Spiele-Kritik «Borderlands 3»: Mehr als ein würdiger Nachfolger?

Von Pascal Wengi

23.9.2019

«Borderlands 3» findet den richtigen Mix aus Altbewährtem und Neuem.
«Borderlands 3» findet den richtigen Mix aus Altbewährtem und Neuem.
Bild: 2K

Vor zehn Jahren hat Gearbox mit «Borderlands» das Genre des Lootshooters begründet. Später war man mit dem zweiten Teil trotz namhafter Konkurrenz der Platzhirsch. Setzt «Borderlands 3» die Messlatte nun noch höher oder scheitert das Spiel an den eigenen Erwartungen?

Bis heute zählt «Borderlands 2» zu den besten Shootern aller Zeiten und hat längst Kultstatus erreicht. Mit Spielen wie «The Division», «Anthem» oder «Destiny» versuchten sich zwar einige andere grosse Entwickler am Genre des Lootshooters. Doch keiner konnte in all den Jahren «Borderlands» vom Thron stossen. Im neusten Teil wagt Gearbox nun keine Experimente. Man will sich auf die bekannten Stärken der Serie fokussieren. Und zwar mit überzeichneten Figuren, derbem Humor und jede Menge Waffen.

Story

«Borderlands 3» knüpft nahtlos an die Ereignisse aus dem zweiten Teil an. Der Kammerschlüssel, ein mächtiges Artefakt, welches Zugang zu einer alten Alienruine gewährt, taucht nach sieben Jahren wieder auf. Als einer der vier Kammerjäger eilen wir den Crimson Raiders und deren Anführerin, Lilith, zur Hilfe.

Die Crimson Raiders waren es, die sich im zweiten Teil dem Fiesling Handsome Jack in den Weg gestellt haben und seine Pläne vereitelten. Tyreen und Troy heissen die beiden neuen Antagonisten und vereinfacht erklärt, sind es zwei überdrehte YouTuber, welche die Kammern nutzen möchten um selber Gottstatus zu erlangen. Den Weg dorthin streamen und kommentieren sie zeitgemäss über ihre Social-Media-Kanäle für ihre fanatischen und mordlustigen Follower. «Borderlands 3» überzeichnet die beiden herrlich schräg aber hinterlässt auch eine satirische Hommage an unsere heutige Gesellschaft und den Kult um Influencer.



Auch trifft man wieder auf alte Bekannte wie die Barbesitzerin Moxxi, den Waffenhändler Marcus oder die Mechanikerin Ellie, welche man alle schon in den Vorgängern kennen und lieben gelernt hat. Viele Ereignisse und Figuren aus anderen Teilen der Serie werden in die Geschichte miteingebunden und es finden sich einige gut gelungene Anspielungen und Easter Eggs.

Neu ist, dass man nicht nur auf dem Wüstenplaneten Pandora bleibt, sondern früh im Spiel Zugang zur Santuary III bekommt. Die Santuary III, benannt nach der zerstörten Heimat der Crimson Raiders, ist ein Raumschiff, welches gleichzeitig auch als neue Behausung und Handelsplatz für die Spieler dient. Damit lassen sich im Verlauf der rund 30-stündigen Story auch andere Planeten besuchen. Besonders Promethea hat es uns dabei angetan, denn die engen Gassen und Häuserschluchten der in Neon-Licht gehüllten Grossstadt bilden einen schönen Kontrast zu den doch eher ländlicheren Arealen von Pandora.

Gameplay

«Borderlands»-Veteranen finden sich im dritten Teil sofort zurecht. Die Fortbewegung, die Waffen und die Menüs wurden zwar alle überarbeitet und teils stark optimiert, trotzdem bleibt alles dem alten «Borderlands»-System treu. Keine der Anpassungen fordert Kompromisse, sondern sind wohl überdacht und wirken stets als Fortschritt. Die Bewegung in den Kämpfen wirkt agiler, man ist dank Rutsch-Manövern schneller in Deckung oder erklimmt erhöhte Positionen dank Kletter-Mechaniken. Waffen fühlen sich wuchtiger und mächtiger an und geben ein angenehmes Trefferfeedback ab – was eine unglaubliche Leistung ist, wenn man bedenkt, dass jede Waffe im Spiel zufällig zusammengewürfelt wird.

Viele kleine Neuerungen erleichtern einem den Alltag ohne das Spiel zu einfach zu machen. So kann man nun beispielsweise zu jeder Zeit einen Reisepunkt direkt ansteuern und muss nicht zuerst an eine Schnellreisestation laufen. Munition für alle Waffen kann neu mit einem einzelnen Knopfdruck am Automaten aufgefüllt werden und die Ausrüstung hat eine Art Punktzahl, um einen ersten schnellen Vergleich anzustellen.



Wem «Borderlands 3» trotzdem noch zu schwer ist, der kann neu auch den Schwierigkeitsgrad anpassen und das Spiel wahlweise auf «Normal» oder «Einfach» spielen.

Nachdem der Endboss in der Kampagne besiegt ist, ist aber lange noch nicht Schluss. Es warten unter anderem sechs verschiedene «Proving Grounds», wiederholbare Areale mit Zonen, duch die sich der Spieler unter Zeitdruck kämpfen muss. Ausserdem warten ein Hordenmodus und ein New Game Plus, bei welchem man die komplette Story nochmal mit stärkeren Gegnern und besserer Beute durchspielt. Zudem hat Gearbox zahlreiche kostenlose Events, neue Inhalte und vier DLCs versprochen, welche die Spieler auch in Zukunft bei Laune halten sollen.

Grafik

Grafisch hat «Borderlands» noch nie Massstäbe gesetzt. Wer fotorealistische Texturen, Raytracing oder lebensechte Charaktermodelle sucht, der ist hier falsch. Das Spiel hat seinen eigenen Grafikstil, durch den die Vorgänger auch Jahre später noch spielbar waren. Trotzdem sieht «Borderlands 3» an vielen Stellen wunderschön aus, was vielmehr am Level- und Artdesing liegt als an purer Grafikleistung. Um aber die Plattformen doch etwas zu fordern, wirft «Borderlands 3» nur so mit Partikeleffekten um sich. In den Gefechten füllen die unterschiedlichsten Partikel schnell mal den Bildschirm, wenn rund um den Spieler scheinbar die halbe Welt in Flammen steht oder irgendetwas gerade wieder explodiert.

Fazit

Viele Entwickler versuchen bei einer Fortsetzung oft verkrampft das Rad neu zu erfinden und berauben bekannte Serien ihrer Seele. Nicht so bei Gearbox und «Borderlands 3». Trotz vieler Neuerungen und Verbesserungen bleibt der Spirit der Vorgänger erhalten – sowohl im Guten wie auch im Schlechten. Wer bis anhin nichts mit den Vorgängern anfangen konnte, wird wohl auch mit «Borderlands 3» nicht zwingend glücklich werden. Für alle anderen ist das Spiel vom Intro bis zu den Schluss-Credits eine Wucht. Gearbox hat nicht nur einen würdigen Nachfolger geliefert, sondern vielleicht sogar einen heissen Anwärter auf den «Game of the Year»-Award.

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