Epidemie Coronavirus überfordert Chinas Web-Zensoren

dj

28.1.2020

Wuhan ist von der Aussenwelt abgeschnitten. Im Netz funktioniert die staatliche Kontrolle nicht mehr ganz perfekt.
Wuhan ist von der Aussenwelt abgeschnitten. Im Netz funktioniert die staatliche Kontrolle nicht mehr ganz perfekt.
Keystone

Der sich immer weiter ausbreitende Coronavirus zeigt die Grenzen der chinesischen Zensur auf, die öffentliche Wut zu kontrollieren.

Der zunächst in der chinesischen Metropole Wuhan aufgetretene Coronavirus breitet sich immer weiter aus. Offiziell spricht China inzwischen von über 4'000 Infektionen und 100 Todesfällen landesweit. Die Epidemie hat das öffentliche Leben in vielen Teilen Chinas zum Erliegen gebracht und langsam aber sicher wird die Bevölkerung aufgebracht. Und ihr Ärger richtet sich gegen die Behörden, denen vor allem mangelhafte Informationspolitik vorgeworfen wird.

Nun ist es in China natürlich etwas problematisch für einfache Bürger, Kritik an der Partei- und Staatsführung zu üben. Neben der offensichtlichen Gefahr, bei einem falschen Wort von der Geheimpolizei abgeholt zu werden, macht es auch die scheinbar übermächtige Web-Zensur schwierig, die eigene Meinung kundzutun. Doch die schiere Menge an öffentlichem Aufruhr zeigt den Zensoren ihre Grenzen auf, wie die «New York Times» schreibt.



Xi Jinping tauchte unter

So scheint vor allem die zurückhaltende Rolle von Präsident Xi Jinping die Bürger zu stören. Xi äusserte sich erst sehr spät selbst zur Epidemie, offenbar, um nicht mit allfälligen Fehlern bei der Bekämpfung des Virus in Verbindung gebracht zu werden. Die Aussage «Wo ist diese Person» fand sich immer wieder in den sozialen Netzwerken. Es war für jeden Beobachter klar, wer mit «Person» gemeint war.

Nachdem diese Kommentare gelöscht wurden, griffen chinesische Nutzer zu einem bekannten Mittel zur Umgehung von Zensur, dem Austausch eines Begriffes durch einen anderen. In diesem Fall wurde der Name «Xi Jinping» einfach durch «Trump» ersetzt, um Sachen zu sagen, für die man sonst sicherlich mindestens im Arbeitslager gelandet wäre. «Mein Herz ist voller Schmerz, ich hoffe, Trump stirbt», schrieben etwa einige Nutzer.



«Chernobyl» plötzlich sehr populär

Ein ungewöhnlicher Ort für Regierungskritik ist auch die Website Douban, die sich eigentlich auf die Vorstellung von Büchern, Filmen und TV-Serien spezialisiert hat. Besonders populär ist dort derzeit der Eintrag zur HBO-Serie «Chernobyl». Die preisgekrönte Miniserie zeigte auf, wie durch Parteibürokratie und politische Intrigen die Nuklearkatastrophe verschlimmert wurde.

«Chernobyl» hat inzwischen mehr als 200’000 «Kritiken» von Nutzern, die offenbar weniger mit der künstlerischen Qualität der Serie beschäftigt sind, als mit den offensichtlichen Parallelen, die sie zur aktuellen Situation ziehen können. «In jeder Zeit, in jedem Land ist es das Gleiche. Vertusche alles», schrieb etwa ein Douban-Nutzer. Inzwischen wurde der «Chernobyl»-Eintrag für neue Kritiken gesperrt.

Zensur gezielt abgeschwächt?

In einigen Fällen scheint allerdings die Zensur gezielt heruntergefahren worden zu sein. So gab es nach einer Pressekonferenz von Wang Xiaodong, dem Gouverneur der Provinz Hubei in der Wuhan liegt, eine wahre Flut an negativen Kommentaren, weil Wang wiederholte falsche Zahlen zu produzierten Gesichtsmasken nannte. Andere machten sich über Wangs Begleiter lustig, weil diese ihre Masken falsch herum trugen.

Bei einem Live-Stream eines Interviews mit Wuhans Bürgermeister Zhou Xianwang gab ebenso unzählige abfällige Kommentare, in denen Zhou unter anderem zum Rücktritt aufgefordert wurde.

Die Vermutung ist hier, dass die oberste Parteiführung in Peking es toleriert, dass sich die öffentliche Wut nun auf mittlere Kader wie den Bürgermeister oder Gouverneur konzentriert, um diese später als Sündenböcke für den Viren-Ausbruch präsentieren zu können.

Galerie: Was ist eigentlich ein Virus?

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