Jeder fängt mal klein anMit Nintendos «Spielestudio» wird Programmieren zum Kinderspiel
Von Domagoj Belancic
14.6.2021
Wer hat nicht schon mal davon geträumt, ein eigenes Game zu entwickeln? Mit dem neuen «Spielestudio» für die Nintendo Switch erhalten selbst blutige Anfänger und Kinder die Möglichkeit in die Welt des Programmierens einzutauchen.
Von Domagoj Belancic
14.06.2021, 10:14
14.06.2021, 11:34
Domagoj Belancic
Programmieren ist an sich keine Hexerei. Den Zugang zu einer Programmiersprache zu finden kann aber oftmals schwierig sein. Und genau hier setzt das «Spielestudio» von Nintendo an. Das Game bringt den Nutzern auf spielerische Art und Weise die Grundlagen der Spieleentwicklung und Programmierlogik bei.
Selbst wer über absolut keine Vorkenntnisse verfügt, wird nach ein paar In-Game-Lektionen schon erste simple Spielmechaniken programmieren können. Wer ein bisschen mehr Zeit investiert und die Programmiersprache gut kennenlernt, wird in der Lage sein, relativ komplexe Minispiele zu entwickeln, die dann sogar online mit Freunden geteilt werden können.
Die ersten Schritte im Studio
Um das Programmiersystem im Spielestudio kennenzulernen, bietet das Game insgesamt sieben grosse Lektionen an, in denen mithilfe von ausführlich erklärten interaktiven Tutorials verschiedene Spiele programmiert werden können. Die Lektionen fangen mit relativ simplen 2D-Minispielen an und enden in komplexen 3D Renn- und Jump’n’Run Games.
Begleitet wird der Spieler von einem kleinen Punkt namens Bob, der mit viel Geduld und Liebe jedes einzelne Detail des Programmierprozesses erklärt. Unterstützt wird Bob zusätzlich von den sogenannten «Knotixen». Diese putzigen Kerlchen leben in der Nintendo Switch und sorgen im Hintergrund dafür, dass die Games so laufen, wie sie laufen sollten. Die Knotixe sind gleichzeitig auch die grundlegenden Bausteine, mit denen im Spielestudio programmiert werden kann.
Visuelles Programmieren mit «Knotixen»
Das Programmierumfeld im Spielestudio lehnt sich an gängige «Visual Scripting» Programme an. Das heisst: Um Spiele zu programmieren, müssen keine Texte und Codes geschrieben, sondern Programmierbausteine in einem «Drag-and-Drop»-System miteinander verknüpft werden. Im Spielestudio stellen die eingangs erwähnten putzigen Knotixe diese Bausteine dar.
«Eingabe-Knotixe» reagieren auf bestimmte Inputs des Spielers oder der Spieleumgebung. Sie werden aktiviert, sobald ein vorgängig definierter Input registriert wird. Zum Beispiel: Wenn der Spieler auf den X-Knopf drückt.
«Objekt-Knotixe» sind allerlei Objekte, die im Game vorkommen: Spielfiguren, Gegner, Hindernisse, etc. Sie können mit einem Eingabe-Knotix und konkreten Handlungen verbunden werden. Zum Beispiel: Wenn der Spieler auf den X-Knopf drückt, springt das Objekt «Spielfigur» in die Luft.
Mit den «Mitte»- und «Ausgabe-Knotixen» können zusätzliche Elemente in der Spiellogik verbaut werden – zum Beispiel, dass der Controller beim Drücken des X-Knopfes vibriert.
Was am Anfang vielleicht noch abstrakt klingen mag, wird spätestens nach dem ersten Tutorial schon viel greifbarer. Die zahlreichen «Aha-Momente», die beim Verbinden der Knotixe und dem anschliessenden Testen entstehen, motivieren den Spieler immer mehr zu lernen und auszuprobieren. Für zusätzliche Motivation sorgen zwischen den Lektionen auch kleine Programmier-Rätsel, in denen das erlernte Wissen in cleveren Puzzles angewendet werden muss.
Zwischen Komplexität und Zugänglichkeit
Neben den Lektionen und Rätseln kann der Spieler natürlich auch eigene Games von Grund auf entwickeln. Dabei ist es wichtig, mit den richtigen Erwartungen an das Programmieren ranzugehen. Wer mit den vorhandenen Tools ein grafisch bombastisches und bis in die kleinsten Details poliertes Game kreieren will, wird ziemlich enttäuscht sein.
Das Spielestudio bietet mit seiner beschränkten Anzahl an Knotixen und Einstellungsmöglichkeiten natürlich nicht die Flexibilität, die eine «echte» Visual Scripting Umgebung bieten kann. Auch die vordefinierten 3D-Objekte, Soundeffekte und Musikstücke grenzen den kreativen Prozess bis zu einem gewissen Grad ein.
Zwar kann der Spieler den Games einen eigenen Anstrich verpassen (beispielsweise mit eigenen Texturen und Remixes von Musikstücken), aber die fertig entwickelten Games werden alle relativ ähnlich aussehen und sich ähnlich anhören.
Und das ist auch gut so. Denn diese Einschränkungen sind nötig, um möglichst vielen Nutzern den Einstieg in die Welt des Programmierens zu ermöglichen. Das «Spielestudio» schafft mit seinen Limitationen die Gratwanderung zwischen Komplexität und Zugänglichkeit fast perfekt.
Zudem können Limitationen die Kreativität der Nutzer noch weiter fördern – in ähnlichen Programmier-Games mit noch mehr Einschränkungen (siehe unten) hat die Community schon unglaubliche Konzepte umsetzen können.
Weitere Games für Hobby-Programmierer
Mal was anderes: «Nintendo Labo» (Nintendo Switch)
Mit «Nintendo Labo» können Programmier-Skills auf einzigartige Art und Weise mit der echten Welt verbunden werden. Die Sets aus modularen Karton-Bausätzen können mithilfe der Nintendo Switch Controller und Konsole in interaktive Kreationen und Spielzeuge verwandelt werden. Mit der «Toy Con Werkstatt» ist es sogar möglich, eigene Karton-Spielzeuge zu basteln und nach Belieben zu programmieren. Weil die «Toy Con Werkstatt» sozusagen der Vorgänger des Spielestudios ist, sehen beide Benutzeroberflächen sehr ähnlich aus. Das erlernte Wissen aus dem «Studio» kann also ohne Probleme in der «Werkstatt» weiterverwendet werden.
Mal was Einfacheres: «Super Mario Maker 2» (Nintendo Switch)
Wer nach dem ganzen Programmieren eine kleine Auszeit braucht, kann sein Glück mit «Super Mario Maker 2» versuchen. Mit dem Game können - wie es der Name schon erahnen lässt - kinderleicht Mario Level designt und mit Spielern aus der ganzen Welt geteilt werden. Weil die Kreationen auf 2D-Mario Games limitiert sind, gibt es hier keine Programmiersprache oder Logik, die gelernt werden muss.
Mal was Komplexeres: «Dreams» (PlayStation 4 & 5)
Während das «Nintendo Spielestudio» einen grossen Fokus auf das einsteigerfreundliche Erlernen von Programmierkenntnissen legt, geht «Dreams» auf der PlayStation 4 noch einen Schritt weiter und deckt fast ohne Limitationen den gesamten Kreativprozess der Game-Entwicklung ab. Hier können komplexe Welten designt, Soundtracks komponiert und ganze Spiele von A bis Z programmiert werden. Das tolle daran: Alle Assets, die von «Dreams»-Spielern erstellt werden, können mit der ganzen Community geteilt und im eigenen Spiel wiederverwendet werden.