Aufklärung nötig Wie die Gaming-Szene ihr Sexismus-Problem angehen will

Von Martin Abgottspon

9.3.2021

Ein offener Diskurs ist wichtig, um das Sexismus-Problem in der Gaming-Szene anzugehen.
Ein offener Diskurs ist wichtig, um das Sexismus-Problem in der Gaming-Szene anzugehen.
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Sexismus im Gaming ist ein ernstes Thema, mit welchem unzählige Frauen zu kämpfen haben. Immerhin gehen immer mehr grosse Unternehmen vehement dagegen vor.

Von Martin Abgottspon

9.3.2021

«Willst du dich auf mein Gesicht setzen?», fragte ein Zuschauer die Streamerin Tinkerleo im Twitch-Chat. Diese reagierte genau richtig, zeigte ihre Empörung und kritisierte das frauenfeindliche Verhalten des Users. Doch wie so oft in solchen Fällen drehte der Zuschauer den Spiess einfach um, verharmloste die Situation und brachte damit sogar einen Grossteil weiterer Zuschauer auf seine Seite. Sie verstehe einfach keinen Spass, sei verklemmt und nicht als Entertainerin geeignet, liest man in den Kommentaren.



Die Streamerin und der Zuschauer haben sich später zwar noch ausgesprochen. Er hat sich entschuldigt und das in den sozialen Medien auch so kommuniziert. Inzwischen ist Gras über die Sache gewachsen, aber genau das ist das Problem, weil der nächste sexistische Überfall damit schon um die Ecke lauert.

Die traurigen Erfahrungen einzelner Gamerinnen

Wie Tinkerleo geht es zahlreichen Frauen in der Gaming-Szene. Täglich gibt es in all den Streams und Youtube-Videos von Streamerinnen sexistische Bemerkungen, Macho-Sprüche und Anmachen, die weit unter die Gürtellinie gehen. Viele davon werden gar nie offen thematisiert, weil sie nie im grossen Rampenlicht erscheinen.

Nach dem Vorfall mit Tinkerleo meldeten sich allerdings viele Frauen über soziale Medienkanäle und schilderten ihre eigenen Erlebnisse, aber auch ihre Wünsche für die Zukunft. Ein paar Beispiele betroffener Frauen:


«Es wird gebeten, einem doch einen zu blasen. Oder man solle in die Küche gehen, wo man hingehört. Einmal wurde mir sogar sehr bildlich beschrieben, wie man mich doch gerade ficken wollen würde, da Frau ja nur dafür taugt.»

«Ich selber sage oft nicht, dass ich eine Frau bin, weil ich sonst anders behandelt oder manchmal sogar direkt beleidigt werde. Aber auch solche sexuell angehauchten Aussagen wie 'Dann blas mir halt einen' oder 'Schick Nacktbilder' sind an der Tagesordnung.»

«Bekommt ein Typ mit, dass ich eine Frau bin und er verliert sogar gegen mich, dann kommen heftige Sprüche von harmlosen 'Geh kochen' bis hin zu 'Verrecke an Krebs, du Schlampe'. Ein-, zweimal am Tag kann man das noch abschütteln. Aber nahezu in jedem Match, das fängt an zu prägen.»

«Das Problem liegt oft daran, dass es, gerade den Männern, nicht bewusst ist, was sexistisch ist und was nicht. Also ich würde mir daher wünschen, dass in der Richtung mehr aufgeklärt und sensibilisiert wird.»

«Twitch kann dazu beitragen, solchen Leuten einfach keine Plattform mehr zu bieten und dementsprechend wirklich lebenslänglich zu bannen, sollte dies häufiger vorkommen. Vorteilhaft wäre da ein Hand-in-Hand-Handeln mit anderen Streamingplattformen wie Facebook, YouTube, Mixer, Instagram, TikTok und Co.»


Hilfe von Männern ist wichtig

Aufklärung und ein striktes Vorgehen vonseiten der Plattformen sind die häufigsten Wünsche der Frauen. Immerhin tut sich in diesem Bereich mittlerweile einiges. Mehr und mehr männliche Influencer und Streamer wie eben HandofBlood haben die Hilfeschreie der Frauen längst erhört und helfen mit, indem sie aufklären aber auch klare Grenzen ziehen.

Dazu gehört auch, dass man auf das Fehlverhalten anderer Influencer aufmerksam macht, weil diese die ganze Bewegung wieder in eine andere Richtung lenken. Gut zu sehen, war das bei einem Stream von MontanaBlack während seines Urlaubs, in welchem er mehrere Passantinnen live im Stream belästigte, dafür von vielen anderen Influencern aber auch öffentlich kritisiert wurde und für die Aktion sogar eine 30-tägige Sperre auf Twitch erhielt. 

Die Verantwortung der Plattformen

Ob dieser Denkzettel von 30 Tagen Suspendierung genug waren, ist Ansichtssache. Auf jeden Fall fährt Twitch nach eigenen Angaben inzwischen eine Null-Toleranz-Politik, wenn es um sexistische Vorfälle geht und sagt dazu: «Alle potenziellen Verstösse gegen unsere Regeln und Richtlinien werden von einem Moderator überprüft. Wird ein Vorfall als Verstoss gegen unsere Bedingungen oder Richtlinien identifiziert, ergreifen wir Massnahmen, die der Schwere des Vorfalls entsprechen. Das kann ein Strike, eine temporäre Suspendierung von unterschiedlicher Dauer oder auch eine permanente Sperre sein.»



Zudem hat Twitch die Richtlinien erst vor kurzem überarbeitet und noch härter formuliert, um Frauen auf der Plattform besser zu schützen. Die Grösse des Sicherheitsteams wurde verdoppelt. «Wir wollen sicherstellen, dass Twitch auch in Zukunft ein für alle zugänglicher, unterhaltsamer und interaktiver digitaler Raum bleibt - dafür investieren wir viel Zeit und Ressourcen.»

Letzten Endes liegt es in der Hand jedes einzelnen Gamers für frauenfreundlicheres Klima einzustehen. Dazu hat man auch verschiedene Möglichkeiten, indem man selber auf Fehlverhalten aufmerksam macht oder in gravierenderen Fällen den User direkt an die Plattform meldet, die den Vorfall dann genauer unter die Lupe nimmt.