon haben.»

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