Spielekritik «Paper Mario»: Ein Origami-Abenteuer, das fast alles richtig macht

Von Domagoj Belancic

15.7.2020

Alle gegen den Origami-König! Um dem Schurken das Handwerk zu legen, arbeitet Mario auch mit alten Feinden zusammen.
Alle gegen den Origami-König! Um dem Schurken das Handwerk zu legen, arbeitet Mario auch mit alten Feinden zusammen.
Bild: Nintendo

Mit «Paper Mario: The Origami King» feiert die langjährige Rollenspielserie in Bilderbuch-Optik ihr Debüt auf der Nintendo Switch. Trotz interessanter Gameplay-Neuerungen wird das Game aber vor allem treue Fans und Rollenspielkenner nicht vollends überzeugen können.


Am Freitag werden auf dem Twitter-Kanal von Swisscom Gaming zwei Exemplare des Spiels verlost. Für Informationen folgt am einfachsten dem Kanal.


Das Pilzkönigreich ist in Gefahr! Ein mysteriöser Origami-König hat Prinzessin Peach entführt und droht damit, ihr ganzes Herrschaftsgebiet zu Origami zu falten.

Zusammen mit Olivia, der gutmütigen Schwester des Origami-Königs, macht sich Mario auf, um Prinzessin Peach aus den Fängen des übermächtigen Schurken zu befreien und das Königreich vor der kompletten Origami-Faltung zu retten.



Zugegeben – die Geschichte erfindet das Storytelling-Rad nicht neu und ist lediglich eine weitere Iteration des klassischen «Mario rettet die Prinzessin»-Narrativs. Die Story wird aber ganz «Paper Mario»-typisch auf eine unwiderstehlich humorvolle Art und Weise erzählt.

Die ulkigen Charaktere und ihre Dialoge sind gefüllt mit Wortwitzen, Zweideutigkeiten und Querverweisen zu anderen Nintendo-Games und lassen den fehlenden Tiefgang in der Geschichte mehr als nur verschmerzen.

Ebenso gelungen und abwechslungsreich sind die zahlreichen Welten, die Mario und Olivia auf ihrer Rettungsmission durchreisen. Von japanischen Tempeln über Vergnügungsparks bis hin zu weitläufigen Wüstenlandschaften – alle Umgebungen sind mit unglaublich viel Liebe zum Detail inszeniert und motivieren den Spieler, jeden Quadratzentimeter des Games gründlich zu erkunden.

Einzigartige Puzzle-Kämpfe ...

In den verschiedenen Welten lauern massenhaft Origami-Feinde auf Mario und seine neue Weggefährtin. Die Kämpfe wurden im Vergleich zu den Vorgängern komplett überarbeitet und bieten ein völlig neuartiges Puzzle-Kampfsystem.

Bevor die rundenbasierten Kämpfe anfangen, muss der Spieler in der Vorbereitungsphase alle Origami-Feinde auf einem kreisförmigen Spielbrett möglichst nah nebeneinander platzieren, um sich in der anschliessenden Angriffsphase einen Vorteil zu verschaffen.

Wer sich beim Ring-Puzzle Mühe gibt und die Feinde richtig platziert, kann die Gegnerhorden meist in wenigen Spielzügen ausschalten.
Wer sich beim Ring-Puzzle Mühe gibt und die Feinde richtig platziert, kann die Gegnerhorden meist in wenigen Spielzügen ausschalten.
Bild: Nintendo

Das Herumschieben der Gegner auf dem Spielbrett ist am besten vergleichbar mit dem Lösen eines Rubik-Würfels: Die vier Ringe auf dem Spielbrett können um die Mitte gedreht oder vertikal hin- und hergeschoben werden.

Vor allem im späteren Verlauf des Spiels entstehen durch die begrenzte Anzahl an erlaubten Drehzügen und der Zeitlimite teils knifflige Puzzlesituationen.

In der anschliessenden Angriffsphase greift Mario die Gegner auf den Ringen mithilfe von Sprüngen, Hammerschlägen und klassischen Mario-Items (wie zum Beispiel Feuerblumen) an. Der angerichtete Schaden im Angriff kann mit dem richtigen Timing und einer günstigen Platzierung der Feinde maximiert werden.

