Das Tesla-Drama erklärt Musk im Mist: Jetzt muss der Tesla-Chef Beweise liefern

Dirk Jacquemien

16.8.2018

Muss sich Elon Musk Sorgen machen? Mit einem Tweet scheint sich der Tesla-CEO mal wieder in die Nesseln gesetzt zu haben.
Muss sich Elon Musk Sorgen machen? Mit einem Tweet scheint sich der Tesla-CEO mal wieder in die Nesseln gesetzt zu haben.
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Geniestreich oder fatales Eigentor? Elon Musks Ankündigung, Tesla von der Börse nehmen zu wollen, bewegt auch eine Woche später die Wirtschafts-Welt. Wie es nun weiter geht, liegt nicht mehr ganz in seiner Hand.

Es war kurz nach Mittag an der New Yorker Börse, als Elon Musk am 7. August eine wahre Bombe platzen liess, mit folgendem Tweet:

Da 420 Dollar deutlich über dem damaligen Kurs lag, schoss die Aktie des Elektroautoherstellers um acht Prozent nach oben. Währenddessen herrschte unter Börsen-Beobachtern Verwirrung bis Chaos, zunächst wurde spekuliert, Musks Twitter-Account sei gehackt worden, da 420 im amerikanischen Sprachgebrauch auch als Code für Cannabis verwendet wird. Die Tesla-Pressestelle schwieg über Stunden, erst kurz vor Börsenschluss lieferte Musk in einem Blogeintrag etwas mehr Details zu seinen Plänen.

Seitdem wird über Musks Ankündigung, Tesla von der Börse nehmen zu wollen (das so genannte «Delisting»), intensiv gesprochen und geschrieben. Auf kurze Sicht besonders kritisch könnte sich aber der zweite Teil des Tweets herausstellen, «Funding secured», die Finanzierung ist gesichert. Denn deswegen drohen Musk und Tesla nun Ärger mit der Securities and Exchange Commission (SEC), der US-Börsenaufsicht.

Darum ist der Tweet so problematisch

Elon Musk hat als CEO eines börsennotierten Unternehmen die Pflicht zur wahrheitsgemässen Auskunft über die Verhältnisse seiner Firma. Jede öffentliche Aussage von ihm hat das Potenzial, den Markt zu beeinflussen, egal auf welchem Medium er sie tätigt.

Der erste Satz seines Tweets, er «ziehe es in Betracht» Tesla von der Börse zu nehmen, ist noch relativ vage und unproblematisch. Unternehmensführern ist es nicht verboten, laut nachzudenken. Der zweite Teil ist allerdings eine Tatsachenbehauptung im Indikativ, «die Finanzierung ist gesichert».

Das erweckte bei der Börse den Anschein, dass eine grosse Hürde bei einem Börsenrückzug — eben die Finanzierung — bereits übersprungen wurde. Die Realisierung des Vorhabens wird wahrscheinlicher, die Aktie ist entsprechend gestiegen. Anders als bei grossen Ankündigungen sonst üblich wurde der Handel mit Tesla-Aktien vor dem plötzlichen Tweet auch nicht suspendiert. Dies erfolgte erst Stunden später, als Börsenhändler und vor allem deren Algorithmen bereits voll am Werk waren.

Eigentlich ist Musks Hauptaufgabe derzeit dafür zu sorgen, dass so viele Model 3-Fahrzeuge aus der Fabrik kommen wie möglich.
Eigentlich ist Musks Hauptaufgabe derzeit dafür zu sorgen, dass so viele Model 3-Fahrzeuge aus der Fabrik kommen wie möglich.
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War das Ganze nur Rache an Leerverkäufern?

Damit kommt man dann zu einer möglichen Motivation für den Tweet, wenn man Musk böse Absichten unterstellen will. Seit Jahren führt er eine Privatfehde gegen Leerverkäufer – sogenannte «Shorter», also Aktienhändler, die auf fallende Kurse wetten. Durch den plötzlichen Anstieg der Tesla-Aktie nach dem Tweet haben Leerverkäufer zahlreiche dieser Wetten verloren, Schätzungen beziffern ihre Verluste auf 1,3 Milliarden Dollar.

