Rettungsanker «Runescape»Wie sich Venezolaner mit einem Game aus der Armut befreien
Von Fabian Gilgen
9.6.2020
Im wirtschaftlich schwachen Venezuela ist es schwierig seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Seit Längerem bietet aber das Spiel «Runescape» für viele Einheimische eine Möglichkeit über die Runden zu kommen.
Venezuela, das ehemals zu den reichsten Ländern Südamerikas gehörte, steckt heute seit über zehn Jahren in einer Wirtschaftskrise, die sich immer weiter zuspitzte. Der Grossteil der Bevölkerung lebt in Armut und verdient kaum mehr als fünf Franken im Monat. Damit musste auch der ehemalige Buchhalter Martinez kämpfen. Aufgrund der starken Inflation konnte er nicht mehr mit seinem Lohn überleben und kündigte seinen Job, um «Runescape» zu spielen.
Dies tat er nicht etwa aus Spass, sondern weil ihn sein Nachbar auf den Nebenerwerb aufmerksam gemacht hat. Fortan verdiente er sein Einkommen damit, Gold in «Runescape» anzuhäufen, welches er auch heute noch online für Dollar oder Bitcoin verkauft. Zurzeit erzielt eine Million «Runescape»-Gold einen Preis von 60 Cent.
Nachdem sich Martinze so 450 Dollar erspart hatte, wanderte er nach Peru aus. Danach erspielte er sich weiter Geld, um auch die Ausreise für seine Mutter und seine Freundin zu finanzieren. «Ohne ‹Runescape› wäre meine Familie verhungert», erklärt Martinez gegenüber Polygon.
Viele andere Venezolaner tun es ihm mittlerweile gleich, schildert Martinez: «‹Runescape› ist in der heutigen Zeit eine äusserst populäre Möglichkeit, Geld zu verdienen. Je nachdem, aus welchem Teil Venezuelas man kommt, weiss so ziemlich jeder über das Spiel Bescheid.»
Dass sich in «Runescape» so viele Venezolaner ihren Lebensunterhalt verdienen, hat nun auch einen spürbaren Einfluss auf die Wirtschaft der Spielwelt. Vor allem die Preise für Rohstoffe werden gezielt gedrückt. Einigen Spielern ist das ein Dorn im Auge. Ihnen ist das Spiel scheinbar wichtiger als das Verständnis für die schwierige Situation der Venezolaner. Auch Entwickler Jagex sieht nicht davon ab, streng gegen sogenannte Gold-Farmer vorzugehen.
Martinez ist sich dieses Einflusses auf das Spiel bewusst, bittet aber um Verständnis: «Auch wenn ich weiss, dass es dem Spiel, das ich zu lieben gelernt habe, schadet, kann ich die Gesundheit des Spiels nicht über das Wohlergehen meiner Familie stellen.»
Spieler, die Verständnis für diese Situation haben, gibt es aber durchaus. So meint ein Spieler aus Holland: «Im Grunde versuche ich den venezolanischen Spielern zu helfen, weil sie in ihrem realen Leben etwas Besseres verdienen. Ich biete ihnen Hilfe an und mache Geschenke, weil ich genug Geld habe. Das hilft ihnen so sehr.»
Erstes Spiel: Tetris Ich spiele gerade: Call of Duty: Warzone ...und freue mich auf: Desperados 3 Lieblingszitat: «It's all a matter of perspective. There is no single path through life that's right and fair and does no harm.» (Assassin`s Creed 3)