... mit viel verschenktem Rollenspielpotenzial

Leider kann das neuartige Ring-System nie sein volles Potenzial entfalten. Mario und seine Kampffähigkeiten entwickeln sich im Verlauf des Spiels nur minim weiter und das eigentlich ausgeklügelte Kampfsystem fühlt sich schon nach einigen Stunden mühsam und repetitiv an.

Grund dafür ist die Absenz klassischer Rollenspielelemente im Kampfsystem: Level-Aufstiege, anpassbare Fähigkeiten oder gewonnene Erfahrungspunkte durch Kämpfe sucht man hier vergebens.



Stattdessen dreht sich in Marios Papier-Welt alles um Goldmünzen. Je reibungsloser der Spieler die Kämpfe gewinnt, desto mehr Goldmünzen bekommt er am Ende eines Kampfes ausbezahlt. Schade nur, dass diese Währung nicht in die langfristige Entwicklung des Spielcharakters, sondern lediglich in leicht stärkere Kampf-Items investiert werden kann. Diese wirken sich in der Realität aber kaum auf den Kampfablauf aus und motivieren den Spieler nicht genug, die Kämpfe auch langfristig spannend zu gestalten.

Apropos Motivation: Wer keine Lust auf die Puzzle-Mechanik im Kampf hat, kann sich mit den verdienten Münzen die Lösungen auch einfach erkaufen. Die im Publikum sitzenden Toads lösen für ein paar Goldmünzen das Ring-Puzzle, greifen die Gegner an und schenken dem Spieler zusätzliche Items.

Weil das Game die Goldmünzen schon fast inflationär auszahlt, verkommen die meisten Kämpfe so zu einer belanglosen Formalität, die man einfach schnell hinter sich bringen möchte.

Das Highlight des Spiels: Die Bosskämpfe

Alles andere als eine belanglose Formalität sind hingegen die strategisch herausfordernden Bosse, die Mario jeweils am Ende eines Levels besiegen muss. Das Puzzle-Kampfprinzip wird in diesen Bosskämpfen komplett auf den Kopf gestellt und zwingt den Spieler zum Umdenken.

Mario steht in diesen Szenarien nicht mehr in der Mitte des Spielfeldes, sondern muss sich mithilfe von Richtungspfeilen vom äusseren Rand des Kreises zum Boss in der Mitte puzzeln und dabei diversen Fallen aus dem Weg gehen. Im Gegensatz zu «normalen» Gegnern müssen hier zudem gezielt einzelne Schwachpunkte des Endgegners angegriffen werden.

Mario muss die Bosskämpfe zum Glück nicht alleine bestreiten und kann auf die Hilfe seiner Origami-Gefährtin Olivia zählen, die sich mit magischen Feldern auf dem Spielbrett in verschiedene Origami-Kunstwerke verwandeln und mitkämpfen kann – sehr cool! Schade nur, dass die Bosskämpfe viel zu selten zum Einsatz kommen.

Vorsicht! Wer bei den Bosskämpfen nicht aufpasst, kann schnell in tödliche Fallen rennen.
Vorsicht! Wer bei den Bosskämpfen nicht aufpasst, kann schnell in tödliche Fallen rennen.
Bild: Nintendo

Ein versöhnlicher Abschluss

Nach all der Kritik am Rollenspielkern sei an dieser Stelle erwähnt, dass das Game in allen anderen Aspekten des Gameplays fast alles richtig macht.

Die bereits erwähnten, liebevoll inszenierten Welten liefern dem Spieler ein extrem abwechslungsreiches Action-Adventure mit zahlreichen überraschenden Gameplay-Abschnitten und Minispielen, die den teils trägen Rhythmus des Spiels gekonnt aufbrechen.

Im Verlauf seines Abenteuers kann Mario unter anderem angeln, Auto fahren, ein U-Boot bedienen und sein Können an einem Schiessstand beweisen. Auch die (nicht rundenbasierten!) Action-Kämpfe gegen übergrosse Papp-Gegner machen extrem Laune. Obsessive Sammler werden zudem viele Stunden mit der Suche nach unzähligen versteckten Toads und sammelbaren Gegenständen verbringen.

Hardcore-Fans der alten «Paper Mario»-Rollenspiele werden trotz dem schönen Drumherum mit dem Game nicht ganz glücklich werden. Wer sich aber mit der mangelnden Tiefe im Rollenspiel-Gameplay anfreunden kann, wird nach dem Triumph über den Origami-König zufrieden und mit einem Lächeln im Gesicht auf das einzigartige Papier-Abenteuer zurückblicken.

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