Spielekritik Das «Civilization» für Pazifisten – «Before we leave» angespielt

Von Pascal Wengi

22.5.2020

Der Städteaufbau läuft in «Before we leave» ganz idyllisch und friedlich ab.
Der Städteaufbau läuft in «Before we leave» ganz idyllisch und friedlich ab.
Bild: Balancing Monkeys Games

Wer genug hat von den Gewaltorgien in «Civilization», «Anno» und Co. sollte aufhorchen. Mit «Before we leave» erschien Anfang Mai ein Aufbaustrategiespiel, das ganz ohne Krieg oder Wettstreit auskommt. Ob es trotzdem oder gerade deswegen Laune macht?

Wer kennt es nicht, da baut man sein Reich in «Civilization» mühsam über mehrere hundert Runden auf und am Ende kommt der kriegsbesessene Gandhi und wirft einem eine Atombombe auf die Hauptstadt. Oder Kaiser Friedrich von Deutschland ist auch viele Jahrhunderte später noch wütend auf einen, weil man mal aus Versehen eine seiner Städte eingenommen habt und so kommt es kurz vor der entscheidenden Mars-Mission noch zum Krieg. Mühsam.

Wem die ganze Kriegstreiberei in «Civilization» zuviel ist und wer sein Volk ganz ohne Konkurrenz und super friedlich voranbringen möchte, der sollte einen Blick auf «Before we leave» riskieren. Das Aufbaustrategiespiel des Indie Studios Balancing Monkey Games erinnert in vielerlei Hinsicht sehr stark an das grosse «Civilization», kommt aber ganz ohne Krieg oder Wettstreit aus.

In «Before we leave» entscheidet man als Spieler über das Schicksal der Peeps, kleine putzige Figürchen, die sich nach einer Katastrophe in einen Bunker zurückgezogen haben und so als einzige der Vernichtung entgangen sind. Die Peeps haben dabei leider das Wissen ihrer Vorfahren grösstenteils vergessen und so liegt es am Spieler, ihnen beim Fortschritt unter die Arme zu greifen, um eines Tages den Weltraum zu erobern.

Befinden sich die Peeps am Anfang des Spiels noch technologisch in einer Art Mittelalter, entdecken sie dank Forschung und Wissenschaft altertümliche Überbleibsel ihrer Vorfahren, welche sie nutzen können. So liefert ein verlassenes Kraftwerk fortan beispielsweise Strom oder riesige Roboter können abgebaut und für ihre Metallteile rezykliert werden.

Karte mit Dreh(wurm)

Anders als in anderen Aufbaustrategiespielen begrenzt sich die Karte dabei nicht auf ein Land oder einen Kontinent, sondern umspannt den kompletten Globus, später sogar andere Planeten. Wobei anzumerken gilt, dass das Erdenrund hier umgerechnet wohl einen Durchmesser von wenigen hundert Metern hätte, was die Grösse der Karte dann doch wieder einschränkt.



Diese Globus-Ansicht ist es dann auch, die «Before we leave» den besonderen Look gibt. Die Erdkrümmung ist durch den sehr kleinen Durchmesser merklich vorhanden und die Karte wirkt etwas verzerrt oder verkrümmt. Dafür lässt sich stufenlos von der Hausansicht bis raus ins Weltall und zur Planetenübersicht zoomen. Beim Navigieren wünscht man sich dann aber doch wieder eine etwas zweidimensionalere Karte, da man sich oft schwindlig dreht beim Versuch einen Überblick über ein Dorf zu erhalten.

Ganz wie in «Civilization» geht es dafür bei der Städteplanung zu, denn die Welt ist in Hexagone (Sechsecke) eingeteilt und pro Feld kann nur ein Gebäude oder eine Strasse erstellt werden. Das grosse Vorbild bietet dabei wunderschöne Modelle, welche den Spieler das Gebäude auf dem Feld sofort erkennen lassen, wogegen in «Before we leave» alle Gebäude doch sehr ähnlich aussehen und so schnell mal der Überblick verloren geht, welches Gebäude nun welche Funktion hat. In Kombination mit der etwas gewöhnungsbedürftigen Karte kann dies sogar zur Einschränkung des Spielspasses führen, wenn man ohne Übersicht ein Gebäude sucht und dabei den Globus wild umherdreht und auf den Kopf stellt.

Der Charme des Einfachen

Trotz der Kritik hat «Before we leave» seinen Charme. Denn die Grafik ist äusserst süss gestaltet und versprüht stets diesen idyllisch-friedlichen Gute-Laune-Spirit. Die Forschungszweige des Technologiebaums bieten mehr Tiefgang als erwartet und spätestens mit den ersten Kolonien auf anderen Planeten wird das Spiel zum Teil auch sehr anspruchsvoll und hektisch. Dennoch eignet es sich hervorragend für Genre-Neulinge, denn wo man sich in einem «Civilization» um Politik, Verbündete, Krieg und Katastrophen kümmern muss, gibt es bei «Before we leave» keine Gefahren, ausser, dass zum Beispiel ein Arbeiter im Bergbau mal miese Laune hat, weil das Eisenwerk nebenan etwas die Luft verpestet. Und das ist doch gerade in der jetzigen Zeit auch mal schön, wenn ein verstimmter Arbeiter das grösste Problem einer Regierung wäre.

Freunde von putzigen Aufbaustrategiespielen, sowie Spieler, denen andere Strategiespiele bisher zu komplex waren dürfen getrost zugreifen.

«Before we leave» gibt es für  17.99 Euro im Epic Store 

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