«God of War Ragnarök»Der letzte Blockbuster dieses Jahres haut mit voller Wucht zu
Von Martin Abgottspon
3.11.2022
«God of War Ragnarök» ist das Game-Highlight dieses Winters. Auch wenn sich die Serie nicht neu erfindet, überzeugt die neue Ausgabe dennoch auf ganzer Linie. Es reiht sich unter die Kandidaten für das Spiel des Jahres ein.
Von Martin Abgottspon
03.11.2022, 18:39
Martin Abgottspon
Selten gibt es Spiele, bei denen ich nicht recht weiss, wie ich in den Text einsteigen soll. Es ist eine Mischung aus Überwältigung, gepaart mit einer gewissen Sorge, dem bombastischen Werk mit meinen Worten nicht gerecht zu werden. In solchen Momenten genügt eine simple Abhandlung von positiven und negativen Punkten irgendwie nicht, weil einfach so viel mehr dahintersteckt. «God of War Ragnarök» zählt zu diesen Spielen.
Bereits vor vier Jahren hat Sony mit dem Neustart der Action-Serie im hohen Norden die Weichen in eine goldene Zukunft gestellt und die Franchise hat endgültig ihren Weg in die breite Spielermasse gefunden. Fortan stand nicht mehr Kratos' Feldzug gegen den Olymp im Zentrum des Geschehens, sondern die Beziehung zu seinem Sohn Atreus. Ohne die Geschichte aus dem Vorgänger komplett aufzurollen, kann ich jedem empfehlen, sich diese nochmal in Erinnerung zu rufen. Youtube hilft dabei, alternativ lassen sich die bisherigen Abenteuer und Begegnungen von Kratos und Atreus aber auch vor dem Start von «God of War Ragnarök» nochmals als Video-Highlight im Spiel anschauen.
Ein Krieg, bei dem es um so viel mehr geht
Die Geschichte knüpft bei «God of War Ragnarök» nun nahtlos an die Geschehnisse des Vorgängers an. Atreus ist zu einem Jugendlichen herangereift und wie der Name des Spiels vermuten lässt, steht den beiden ein grosser Krieg bevor – ein Krieg der Götter.
Bei Odin, Thor & Co. ist die Lage entsprechend angespannt. Sie fürchten um ihr Vermächtnis und zeitgleich ihren Untergang und fordern Kratos und seinen Sohn deshalb auf, sich aus dem drohenden Krieg rauszuhalten. Ohne zu spoilern, kann ich an dieser Stelle verraten, dass «God of War Ragnarök» beim Storytelling wie schon der letzte Teil einfach brillant ist. Natürlich steht der Krieg irgendwo im Zentrum, das Spiel geht bei der Aufarbeitung aber viel tiefer als mancher Hollywood-Blockbuster oder Netflix-Serie.
Es geht um Themen wie Schicksal oder Bestimmung, aber auch um Sinnhaftigkeit, Demut und Stolz. Das Game schafft es, dem Spieler diese moralischen Aspekte nie aufzuzwängen und gerade deshalb ist es auch unglaublich inspirierend, sich gewisse Fragen vielleicht auch einmal selber zu stellen.
Im Spiel treibt Atreus die gesamte Handlung und Story jetzt immer öfter selber voran. Für den jungen Gott ist es eine Identitätssuche, die schon gegen Ende des letzten Spiels begonnen hat. Wandmalereien offenbarten ihm, dass er beim Volk der Riesen unter dem Namen Loki bekannt ist. Jetzt erfährt er, dass er bei Ragnarök eine zentrale Rolle einnehmen soll, die von ihm auch viel Verantwortung und Entscheidungskompetenz erfordert.
Jeder Schlag sitzt
So lag es auf der Hand, dass Atreus mit Ragnarök nun zum spielbaren Charakter wird. Im ersten Teil agierte der kleine Junge lediglich als Begleiter von Kratos, der mit seinem Pfeil und Bogen so manchen Kampf entscheidend mitbeinflussen konnte. Was sich viele Spieler schon damals gewünscht haben, wird jetzt Tatsache: Man greift mit Atreus immer öfter selber zu den Waffen und geht dabei im Idealfall etwas anders vor, als mit dem spartanischen Vater Kratos.
