Kalt und herzlos? So lacht das Netz über die neue KI-Werbung von Coca-Cola

Martin Abgottspon

6.11.2025

Coca-Cola löst mit seiner Werbung einen kleinen Shitstorm aus.
Coca-Cola löst mit seiner Werbung einen kleinen Shitstorm aus.
Coca-Cola

Ein roter Truck, ein vertrauter Jingle und ein künstlicher Weihnachtsmann. Coca-Cola setzt bei ihrem Weihnachts-Spot erneut auf Künstliche Intelligenz und löst damit wenig Begeisterung aus. Viele Zuschauer sehen darin nur Kälte und Kommerz.

Martin Abgottspon

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Coca-Cola setzt 2025 erneut auf einen komplett KI-generierten «Holidays Are Coming»-Spot.
  • Statt Nostalgie dominiert online Spott über «seelenlose», unnatürliche Tiere und eine ästhetische Kälte.
  • Der Konzern verteidigt den Ansatz als handwerklich verbessert und effizient.

Seit drei Jahrzehnten gilt «Holidays Are Coming» als Inbegriff weihnachtlicher Werbenostalgie. Der Coca-Cola-Truck, der durch verschneite Dörfer rollt, steht für Wärme, Gemeinschaft und Vorfreude auf die Festzeit.

Seit letztem Jahr wird diese Magie allerdings algorithmisch entzaubert. Grund sind die KI-Spots von Coca-Cola, die auch dieses Jahr wieder den Winter einläuten.

«Ein Jahr KI-Entwicklung später – und es sieht immer noch furchtbar aus», kommentierte ein YouTube-Nutzer den neuen Werbeclip. Hunderte ähnliche Stimmen beklagen, die Figuren wirkten «seelenlos» und «synthetisch». Ausgerechnet jenes Unternehmen, das einst mit emotionaler Markenbindung Pionierarbeit leistete, verliert in den Augen vieler nun den menschlichen Kern seiner Botschaft.

Fortschritt oder Fehlinterpretation?

Coca-Cola aber bleibt unbeirrt. «Die Handwerkskunst ist zehnmal besser als im Vorjahr», verteidigt sich Pratik Thakar, Global Vice President für generative KI bei Coca-Cola, gegenüber dem Hollywood Reporter. Kritik, so seine Haltung, sei unvermeidlich – entscheidend sei die positive Resonanz der Mehrheit.

Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Binnen 24 Stunden erreichte das Video 59'000 Aufrufe und 685 Kommentare – ein Bruchteil der Resonanz früherer Kampagnen. Die Mehrheit davon fällt kritisch aus. Statt kindlicher Vorfreude hinterlässt die Werbung Irritation. Selbst Fans spotten, Pepsi habe damit «die beste Coca-Cola-Werbung aller Zeiten» geschenkt bekommen.

Die Ästhetik des Unheimlichen

Um die Kritik am Vorjahr zu entschärfen, verzichtete Coca-Cola diesmal weitgehend auf menschliche Figuren. Stattdessen bevölkern KI-generierte Tiere die Szenerie. Igel, Eisbären, Robben, Pandas. Doch auch sie wirken künstlich: mit übergrossen Augen, starren Gesichtern, unnatürlichen Bewegungen.

Angesichts der rasanten Fortschritte der Branche von OpenAIs «Sora 2» bis Googles «Veo 3» erscheint das Ergebnis erstaunlich altbacken. Beobachter sprechen von einem «ästhetischen Uncanny Valley», in dem die KI zwar menschliche Emotionen imitiert, sie aber nie wirklich trifft.

Effizienz steht an erster Stelle

Laut einem begleitenden «Making-of»-Video wurde der Spot innerhalb von 30 Tagen mit nur fünf Kernmitarbeitern und rund 70'000 generierten Clips produziert. Zum Einsatz kamen zehn verschiedene KI-Tools, darunter Programme, die realistische Texturen und Bewegungen erzeugen sollen.

Für Coca-Cola ist das vor allem ein Effizienzbeweis. Chief Marketing Officer Manolo Arroyo erklärte dem Wall Street Journal, man spare durch KI enorme Produktionszeit: «Früher begannen wir ein Jahr im Voraus – jetzt dauert es ein Monat.»

Doch was als technologische Innovation gefeiert wird, offenbart eine kulturelle Verschiebung. Werbung, einst als handwerklich aufwendige Erzählform verstanden, wird zur industriell produzierten Simulation von Emotion. Die Geschwindigkeit ersetzt den Zauber, der Aufwand den Ausdruck.

KI-Robben beobachten die vorbeifahrenden Coca-Cola-Trucks.
KI-Robben beobachten die vorbeifahrenden Coca-Cola-Trucks.
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Der Konzern steht exemplarisch für einen Trend, den Analysten längst kommen sehen. Laut Gartner werden bis Ende 2025 rund 30 Prozent aller Marketingbotschaften grosser Unternehmen mithilfe generativer KI erstellt. Die Coca-Cola-Werbung markiert damit nicht nur einen Einzelfall, sondern ein Symbol für den Umbruch einer ganzen Branche – zwischen kreativer Disruption und kulturellem Kontrollverlust.

Während Coca-Cola den Fortschritt feiert, diskutiert das Netz über den Preis: Geht der Mensch in der KI-gestützten Markenkommunikation verloren? Oder wird er durch «neue Formen der Kreativität» ersetzt?