Persönlicher Rückblick 20 Jahre «Die Sims» – oder: Wie ich meinen Nachbarn elegant beseitige

Von Pascal Wengi

3.2.2020

«Die Sims» hat längst Kultstatus erreicht und Gaming auch vielen Frauen nähergebracht.
«Die Sims» hat längst Kultstatus erreicht und Gaming auch vielen Frauen nähergebracht.
Bild: Electornic Arts

Sie sind längst Kult mit ihrem schwebenden Stimmungskristall und ihrer Kauderwelsch-Sprache. Gemeint sind natürlich die Sims. Zu ihrem 20. Jubiläum blicke ich zurück auf die gute alte Zeit, als ein Spiel Skandale auslöste und Bruder und Schwester sich gemeinsam kreativ austobten.

Die Zeit rennt. Das schreibe ich nicht bloss als klagender Ausruf meines fortschreitenden Alters und der daraus resultierenden Erkenntnis, dass meine besten Jahre vorbei sind. Nein, ich meine das wirklich ernst. Denn einmal mehr realisiere ich, dass etwas, «das doch gerade erst vorgestern» passiert ist, doch schon 20 Jahre zurückliegt.

Ein rundes Jubiläum, welches ganz klar das «Oh Gott, das ist schon so lange her»-Gütesiegel verdient, ist die Veröffentlichung von «Die Sims». Das Spiel von EA unter Entwicklung von Maxis erschien im Februar 2000, also genau vor 20 Jahren. Damals noch in dieser alten, riesigen Kartonbox. Auf einer CD. Und mit Aktivierungscode, den man dann irgendwo verlegte und sich einen neuen im Internet «borgen» musste.

Vorreiter und Tabubrecher

Wer damals ein System mit mindestens 233 MHz CPU, 32 MB RAM, 175 MB Festplattenspeicher und hammermässigen 2 MB Videospeicher sein Eigen nennen durfte, der konnte die Lebenssimulation und somit aus heutiger Sicht Gaming-Geschichte spielen. Die Idee hinter «Die Sims» war bahnbrechend. Im Jahr 2000 beherrschten vor allem Jump & Runs, Racing-Spiele und einige Shooter die Branche. Ein Spiel, in welchem man das Leben simuliert, das gab es noch nie und überforderte auch so einige Nichtspieler.

Etliche Moralapostel erbosten sich schon im Vorfeld über die liberalen Möglichkeiten der digitalen Partnerwahl. «Die Sims» war nämlich im Jahr 2000 schon so weit fortgeschritten, dass gleichgeschlechtliche Liebe auch in Videospielen möglich war – etwas, das in der Gaming-Branche bis heute relativ selten ist und immer noch dieselben Kritiker auf den Plan ruft, die sich darüber beschweren. Leider.

Verrückte Sozialexperimente

Und ja, ich gebe es ganz offen zu: Ich gehörte zu den Spielern, die den eigenen, vornehmlich männlichen Freundeskreis in «Die Sims» erstellten und dann hämisch kicherten, wenn sich zwei Kumpels küssten. Schnell einen Screenshot erstellt und dem neuen Traumpaar im Reallife als E-Mail geschickt. «Bin so happy für euch. LOL».

Als Gesellin für mein Alter Ego erstellte ich meinen Schulschwarm als einzig weiblichen Sim und war zumindest digital megacool. Oder ich schuf einen meiner Lehrer als Nachbarn, liess ihn verwahrlosen und verkaufte seine Toilette. Einfach, weil ich es konnte.



In all den Jahren habe ich «Die Sims» ab und zu aber auch mal so gespielt, wie es die Entwickler vorgesehen haben. Also kleines Haus erworben, Job gesucht und neue Einrichtung gekauft. Etliche Stunden verbrachte ich aber vor allem mit Rollenspielen und Sozialexperimenten, die mich im Nachhinein teilweise beunruhigen.

Beispiele gefällig? Ok. Wie lange können vier Sims in einem fensterlosen Raum ohne Essen oder sanitäre Einrichtung auskommen? Was passiert mit einem Sim, wenn man die Leiter des Pools verkauft, während er fröhlich seine Runden im kühlen Nass dreht? Spoiler-Alarm: Der Sim ertrinkt, da er ohne Leiter den Pool nicht verlassen kann. Diese Spielweise entwickelte sich zu meiner favorisierten Methode, um lästige Mitbewohner loszuwerden. Natürlich nur im Spiel, versteht sich.

Ohne kreative Grenzen

Aber es waren nicht diese sadistischen, voyeuristischen Rollenspiele, welche «Die Sims» für mich so einzigartig machten. Es waren diese Momente, wenn der eigene Sim endlich sein langersehntes, erstes Date mit der hübschen Nachbarin verbrachte und man dem Geschehen mit einer Prise Stolz zusehen konnte. Oder wenn die eigene Sim nach tagelanger Schufterei endlich von der Fälscherin zur Schmugglerin befördert wurde, inklusive neuer, kürzerer Arbeitszeiten und besserer Entlöhnung. All das, nur um dann nach der Schule nach Hause zu kommen und mit Schrecken festzustellen, dass irgendjemand (in 99% der Fälle war es Geschwisterteil) meinen Sim in den Pool schickte und das gute alte «Leiter-Verkauf-Spiel» durchgezogen hat.



Trotz der darauffolgenden digitalen Blutfehde, welche einige Sims der Gegenseite spurlos verschwinden liess, war «Die Sims» für mich das Spiel, das ich am liebsten mit meiner kleinen Schwester zusammen spielte. Gemeinsam waren wir kreativer und vor allem durchtriebener, was das Schicksal unserer Sims anging. Ich vergesse nie den schockierten Gesichtsausdruck meiner Schwester, als ich ihrem Sim ein voll ausgebautes Spiegelkabinett spendierte, samt psychotischer Fliessenmuster. Sie spielte trotzdem gerne mit dem Sim und baute ihm sogar noch ein Spielzimmer und ein Labyrinth in den Garten.

Diese kreative Freiheit im Baumodus war es, die mich oft nächtelang an den Bildschirm fesselte. Ob altmodisches Herrenhaus mit grossem Garten, moderne Interpretation eines Stelzenhauses mit grosser Fensterfront oder eine Nachbildung der eigenen Wohnung: «Die Sims» ermöglichte es mir, mich als Hobby-Architekt nach Lust und Laune auszutoben. So verband das Kultspiel Kreativität und Experimentierfreudigkeit mit sozialen Aspekten und Emotionen. Eine Mischung, die es für mich persönlich zu einem wichtigen und wegbereitenden Titel der Gaming-Geschichte macht. Und vor lauter Nostalgie installiere ich nun, 20 Jahre später, das Spiel erneut und schicke ein paar nervende Leute in den Pool.

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