Musk war zweifellos bewusst, dass seine Ankündigung zumindest kurzfristig zu einem steigenden Kurs führen wird. War die ganze Aktion also nur ein Mittelfinger an die von ihm verhassten Shortsellers? Die zumindest glauben das und haben bereits Schadensersatzklagen eingereicht.

Musk hat aber immer wieder mehr oder weniger deutlich die Nachteile des Daseins als börsennotiertes Unternehmen beklagt, etwa die Fixierung auf kurzlebige Quartalszahlen oder der gesetzliche Zwang zur Offenlegung vieler Geschäftsinterna. Abseits der Börse wäre Musk viel freier in der Unternehmensführung. Es ist daher kaum anzuzweifeln, dass ein Delisting sein inniger Wunsch ist. Die Verluste der Leerverkäufer wäre da für ihn möglicherweise nur ein angenehmer Nebeneffekt.

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Hat Musk das Geld?

Für den weiteren Verlauf sind jetzt zwei Fragen entscheidend. Hat Musk eine Zusicherung für das nötige Kapital für das Delisting und hatte er sie am 7. August? In einem weiteren Blogeintrag am 13. August berichtet Musk über ein Treffen vom 31. Juli mit dem saudi-arabischen Staatsfond. Dieser hatte kurz zuvor einen fünfprozentigen Anteil an Tesla erworben. Yasir Al Rumayyan, der Geschäftsführer des Fonds, habe Musk zugesichert, einen eventuellen Börsenrückzug zu finanzieren

Rettet er Musk die Haut? Yasir Al Rumayyan, der Geschäftsführer des saudi-arabischen Staatsfonds.
Rettet er Musk die Haut? Yasir Al Rumayyan, der Geschäftsführer des saudi-arabischen Staatsfonds.
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«Ich hatte nach dem Treffen am 31. Juli keinerlei Zweifel, dass ein Deal mit dem saudischen Fond zustandekommen kann», so Musk. Nur der formelle Prozess hätte noch eingeleitet werden müssen, deshalb habe er «Funding secured» geschrieben. Auch den eigenen Verwaltungsrat habe er am 2. August über sein Bestreben nach einem Delisting informiert.

Seitdem überschlagen sich die Berichte über den Stand der Finanzierung. Der Verwaltungsrat hat ein spezielles Komitee gebildet, Bank-Gigant Goldman Sachs soll beim Prozess helfen. Wirklich konkret ist allerdings noch nichts, auch wieviel Geld für das Unterfangen tatsächlich benötigt wird, ist unklar. Musk selbst geht wohl von 25 bis 30 Milliarden Dollar aus, unabhängige Beobachter halten das für zu niedrig.

Muss Musk jetzt in den Knast?

Die späteren Entwicklungen sind für die SEC-Untersuchung allerdings irrelevant. Die Behörde wird nur interessieren, was Musk zum Zeitpunkt des Tweets wusste. Glaubte er wirklich, die Finanzierung sei gesichert oder war das eine Unwahrheit? Beim letzterem könnten empfindlichen Bussen und Schadensersatzforderung auf Tesla zukommen und Musk selbst droht im schlimmsten Falle gar die Strafverfolgung wegen vorsätzlicher Marktmanipulation.

Die SEC hat nach Informationen der «New York Times» bereits formelle Verlangen nach Dokumenten an das Unternehmen geschickt, Musk wird zweifellos auch selbst interviewt werden. Die Verwaltungsratmitglieder haben sich bereits eigene Anwälte genommen, die Sache wird also durchaus ernst genommen.

Beobachter sind sich hier uneinig, wir gross die Gefahr für Tesla und Musk wirklich ist. Der ehemalige SEC-Kommissar Joseph Grundfest hält die Wahrscheinlichkeit einer Strafe gegen Musk für «ziemlich hoch». SEC-Untersuchungen können allerdings Monate bis Jahre dauern, laut TV-Börsenguru Jim Cramer hingegen wäre die Menschheit wie von Musk gewünscht gar schon auf dem Mars, bis die Untersuchung abgeschlossen ist.

