Maximalnote «It Takes Two»: Paartherapie mal anders

Von Domagoj Belancic

24.3.2021

Um den Puppen-Fluch zu brechen, müssen die zwei Hauptcharaktere des Spiels wider Willen zusammenspannen.
Um den Puppen-Fluch zu brechen, müssen die zwei Hauptcharaktere des Spiels wider Willen zusammenspannen.
Electronic Arts

Dem kleinen Entwicklerstudio «Hazelight» ist mit ihrem neuen Co-Op-Game der ganz grosse Wurf gelungen. Das Zweispieler-Abenteuer sprüht nur so vor innovativen Ideen und ist schon jetzt ein heisser Anwärter auf das Spiel des Jahres.

Von Domagoj Belancic

24.3.2021

Die Spieler übernehmen in «It Takes Two» die Rollen von Cody und May – einem verheirateten Paar, das sich im öden Alltag über die Jahre hinweg auseinandergelebt hat und sich nun scheiden lassen will. Ihre kleine Tochter Rose ist von den Scheidungsplänen der Eltern schockiert und bittet ein magisches «Buch der Liebe» um Hilfe. Dieses mysteriöse Buch verwandelt Cody und May prompt in kleine Puppen und schickt sie auf eine absurde und emotionale Reise durch die Abgründe ihrer Beziehung. Klingt verrückt? Ist es auch!



«Hazelight» hat bereits vor drei Jahren mit dem Gefängnisdrama «A Way Out» angedeutet, wie viel Potenzial in narrativ getriebenen Co-Op-Games steckt. Mit «It Takes Two» schöpfen sie dieses Potenzial nun voll aus. Im Gegensatz zum düsteren Setting der Gefängnisstory, ist das farbenfrohe und magische Universum von «It Takes Two» völlig losgelöst von jeglichen kreativen Einschränkungen, die mit dem Erzählen einer «realistischen» Geschichte verbunden sind. Und diese kreative Freiheit spürt man in jeder Facette des Games.

Interaktives Storytelling

Auf ihrer magischen Versöhnungsreise werden Cody und May mit zahlreichen Problemen und Streitpunkten aus ihrer Beziehung konfrontiert. Diese Konflikte werden aber nicht nur durch Zwischensequenzen und Dialoge, sondern vor allem durch das Leveldesign erzählt.

Das Game schafft es immer wieder teils abstrakte Beziehungskonflikte in wunderschön inszenierte Spielumgebungen zu übersetzen und lässt die Spieler so interaktiv an der emotionalen Hintergrundgeschichte teilhaben. Die Bandbreite an Szenarien ist unglaublich gross und sorgt für enorm viel Abwechslung.



In einem der eher abstrakteren Level kämpft sich das Paar beispielsweise durch eine riesige Kuckucksuhr, die stellvertretend für die immer kürzer werdende Zeit steht, die das Ehepaar miteinander verbringt. Nur ein Level später befinden sich Cody und May plötzlich in einer Souvenir-Schneekugel, in der sie verlorene Erinnerungen aus glücklicheren Ehezeiten wiederfinden müssen.

Das absolute Highlight des Games sind aber die verrückten Gameplay-Mechaniken, die diese Szenarien erst zum Leben erwecken.

Ein kooperatives Gameplay-Potpourri

Jedes Level trumpft mit einzigartigen Spielmechaniken auf, die in die jeweilige Umgebung passen und den Konflikt des Ehepaars auf einer Gameplay-Ebene zusätzlich akzentuieren.

Weil «It Takes Two» ausschliesslich im Zweispielermodus gespielt werden kann, sind all diese Mechaniken voll und ganz auf kooperatives Gameplay ausgelegt. Die Spieler müssen ihr Handeln genau aufeinander abstimmen und ständig miteinander kommunizieren, um die teils raffinierten Puzzles lösen zu können.



Im erwähnten Kuckucksuhr-Level kann Cody beispielsweise die Zeit vor- und zurückspulen, während dem sich May klonen und so zwei Dinge gleichzeitig erledigen kann. Schon allein diese Idee hätte eigentlich ein eigenes Spiel verdient, aber bei «It Takes Two» ist es nur eines von vielen Spielkonzepten.

Explosive Baumharzgeschosse, fliegende Fidget-Spinner, Anti-Gravitations-Schuhe und Zauberstäbe – die Liste an verrückten Superkräften ist schier endlos und sorgt für ein enorm hohes Spieltempo. Kaum hat man sich als Spieler-Team an ein Spielkonzept gewöhnt, wird schon die nächste skurrile Idee eingeführt.

Die Ideenvielfalt sorgt übrigens auch für reichlich Wiederspielwert: Weil Cody und May jeweils exklusive Superkräfte erhalten, kann das Game in einem zweiten Durchgang nochmal aus einer völlig anderen Perspektive erlebt werden.

Ohne Teamwork geht nichts: Im Baumhaus-Level schiesst Cody (rechts) mit einer Harz-Waffe auf die Gegner und May (links) lässt das Harz mit ihrer Streichholz-Bazooka explodieren.
Ohne Teamwork geht nichts: Im Baumhaus-Level schiesst Cody (rechts) mit einer Harz-Waffe auf die Gegner und May (links) lässt das Harz mit ihrer Streichholz-Bazooka explodieren.
Electroic Arts

Makellose Umsetzung

Erstaunlich ist, dass die einzelnen Spielmechaniken trotz der enormen Vielfalt im Verlauf des Spiels zu einer kohärenten Vision verschmelzen. Was sich auf Papier vielleicht wie eine wild zusammengewürfelte Minispielsammlung liest, wird im Spiel auf raffinierte Art und Weise in die narrative Grundstruktur des Games eingebunden und macht im Kontext der emotionalen Trennungsgeschichte Sinn.

Und auch die Steuerung funktioniert erfreulicherweise stets zuverlässig. Egal in welches Genre das Game einen Abstecher macht, Cody und May lassen sich immer zuverlässig und intuitiv bedienen. Falls doch mal was schiefgehen sollte und ein Ehepartner in den Tod stürzt – kein Problem. Zwar ist das Game stellenweise ziemlich herausfordernd und hektisch, aber nie zu sehr bestrafend oder unfair.

Nach dem Ableben eines Spielcharakters wird er ohne negative Konsequenzen sofort wieder in das Spielgeschehen zurückteleportiert. So können sich auch unerfahrene Mitspieler ohne Frust durch die Story kämpfen.

Wer das Game hingegen mit einem erfahrenen Gaming-Partner spielt, wird Freude an den zahlreichen gut versteckten Easter Eggs und kompetitiven Versus-Minispielen haben, in denen Cody und May in absurden Wettkämpfen gegeneinander antreten und ihre Skills testen können.

It Takes Two Rating
Bluenews