Bumerang-EffektRussland gibt Millionen aus, um eigene Zensur zu umgehen
Dirk Jacquemien
1.6.2022
Mit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine hat Russland die Internet-Zensur im eigenen Land nochmal hochgefahren. Doch das bringt jetzt selbst russische Behörden in Bedrängnis.
Dirk Jacquemien
01.06.2022, 16:01
01.06.2022, 16:03
Dirk Jacquemien
Staatliche russische Stellen haben seit dem 24. Februar insgesamt 807 Millionen Rubel (knapp 12 Millionen Franken) für VPN-Dienste ausgegeben. Das ergab eine Analyse von «Top10VPN», das Ausschreibungen von russischen Behörden ausgewertet hat.
Mit einem VPN-Zugang lässt sich unter anderem staatliche Zensur umgehen, indem der Internetverkehr verschlüsselt und über Server im Ausland geleitet wird. Der Bedarf für VPN-Dienste ist in Russland nach der Invasion massiv in die Höhe geschossen, weil die Regierung über 1500 Websites für die eigene Bevölkerung blockierte, darunter populäre Plattformen wie Twitter oder Instagram.
Doch nicht nur normale russische Bürger*innen kaufen nun VPN-Zugänge, sondern auch staatliche Behörden. Denn der Zensurwahn von Wladimir Putin erschwert offenbar auch ihre Alltagsarbeit, da sie nicht mehr ungestörten Zugriff auf alle wichtigen Informationen haben.
Zu den Behörden, die für VPN-Zugang zahlen, gehören unter anderem das Innenministerium und der Zoll. Die Nutzung von VPN-Diensten ist in Russland (noch) nicht verboten. Selbst Kreml-Sprecher Dmitri Peskow räumte freimütig ein, VPN zu nutzen. Anders als in China versucht Russland auch nicht aktiv, die Nutzung durch technische Massnahmen zu unterbinden.
Ziel der umfangreichen russischen Internet-Zensur scheint derzeit vor allem noch zu sein, die grosse Masse der Bevölkerung von der Staatspropaganda widersprechenden Informationen fernzuhalten. Denn die Einrichtung eines VPN-Zugangs erfordert etwas technisches Wissen und kostet Geld, was viele abschrecken dürfte.