Kontaktverfolgung So soll die Schweizer Corona-App funktionieren

dj

11.5.2020

Gerade potenzielle Übertragungen im ÖV könnte die Corona-App erkennen.
Gerade potenzielle Übertragungen im ÖV könnte die Corona-App erkennen.
Keystone

Das Bundesamt für Gesundheit hat weitere Details zu seiner App für die Corona-Kontaktverfolgung veröffentlicht. Einsatzbereit ist sie aber frühestens im Juni.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat weitere Details und einen Zeitplan für die Einführung der Swiss PT-App veröffentlicht. PT steht für «Proximity-Tracing», also Kontaktverfolgung und soll dabei helfen, mögliche Coronavirus-Übertragungen zu erkennen.

Am 13. Mai soll der Bundesrat per Verordnung die rechtlichen Grundlagen für eine Testphase legen, die dann mit einem «begrenzten Nutzerkreis» beginnen soll. In der am 2. Juni beginnenden Sommersession des Parlaments soll dann die gesetzliche Basis für einen breiten Einsatz der App geschaffen werden. Irgendwann im Juni soll die Swiss PT-App dann für die Öffentlichkeit verfügbar sein.

So werden Kontakte erkannt

Die Swiss PT-App — die vom BAG zusammen mit dem Bundesamt für Informatik und Telekommunikation, den ETHs in Zürich und Lausanne sowie der Firma Ubique entwickelt wurde — setzt wie quasi alle anderen Kontaktverfolgungs-Apps weltweit auf Bluetooth. Per in den nächsten Tagen erwarteten Updates für iOS und Android werden Apple und Google die technischen Grundlagen schaffen, damit die Kontaktverfolgung auf allen halbwegs modernen Smartphones funktionieren kann.

Die App wird kontinuierlich eine verschlüsselte ID über Bluetooth aussenden. Befindet sich ein anderes Smartphone mit ebenfalls installierter App für länger als 15 Minuten weniger als 2 Meter entfernt, tauschen die beiden Geräte automatisch ihre jeweils eigene ID mit dem Gegenpart aus. Alle IDs, mit denen man auf diese Art in den letzten drei Wochen in Kontakt war, werden lokal auf dem Smartphone gespeichert. Eine ID lässt keinerlei Rückschlüsse auf die Identität eines App-Nutzers zu. Ziel ist vor allem, mögliche Übertragungen zwischen Fremden zu erkennen — der Sitznachbar in der S-Bahn beispielsweise.

iOS und Android werden bald ein Update bekommen, mit der die Kontaktverfolgung per Bluetooth möglich wird. Ob diese aktiviert werden soll, kann jeder Nutzer selbst entscheiden.
iOS und Android werden bald ein Update bekommen, mit der die Kontaktverfolgung per Bluetooth möglich wird. Ob diese aktiviert werden soll, kann jeder Nutzer selbst entscheiden.
dj

So funktioniert die Benachrichtung

Wird nun ein App-Nutzer positiv auf das Coronavirus getestet, bekommt er vom kantonsärztlichen Dienst einen «Covidcode». Diese Art von PIN ist erforderlich, damit man der App den eigenen Positiv-Status mitteilen und die Benachrichtigung aller Kontakte auslösen kann. Gäbe es einen solchen Code nicht, würden sich wohl einige Nutzer einen schlechten Scherz erlauben und andere Bürger in Angst und Schrecken versetzen.

Bei Mitteilung eines positiven Tests wird die individuelle, verschlüsselte ID an einen vom Bundesamt für Statistik betriebenen Server gesendet. Die Swiss PT-App auf den Geräten aller Nutzer fragt diesen Server regelmässig ab und überprüft, ob eine ID, mit der der eigene Nutzer in letzter Zeit in Kontakt stand, dort als positiv-getestet hinterlegt ist.

Falls ja, bekommt der Nutzer eine Benachrichtigung. Diese ist völlig anonym, den Behörden ist also nicht bekannt, wer Kontakt mit einem Infizierten hatte. Der Nutzer selbst wird auch nur über die Tatsache informiert, dass er Kontakt mit einem Infizierten hatte und nicht, wann und wo dies der Fall war.

Was man mit dieser Information macht, ist dann jedem Nutzer selbst überlassen. Aber natürlich gibt es für solidarische Bürger dann eine moralische Pflicht zur Selbst-Isolation oder der schnellstmöglichen Arrangierung eines Corona-Tests. Eine spezielle Hotline soll hierbei Hilfestellung leisten.



Hohe Akzeptanz nötig

Wie effektiv und genau die Technik der App ist, wird die bald beginnende Testphase hoffentlich zeigen. Aber selbst angenommen, technisch funktioniert alles einwandfrei, wäre die App praktisch nutzlos, wenn sie nicht von einem sehr grossen Anteil der Bevölkerung auch installiert und genutzt wird.

Denn selbst wenn 50 Prozent der Schweizer die App installiert haben — schon eine sehr optimistische Annahme — gäbe es bei einem Zusammenkommen zweier zufällig ausgewählter Schweizer nur eine 25-prozentige Wahrscheinlichkeit (0,5 x 0,5 = 0,25), dass eine potenzielle Infektionsübertragung vom System erkannt wird. Denn natürlich müssen beide Parteien einer Begegnung (der Infizierte und der Noch-Nicht-Infizierte) die App aktiviert haben. Installieren nur 30 Prozent aller Schweizer die App, sinkt diese Wahrscheinlichkeit auf 9 Prozent (0,3 x 0,3 = 0,09).

Begrenzter Erfolg in anderen Ländern

Im generell eher obrigkeitshörigem Singapur haben 1,4 Millionen der 5,8 Millionen Einwohner die dortige Kontaktverfolgung-App heruntergeladen. Selbst wenn alle Downloads auch zu aktiver Nutzung führten, wäre das in dem Stadtstaat nur eine Durchdringung von knapp 24 Prozent. In Australien haben bisher 5,5 von 25 Millionen Einwohnern die App heruntergeladen. Die Apps dieser beiden Ländern bieten allerdings im Gegensatz zur Schweizer Lösung keine vollkommene Anonymität. 

Die Nutzung der Swiss PT-App soll rein freiwillig sein. Ein Zwang wäre ganz abgesehen von den rechtlichen Bedenken auch praktisch nicht umsetzbar. Würde der Bund dann allen Bürgern, die kein Smartphone haben, ein solches zur Verfügung? Würde die Polizei an S-Bahnhöfen oder vor Supermärkten stehen und einzeln die Smartphones kontrollieren?

Der Bundesrat muss also offensichtlich kräftig die Werbetrommel rühren, um an die Solidarität der Eidgenossen zu appellieren und ihnen die App schmackhaft zu machen. Gerade in Zeiten sinkender Infektionszahlen dürfte das nicht ganz einfach werden.

Die Coronavirus-Krise: Eine Chronologie

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