Datenschutz Verbietet San Francisco der Polizei die Gesichtserkennung?

AP/tjb

13.5.2019

Ein Demonstrant bei einer Kundgebung gegen Amazons Gesichtserkennung «Rekognition» in Seattle im US-Bundessstaat Washington
Ein Demonstrant bei einer Kundgebung gegen Amazons Gesichtserkennung «Rekognition» in Seattle im US-Bundessstaat Washington
Archivbild: DPA/AP/Elaine Thompson

San Francisco gilt als wichtiges Zentrum der High-Tech-Branche. Nun könnte sich dort die Verwaltung ein Nutzungsverbot einer Technologie auferlegen, die Datenschützern Bauchschmerzen bereitet.

Der Einsatz von Software zur Gesichtserkennung könnte für Polizei und Verwaltung von San Francisco bald tabu sein. Am Dienstag stimmt der Stadtrat über eine entsprechende Anordnung ab – und könnte die kalifornische Metropole dann zur ersten Stadt in den USA machen, die die Technologie derart einschränkt. Befürworter sehen in einem Verbot ein probates Mittel gegen Exzesse bei der digitalen Gesichtserkennung, Kritiker sehen indes die Wahrung der öffentlichen Sicherheit bedroht.

Fortschritt schafft neue Möglichkeiten

Schon seit mehr als zehn Jahren greifen Regierungsbehörden in ganz Amerika auf die Software zurück, um Datenbanken nach Verdächtigen zu durchkämmen und Identitätsdiebstahl zu verhindern. Doch machen jüngste Fortschritte in der künstlichen Intelligenz komplexere Bilderkennungstechniken möglich, die der Polizei etwa die Suche nach einem vermissten Kind erleichtert – oder die Fahndung nach einem Demonstranten in einer umherziehenden Menschenmenge.



Auch so manche Einzelhändler bedienen sich der Softwaren, um über Kameras das Alter, Geschlecht und den Gesichtsausdruck vorbeilaufender Kunden und damit ihre Laune zu ergründen. Das Ziel: Die potenziellen Käufer sollen dann mit zielgerichteter Echtzeitwerbung auf Videobildschirmen in Geschäften geködert werden.

Den Leuten sei durchaus bewusst, wie unheimlich die Technologie sei, sagt Alvaro Bedoya, Leiter des Forschungszentrums für Datenschutz und Technologie an der Georgetown University in Washington. «Es ist nicht so wie bei Cookies auf einem Browser. Da ist etwas an dieser Technologie, das Leuten echt die Haare am Hinterkopf zu Berge stehen lässt.»

Gesichtserkennung mit Macken

San Francisco gilt zwar als Heimatstandort von Tech-Pionieren wie Uber, Airbnb und Twitter, doch gelten die Beziehungen zwischen der Stadtverwaltung und der Branche als angespannt. Denn schliesslich wird in der Metropole auch der Schutz von Bürgerrechten und Privatsphäre gross geschrieben. Erst im November billigten 60 Prozent der Wähler eine Initiative, die Datenschutzrichtlinien stärken sollte.

Der jüngste Vorstoss für einen «Stopp der geheimen Überwachung» geht auf Stadtrat Aaron Peskin zurück. Er räumt ein, dass sein Vorhaben nicht gerade technologiefreundlich ist. Doch sei eine Kontrolle durch die öffentliche Hand wichtig, da Missbrauch möglich sei, betont Peskin.

Tatsächlich hat die Technologie ihre Macken, und das kann sich für einzelne Gruppen von Menschen negativ auswirken. Studien zeigten, dass die Systemen zur Gesichtsanalyse von Amazon, IBM und Microsoft bei dunkelhäutigeren Frauen viel öfter falsch liegen als bei hellhäutigen Männern.

Angst vor Orwell'schen Zuständen

Und selbst wenn die Gesichtserkennung absolut punktgenau wäre, stellte deren Einsatz eine massive Bedrohung der Bürgerrechte dar. Gerade in einer Stadt mit einer reichen Geschichte an Protesten, sagt Matt Cagle, Anwalt der nordkalifornischen Abteilung der Gruppe ACLU. Sollten Körper- oder Überwachungskameras mit einer speziellen Gesichtserkennungsfunktion ausgestattet werden, werde es Menschen erschwert, zu einer Kundgebung oder zu einem Park zu gehen, ohne dass ihre Identität von der Stadt zurückverfolgt werden könne.

Microsoft ist zwar gegen ein Totalverbot der Technologie, drängt Abgeordnete aber selbst zu deren Einschränkung. Denn eine völlig losgelöste Gesichtserkennung ohne Kontrolle könne unter Umständen ein System der Unterdrückung begünstigen, das an George Orwells dystopischen Roman «1984» erinnere, warnte der Konzern.

Kritiker der Initiative in San Francisco befürchten bürokratische Hürden für die polizeiliche Ermittlungsarbeit – und dies in einer Stadt mit einer hohen Zahl an Autoeinbrüchen und etlichen jährlichen Grossveranstaltungen. Den Bedenkenträgern ist es vor allem wichtig, dass die Polizei ungehindert auf Material aus Überwachungskameras von Händlern und Anwohnern zurückgreifen kann.

Andere könnten folgen

Joel Engardio ist Vizepräsident der Organisation Stop Crime SF, in der sich Bürger für Verbrechensbekämpfung in San Francisco stark machen. Er wünscht sich von der Stadtverwaltung mehr Flexibilität. «Unser Standpunkt ist: Wie wäre es statt eines Pauschalverbots für die Ewigkeit mit einem Moratorium, so dass wir die problematische Technologie nicht nutzen, sondern die Tür solange offenhalten, bis die Technologie sich verbessert?», fragt Engardio.

Die Polizei von San Francisco stoppte die Tests mit der Technologie zur Gesichtserkennung nach eigenen Angaben schon 2017. Mit Blick auf das Votum im Stadtrat gibt sie sich diplomatisch. Man freue sich auf ein Gesetz, das die Bedenken rund um Privatsphäre berücksichtige, zugleich aber die Balance zu Sorgen um die öffentliche Sicherheit in einer wachsenden internationalen Stadt halte, sagte Polizeisprecher David Stevenson.

Stimmt der Stadtrat einer Einschränkung der Gesichtserkennung zu, wäre nur deren Nutzung durch die Verwaltung tabu. Der Einsatz durch Unternehmen oder Bürger wäre weiterhin erlaubt, genauso wie eine Nutzung am Internationalen Flughafen von San Francisco, wo sich überwiegend Bundesbehörden um die Sicherheit kümmern. Beobachter gehen davon aus, dass nach einem möglichen Verbot der Technologie in San Francisco auch andere US-Städte, Staaten oder gar der Kongress folgen könnten.

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