Der Fernkampf gewinnt an Bedeutung, doch auch Atreus teilt mit seinen Stichwaffen ordentlich aus. Generell lässt sich sagen, dass die Entwickler das Kampfsystem nur minimal überarbeitet haben. In der Defensive ist geschicktes Timing gefragt, um die verschiedenen gegnerischen Angriffe im richtigen Moment zu blocken oder ihnen auszuweichen. In der Offensive hat man je nach Ausrichtung im Fähigkeitenbaum und beim Ausbau der Waffen etwas Spielraum, ob man eher seine Stärke- oder Verteidigungswerte erhöht.
Eric Williams, der Game Director, gab schon vor einiger Zeit an, dass beim Kampfsystem «keine grossen Schritte» zu erwarten sind und die Entwickler sich vielmehr auf die «Verfeinerung» konzentrieren wollen. Das ist ihnen durch und durch gelungen. Jeder Axthieb, jeder Schwung mit den brennenden Doppelklingen fühlt sich unglaublich befriedigend an. Man spürt mit jedem Hieb die Wucht, die dahinter steckt.
Die Animationen, die Spezialeffekte, aber vor allem auch die Soundkulisse machen jeden Kampf zu einem Action-Spektakel, das sich nur schwer vergleichen lässt. Selbst wenn man die Knöpfe mal nicht im richtigen Moment drückt, fühlt man sich einfach göttlich stark. Es ist ein Wechselbad zwischen Anspannung und Entspannung, der sich von Gegner zu Gegner von neuem einstellt und die Kämpfe nie langweilig werden lässt. Erst recht, weil sich auch noch weitere Begleiter im Verlauf der Geschichte als äusserst nützliche Mitstreiter herausstellen.
Wirklich nichts Schlechtes?
Eine Wucht ist auch die gesamte Aufmachung. Die verschiedenen Gebiete sind eine Augenweide und dank der Grafik-Möglichkeiten der neuen Konsolengeneration erreichen die Bilder einen Detailgrad, wie man ihn noch nie zuvor bei einem «God of War»-Spiel gesehen hat. Man merkt dem Spiel aufgrund des Level- und Weltendesigns zwar an, dass es noch auf Basis der älteren Konsolen entwickelt wurde, das schmälert den Genuss der Welt von Midgard aber in keiner Weise.
Das hat auch damit zu tun, dass die zahlreichen Videosequenzen das ganze Setting perfekt ergänzen. Die einzelnen Szenen fesseln einen vor den Bildschirm und sind ganz nebenbei auch immer eine willkommene Abwechslung, um sich vom hektischen Kampftreiben zu erholen. Die Entwickler haben auch hier viel Wert auf die Details gelegt. Die Bewegungen, Gesichtsausdrücke und Stimmen verleihen der Story so viel Gefühl, dass du komplett mitlebst.
Ich gebe ja zu: Es ist eine Schwärmerei von A bis Z. Aber es gibt tatsächlich nur wenig auszusetzen an «God of War Ragnarök». Ich könnte noch auf zahlreiche weitere positive Punkte wie die gigantischen Bosskämpfe oder die Charakterentwicklung eingehen, aber das würde den Rahmen hier sprengen.
Also zur Kritik: Die Rätsel waren mir vor allem zu Beginn des Spiels manchmal zu nervig und kamen auch relativ häufig vor. Oft war mir eigentlich klar, was zu tun ist, ich scheiterte aber an meiner Präzision, was wiederum zu langwierigen Versuch-und-Irrtum-Momenten führte.
Da dies aber wirklich mein einziger Kritikpunkt ist, kann ich «God of War Ragnarök» mit gutem Wissen in meine persönliche Best-of-Liste für dieses Jahr nehmen. Neben «Elden Ring» und «Horizon: Forbidden West» für mich sicher ein heisser Anwärter auf das Spiel des Jahres.