Kommentar Warum eSports in der Schweiz nicht bloss ein Hype-Thema ist

Martin Abgottspon

19.3.2019

Auch in der Schweiz formieren sich gerade immer mehr eSports-Teams.
Auch in der Schweiz formieren sich gerade immer mehr eSports-Teams.
Bild: Getty Images

Mehr und mehr Schweizer Unternehmen setzen auf das Trendthema eSports. Dabei müssen viele aber erst noch lernen, mit ihrer Pionierrolle umzugehen. Ist der eSports-Schnellzug-Schweiz etwa seiner Zeit voraus? Ein Kommentar.

Die Bilder und Zahlen aus der eSports-Welt gehen um die Welt. WM-Finals in «League of Legends», «Dota 2» oder «CS:GO» füllen ganze Stadien mit bis zu 90'000 Zuschauern. Die Stimmung ist grandios. Feuerwerk, Tanzeinlagen und Lasershows begleiten das eigentliche Spektakel. Vor den Bildschirmen fiebern dutzende Millionen mit ihren Idolen mit.

Wer sowas sieht oder besser noch live miterlebt, ist schnell überzeugt: eSports ist das nächste grosse Ding. Und während koreanische Jugendliche längst Poster von ihren eSports-Helden in den Zimmern hängen haben, ist inzwischen auch das verschlafene Europa erwacht. Esports als Geschäftsmodell oder als Ergänzung zum Kerngeschäft: Warum nicht?



In der Schweiz haben so während den letzten zwei Jahren gleich mehrere Konzerne und Vereine den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Fussballklubs wie der FC Basel gehören ebenso dazu wie die Swisscom, der TCS, die Postfinance oder die UPC. Der Zeitpunkt für einen Einstieg scheint günstig. Die Investmentkosten sind überschaubar, während man gleichzeitig eine äusserst attraktive Zielgruppe im Alterssegment von 15 bis 40 Jahren anspricht. Was soll da schon schief gehen?

Bei einzelnen Schweizer Vorreitern ist mittlerweile aber Ernüchterung eingekehrt. Als Beispiel dient etwa der FC St. Gallen, welcher als erster Fussballklub auf die Karte eSports setzte. Erst letzte Woche hat der Verein nun bekannt gegeben, dass man eSports vorerst auf Eis legen wolle. Als Gründe gab der Klub die schwierige Sponsoren-Situation sowie «andere Prioritäten» an.

Erste Ernüchterungswelle

Der FC St. Gallen ist wie andere Institutionen auf dem harten Boden der Realität aufgeprallt. Damit ist nicht gemeint, dass eSports bloss ein Hype ist und wieder von der Bildfläche verschwinden wird. Dafür ist es längst zu gross. Was viele aber vergessen: ESports ist ein globales Phänomen, das als solches entstanden und gewachsen ist. Wenn sich die besten Spieler in kompetitiven Videospielen messen, schaut die Masse nach Europa, nach Amerika oder Asien – nicht nach Deutschland, Kanada oder Japan. Und schon gar nicht in die Schweiz. Noch nicht.



Esports ist gerade dabei, sich in die einzelnen Regionen der Welt vorzuarbeiten. Nationale Ligen entstehen, einzelne Akteure werden von den Medien aufgebaut und professionelle Strukturen etabliert. Trotz der tollen Vorarbeit von eSports-Organisationen wie mYinsanity oder Silentgaming braucht das Zeit.

Wer ernten will, muss säen. Das gilt auch für jeden Schweizer Betrieb, der in eSports einsteigen will. Gemeinsam werden die Institutionen zu Wegbereitern, was aber längst nicht bei allen angekommen ist. Im Hinterkopf haben einige stattdessen die Bilder der vollen Stadien und Sponsorennamen wie Coca Cola, Mercedes oder Intel.

Noch viel Aufklärung nötig

«Im eSports-Schnellzug der Zeit voraus?», lautet die zentrale Fragestellung dieses Kommentars. Gut möglich, dass wir das in der Schweiz derzeit sind. Die Grossbetriebe haben eSports in den letzten Monaten zu viel Tempo verholfen. Trotzdem ist das Interesse am nationalen Geschehen noch sehr überschaubar.

Esports ist hierzulande noch längst nicht massentauglich. Nicht solange vorderhand immer noch darüber diskutiert wird, ob Egoshooter Amokläufe verursachen. Nicht so lange man glaubt, «Fortnite» vergifte eine ganze Generation. Und schon gar nicht solange eSports in den Kommentarspalten der Onlinemedien mit Wetttrinken gleichgesetzt wird.

Um eSports gesellschaftsfähig zu machen, braucht es noch jede Menge Aufklärungsarbeit. Kritiker müssen verstehen, dass kompetitives Videospielen Spass machen kann und dass hinter dem Training genau so harte Arbeit steckt, wie in anderen Sportarten auch. Dafür brauchen wir wohl noch ein paar Jahre. Gelingt es, wird man in Zukunft dafür um einen Sitzplatz im eSports-Schnellzug-Schweiz kämpfen müssen.

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