Kann Musk Tesla wirklich von der Börse nehmen?

Selbst voraussetzt, Musk bekommt das nötige Kapital zusammen und wird nicht von der SEC eingebuchtet, ist damit der Kuchen noch lange nicht nicht gebacken. Zuvorderst braucht er die Zustimmung des Verwaltungsrat und der aktuellen Aktionäre.

Da beginnt aber bereits das erste Problem. Der Verwaltungsrat wird allgemein als nicht unabhängig genug angesehen — so hat etwa Musks Bruder Kimbal einen Sitz — und müsste erst von einer Aktionärsversammlung neu gewählt werden, wenn man eine spätere Anfechtung verhindern will. Der neue Verwaltungsrat müsste dann dem Delisting zustimmen und das wieder den Aktionären vorlegen.

Ist auch Mitglied des Tesla-Verwaltungsrats: Kimbal Musk, der Bruder von Elon.
Ist auch Mitglied des Tesla-Verwaltungsrats: Kimbal Musk, der Bruder von Elon.
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Hier ist dann Problem Nummer zwei: Musk will zwar allen bisherigen Aktionären anbieten, ihre Wertpapiere in Anteile des börsenfreien Unternehmens umzuwandeln. Das ist aber nicht für alle eine Option. Vielen institutionellen Anlegern ist es per Gesetz oder durch die eigenen Bestimmungen verboten, in nicht börsenorientierten Unternehmen zu investieren. Indexfonds auf den Nasdaq etwa müssten dann komplett aus Tesla aussteigen. Wenn diese allerdings an eine künftige Wertsteigerung von Tesla glauben, wäre es nicht in ihrem Interesse, dem Delisting zuzustimmen.

Selbst wer seine Aktien umwandeln kann und möchte, könnte auf Problem drei stossen. Denn diese Umwandlung würde wahrscheinlich als Aktienverkauf gewertet werden und Kursgewinne müssten versteuert werden. Für amerikanische Investoren könnte diese Steuer bis zu 20% des Kapitalertrags sein.

Und wenn Saudi-Arabien wirklich der Hauptfinancier des Börsenrückzugs wird, erzeugt das Problem vier. Das Committee on Foreign Investment in the United States könnte nämlich Bedenken anmelden. Es hat die Macht, ausländische Investitionen in «kritischen Industrien» zu untersagen, wenn sie die nationale Sicherheit gefährden könnte. Mit dieser Argumentation wurde bereits die Übernahme des Chiphersteller Qualcomm durch eine singapurische Firma untersagt. Elektroautos als Zukunftstechnologie könnten als eine solche kritische Industrie eingestuft werden.

Ist es das alles wert?

Die Tesla-Aktie ist inzwischen wieder auf das Level vor dem berühmten Tweet gefallen, die Börse zweifelt also eindeutig, ob das Vorhaben gelingen kann. Sein eigener Verwaltungsrat hat Musk gebeten, sich doch bitte von Twitter fernzuhalten, wo er sich ja nicht zum ersten Mal in Probleme tweetete. Ähnlich wie die Berater von Donald Trump werden die Verwaltungsräte aber wohl auch bei Musk auf taube Ohren stossen.

Laut Star-Investor Mark Cuban bleibt Investoren von Tesla aber keine andere Wahl, als Musk dorthin zu folgen, wo er hin will. Über Steve Jobs von Apple und Jeff Bezos von Amazon, die ihre Aktionären riesige Gewinne beschafften, habe sich schliesslich auch jeder beschwert. Wenn man Musk nicht will, dann müsse man halt woanders investieren. Seine «Einzigartigkeit» habe Tesla erst so erfolgreich gemacht.

Alles Schall und Rauch? Der Kursgewinn nach Musks Tweet ist inzwischen wieder verpufft.
Alles Schall und Rauch? Der Kursgewinn nach Musks Tweet ist inzwischen wieder verpufft.
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