Inspektor GadgetInspektor Gadget: Wie Fitness-Tracker helfen, Morde aufzuklären
Pascal Landolt
5.10.2018
Fitnesstracker wie «Fitbit» zeichnen rund um die Uhr unsere Vitalfunktionen auf. Mithilfe dieser Daten werden nun auch erste Gewaltverbrechen gelöst. Dieser Informationsvorsprung ist ein zweischneidiges Schwert.
«Wer sich genügend bewegt, lebt länger» – mit diesem Versprechen im Hinterkopf schnallen sich Millionen Menschen weltweit Fitness-Tracker und smarte Computeruhren um und lassen die Geräte ihre Vitalfunktionen rund um die Uhr aufzeichnen.
Diese Daten können allerdings auch für Zwecke genutzt werden, die über das Fitnessprogramm hinausgehen: Sie können im Todesfall wichtige Aufschlüsse über die Umstände des Ablebens geben. Dank der Fitness-Armbänder wurden bereits erste Verbrechen aufgeklärt.
«Fitbit» zeichnete erhöhten Pulsschlag auf
So auch im Fall von Karen Navarra aus San José, Kalifornien: Polizeibeamte wurden von besorgten Nachbaren an die Adresse der Frau gerufen, und fanden die 67-Jährige bei sich zu Hause bewusstlos und mit sichtbaren Stichverletzungen vor. Noch am Tatort wurde sie für Tot erklärt.
Die Auswertung des «Fitbit»-Fitness-Armbands des Opfers zeigte eine erhöhte Pulsfrequenz, kurz bevor der Herzschlag ganz aussetzte. Während der Analyse stellte sich heraus, dass dies genau zu dem Zeitpunkt der Fall war, an dem gemäss Kameraaufnahmen das Auto ihres Stiefvaters vor dem Haus stand. Der Stiefvater wurde daraufhin als Tatverdächtiger verhaftet.
Die Technik als allgegenwärtiger Zeuge
Dies ist kein Einzelfall: In einem anderen Mordfall, ebenfalls in den USA, behauptete ein Ehemann, ein Einbrecher habe ihn gefesselt und seine Frau erschossen. Eine Analyse der elektronischen Gadgets des Ehepaars, wie dem Alarmsystem des Hauses, ihrer Computer, Smartphones, der Posts auf Social Media und der Daten auf dem Fitness Tracker des Opfers erzählten eine andere Geschichte: Nämlich, dass die Frau zum angeblichen Tatzeitpunkt noch ausser Haus im Fitness Studio war. Insgesamt dauerte die Rekonstruktion des Tathergangs ein Jahr, und gemeinsam mit anderen Indizen stellte sich der Ehemann dann als Täter heraus.
Soll man diese Technik zulassen?
Auch Lügen werden auf diesem Weg enttarnt: Eine US-Amerikanische Frau alarmierte die Polizei, ein Unbekannter sei in ihre Wohnung eingebrochen und habe sie attackiert, während sie geschlafen habe. Sofort starteten die Gesetzeshüter eine gross angelegte Suche nach dem Eindringling, konnten jedoch nicht mal Fussabdrücke im Schnee vor dem Haus des vermeintlichen Opfers finden. Eine Analyse ihres Fitness-Trackers zeigte, dass sie zudem zum Tatzeitpunkt «wach und in Bewegung» gewsesen sei. Die Frau wurde der Falschaussage überführt und wegen Missbrauch von Notfalldiensten angeklagt. Die Beschuldigte und ihr Anwalt streiten die Vorwürfe ab.
Das könnte in der Strafverfolgung neue Fragen aufwerfen: Überwacht Technik als «Big Brother» jetzt jede Bewegung unseres Alltags und dürfen diese persönlichen Daten verwendet werden, um Opfer zu schützen und Täter zu überführen? Oder soll die Polizei dieses Werkzeug nutzen dürfen, um auch schwierige Zusammenhänge zu verstehen und bislang ungeklärte Fälle aufzuklären?
Solche Datensammlungen wenden Versicherungen bereits an: In vielen Fällen erhalten Autolenker Rabatte auf ihre Autoversicherung, wenn sie sich eine «Black Box» im Fahrzeug installieren lassen, mit der sich unter anderem Positions- und Bewegungsdaten aufzeichnen lassen. Erste Resultate beim Einsatz solcher Gadgets im Auto zeigen, dass die Lenker sich eher an Verkehrsregeln halten. Die Folge davon waren weniger Verkehrsunfälle und so auch weniger Personen- und Materialschaden.
Das kommt darauf an, wie ernst es die Anbieter von Soft- und Hardware mit der Privatsphäre nehmen. «Strava», eine App für Läufer und Velofahrer, hatte die Option fürs öffentliche Teilen der Ortsangaben jedes Nutzers standardmässig auf «Ein» voreingestellt. Das Resultat war eine gigantische, öffentlich einsehbare Datensammlung jedes Nutzers, das sogar Bewegungen auf geheimen Militärbasen metergenau wiedergab.
Auch Fahrdienst-Anbieter «Uber» machte sich zu seiner Anfangszeit einen Spass daraus, auf Firmenanlässen eine interaktive Karte der gerade aktiven Nutzer in einer sogenannten «God view» – einer «Gott-Ansicht» anzuzeigen. Die Daten der Fahrgäste wurden dabei nicht zensiert, woraufhin eine Besucherin das Profil eines Fahrgastes erkannte und ihn per Kurznachricht anschrieb, ob er sich gerade in einem «Uber»-Taxi in New York befinde. Der entblösste User war darüber so erbost, dass er die Geschichte öffentlich machte und von den «Uber»-Gründern eine Erklärung verlangte.
Doch auch Nutzer stehen in der Pflicht: Denn nicht alle Unternehmen, die so fleissig Informationen sammeln, teilen diese auch öffentlich. Also sollte man sich fragen, mit wem man welche Details aus seinem Alltag teilen möchte. Da lohnt sich der Aufwand, in den jeweiligen Einstellungen nachzuschauen, was denn genau wo gespeichert wird. Dies wird uns nicht zuletzt durch den Einsatz der neuen EU-weiten GDPR-Richtlinien vereinfacht.
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