Analysiert Aus diesen Gründen ist VR noch immer nicht massentauglich

Von Martin Abgottspon

19.4.2021

VR hat immer noch einige Einstiegshürden.
VR hat immer noch einige Einstiegshürden.
Bild: Warner

Schon seit Jahren gilt VR als das nächste grosse Ding. Bisher geniessen die Brillen aber eher ein Nischen-Dasein. Und das wird auch so bleiben, solange man die wesentlichsten Hürden nicht aus dem Weg räumt.

Eines meiner besten VR-Erlebnisse hatte ich noch vor Corona im Europapark Rust. Dort gibt es mittlerweile zwei Achterbahnen, die man nicht nur traditionell fahren kann, sondern auch in einer virtuellen Realität. Freunde und andere Achterbahn-Fans verwandeln sich dabei in fülligere Herrschaften, während der Aufseher aussieht, als wäre er gerade einem Marvel-Film entstiegen, um die Bügel der Fahrgäste zu kontrollieren.



Anschliessend wird bereits der Aufstieg zum Erlebnis. Wo man in der Realität bloss langweilige Schienen und Aufzugsmechanismen sieht, befindet man sich nun plötzlich in einer fremden Galaxie, wo man mit seinem kleinen Raumschiff langsam durch eine Stadt schwebt und dabei auf die exotischsten Kreaturen trifft. Danach schiesst man rasant durch den Science-Fiction-Kosmos. Blitze hier und dort. Wilde Schiessereien. Action total.

Drei Hauptkritikpunkte

Hier funktioniert VR. Die immer gleiche Achterbahn lässt sich quasi beliebig oft in ein neues Abenteuer verwandeln. Und trotzdem hält sich der Spass in Grenzen. Die Gründe dafür sind seit Jahren die gleichen und offenbar nur schwer in den Griff zu bekommen. Meine drei Hauptkritikpunkte:

Motion Sickness: Vom Achterbahnfahren wird mir grundsätzlich nicht schlecht. Nach dieser Fahrt aber drehte sich mein Magen. Ich kenne das Gefühl bereits von anderen VR-Aktivitäten. Motion Sickness nennt sich der Zustand der Übelkeit und des Schwindels, der bei vielen Leuten auftritt. Grund dafür sind Verzögerungen der Bewegung in der realen und der virtuellen Welt. Diese sind zwar mittlerweile schon im Millisekunden-Bereich, werden von unserem Hirn aber trotzdem noch registriert und oft schlecht verarbeitet.  

Grafik: Während normale Videospiele inzwischen wie Hollywood-Blockbuster daherkommen, habe ich bei VR-Welten noch immer das Gefühl, in eine Nintendo-Landschaft der Neunzigerjahre katapultiert zu werden. Zwar werben Brillen mittlerweile schon mit Auflösungen von bis zu 4K pro Auge, doch das Problem des Fliegengitters besteht weiterhin. Die Auflösung ist aber auch nur die eine Seite der Medaille, eine hohe Bildwiederholungsfrequenz ist ebenso wichtig für ein gutes VR-Erlebnis. Will man beides in Einklang bringen, müsste man sich momentan wohl noch immer einen 20-Kilogramm-Computer auf den Rücken binden. Immerhin hat Valve mit «Half Life: Alyx» im Vorjahr ein Spiel geschaffen, das den meisten anderen Games diesbezüglich weit voraus ist und zu Recht auch in Top-Listen des Jahres auftauchte. Diese Produktion war aber wohl auch so teuer, dass es sich für Valve im Endeffekt doch nicht wirklich gelohnt hat.

Preis: Die Sonderfahrt im Europapark kostete sechs Euro zusätzlich. Das ist noch verkraftbar. Wer aber mit dem Gedanken spielt, eine VR-Brille auch zu Hause zu nutzen, ist schnell mit Anschaffungskosten konfrontiert, welche sogar den Preis einer neuen Playstation 5 sprengen. Wer sich den Spass trotzdem gönnt, muss für den PC dann auch noch über genügend Grafik-Power verfügen und für eine neue Grafikkarte vielleicht sogar nochmal ins Portemonnaie greifen.

Zur Not doch «Mario Kart»

VR-Brillen wird nachgesagt, dass man mit ihnen noch viel intensiver in fremde Welten abtauchen kann. Dieses Gefühl kann ich nicht unterschreiben. Ganz ehrlich fühle ich mich beim Spielen von «The Witcher 3» oder «Assassin's Creed» am Bildschirm meines PCs wesentlich mehr in einer fremden Welt, als bei jedem VR-Erlebnis.

Ich will VR wirklich nicht verteufeln. Ich habe unendlich viel Spass dabei, bei «Beat Saber» einen Abend lang zum Rhythmus der Musik die Laserschwerter kreisen zu lassen. Doch dann ist auch wieder gut. Vielleicht auch, weil quasi jeder dabei seine eigene Party hat, während alle anderen unbeteiligt daneben stehen. Doch wer weiss, vielleicht erscheinen in einigen Jahren ja alle Freunde mit einer eigenen VR-Brille zum Grillabend. Vielleicht auch nicht. Doch dann bleibt ja immer noch «Mario Kart».

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