Schweizer E-Mail-DienstProtonmail gab IP-Adressen von Aktivisten weiter
Dirk Jacquemien
7.9.2021
Ein französischer Klima-Aktivist ist festgenommen worden, nachdem der auf Privatsphäre bedachte Schweizer E-Mail-Dienst Protonmail dessen IP-Adresse an die Behörden weitergab.
Dirk Jacquemien
07.09.2021, 14:45
07.09.2021, 15:04
Dirk Jacquemien
Der Genfer E-Mail-Dienst Protonmail hat die Weitergabe der IP-Adresse eines Nutzer verteidigt, die zu dessen Festnahme in Frankreich geführt hatte. Nachdem mehrere Medien über den Fall berichteten, rechtfertigte Proton-Chef Andy Yen das Vorgehen seines Unternehmens im eigenen Blog.
Protonmail hat nach eigenen Angaben eine Anordnung vom Bundesamt von Justiz erhalten, in der es verpflichtet worden sei, die IP-Adresse zu einem bestimmten Protonmail-Account zu sammeln und weiterzuleiten. Gegen diese Anordnung habe es keine Möglichkeit eines Rechtsmittels gegeben, sie sei über Kanäle erfolgt, die normalerweise für «schwerwiegende Verbrechen» reserviert seien. Die eigentlichen E-Mails hat Protonmail nicht weitergegeben und konnte dies aufgrund der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auch gar nicht.
Aktivist besetzte Wohnungen
Der Besitzer des Accounts soll Teil einer Gruppe von Klima-Aktivist*innen sein und sich an Besetzungen von Wohnungen und Geschäftsräumen in Paris beteiligt haben. Deshalb geriet er ins Visier der französischen Behörden. Wie «TechCrunch» berichtet, gab es daraufhin offenbar über Europol eine Anfrage an die Schweizer Behörden. Da die mutmasslichen Taten auch unter Schweizer Gesetzen strafbar seien, folgte im Zuge der internationalen Rechtshilfe die Anordnung an Protonmail.
Warum die mutmasslichen Besetzungen offenbar als «schwerwiegendes Verbrechen» dargestellt wurden, ist unklar. Protonmail sagt, die Identität des Nutzers sei dem Unternehmen vor Herausgabe der IP-Adresse nicht bekannt gewesen. Man werde sich wo immer möglich gegen missbräuchliche Anwendung des Gesetzes wehren und die Nutzer*innen schützen.
Irreführende Versprechen
In die Kritik geriet Protonmail aber weniger wegen der Weitergabe der IP-Adresse, zu der es wohl tatsächlich verpflichtet war, sondern eher aufgrund irreführender Versprechen zu dem angebotenen Schutz der Privatsphäre.
«Standardmässig erstellen wir keine IP-Protokolle, die Ihrem anonymen E-Mail-Konto zugeordnet werden können. Ihre Privatsphäre steht an erster Stelle», hiess es bis vor kurzen auf der Startseite von Protonmail. Dieser Text wurde nun abgeändert und der Verweis auf die IP-Protokolle entfernt.
Es tue dem Unternehmen leid, falls das Ausmass der Verpflichtung zur Kooperation mit Schweizer Behörden bisher nicht «klar» genug gewesen sei, schreibt Yen. Ausserdem empfiehlt er seinen Nutzer*innen zukünftig über den Tor-Dienst auf Protonmail zuzugreifen. Bei Nutzung des Anonymisierung-Netzwerkes ist es dann nicht mehr möglich, einzelne Accounts Individuen zuzuordnen.