AnalyseWas sich für Facebook, Google und Amazon ändert, wenn Biden siegt
Von Dirk Jacquemien
28.10.2020
In wenigen Tagen wird in den USA gewählt, Joe Biden führt die Umfragen an. Was würde ein Machtwechsel für die grossen Tech-Giganten bedeuten, die die letzten vier Jahre im Schlaraffenland lebten?
Die Trump-Jahre waren exzellent für die grossen amerikanischen Tech-Giganten. Der Aktienkurs von Facebook und Google-Mutter Alphabet hat sich seit seinem Amtsantritt ungefähr verdoppelt, jener von Microsoft, Apple und Amazon sogar etwa verdreifacht. Trump und die Republikaner senkten die Unternehmenssteuer in den USA von 35 auf 21 Prozent, aber selbst diese Rate zahlt kein Tech-Gigant auch nur annähernd.
2017 und 2018 entrichtete Amazon etwa keinen einzigen Cent an Bundes-Unternehmenssteuern und bekam 2018 sogar noch eine Erstattung. 2019 musste Amazon 162 Millionen Dollar zahlen – bei einem Gewinn von 13,9 Milliarden Dollar ergibt das einen effektiven Steuersatz von 1,2 Prozent. Amazon und CEO Jeff Bezos können daher die gelegentlichen wütenden Tweets Trumps in ihre Richtung sicher gut verkraften.
Trumps Anti-Tech-Agenda war nur Show
Überhaupt ist Trumps ständige Agitation gegen die grossen Tech-Konzerne fast reine Performance. Wenn er dann mal vorgibt, gegen sie vorgehen zu wollen, entpuppen sich Verordnungen und Ähnliches als reine Papiertiger. So etwa seine Anordnung im Frühsommer, mit der der imaginären Unterdrückung konservativer Stimmen auf Social-Media-Plattformen Einhalt geboten werden sollte – diese hatte keinerlei Rechtswirkung. Und selbst Trumps Missmanagement der Corona-Pandemie war nicht schlecht für die Tech-Giganten, die gestärkt aus der Krise hervorgehen werden, während die restliche Wirtschaft leidet.
Was die Tech-Konzerne wirklich fürchten, ist eine stärkere Regulierung und eine Eindämmung ihrer Marktmacht. Dahingegen hat die Trump-Regierung bis ganz kürzlich überhaupt nichts unternommen. Einzig vergangene Woche, unmittelbar vor der Wahl, kündigte das Justizministerium eine Klage gegen Google an, wegen vermeintlichen Marktmissbrauchs bei der Suchmaschine.
Wie also würde es den Tech-Giganten unter einem allfälligen Präsidenten Joe Biden ergehen? Zum einen werden sie wohl ein wenig stärker zur Kasse gebeten. Biden will den Unternehmenssteuersatz auf 28 Prozent anheben und damit die Trump'sche Senkung zur Hälfte rückgängig machen. Wesentlich diffuser ist die Situation bei Regulierungen und Kartellverfahren, die auf die Unternehmen zukommen könnten. Wir zeigen nachfolgend, was den einzelnen Firmen blühen könnte.
Facebook muss sich warm anziehen
Am meisten zu verlieren bei einem Biden-Sieg hat wohl Facebook, was selbst CEO Mark Zuckerberg gegenüber Mitarbeitern einräumte. Das Unternehmen hat es sich mit dem Demokraten in den letzten Jahren komplett verscherzt. Es begann mit der Wahl 2016, als Facebook eine massive russische Desinformationskampagne zum Nachteil Hillary Clintons nicht erkannte und nicht gegen sie vorging. Dann folgte der Cambridge-Analytica-Skandal. Bei Anhörungen im Kongress dreschten die Demokraten auf Zuckerberg ein – da sie jedoch in der Opposition waren, konnten sie nicht viel mehr ausrichten.
Zuckerberg, der sich aus der Tagespolitik vor Trumps Amtszeit grösstenteils herausgehalten hatte, involvierte sich nun persönlich und setzte auf eine Appeasementtaktik. Er ging auf geheime Dinner mit Trump und tauschte sich regelmässig über WhatsApp mit dessen Schwiegersohn Jared Kushner aus. Bei Algorithmen zum Newsfeed wurde darauf geachtet, dass konservative Inhalte weiter deutlich gegenüber solchen aus linksliberalen Quellen überwiegen.
Erst in den letzten Monaten zeigten sich kleine Risse in der Facebook-Front für Trump. So wurde etwa der Pro-Trump Verschwörungskult QAnon, der erst durch Facebook gross werden konnte, von der Plattform verbannt. Ausserdem wurden erstmals Facebook-Posts von Trump wegen Corona-Desinformation gelöscht. Beobachter vermuten, dass sich Facebook angesichts steigender Umfragewerte für Biden bereits auf einen Regierungswechsel vorbereite und auf der Zielgerade versuche, noch ein wenig Goodwill zu erzeugen.
Grösste Gefahr für Facebook ist die von vielen Demokraten, allerdings nicht Biden direkt, formulierte Forderung nach einer Zerschlagung des Unternehmens. Instagram und WhatsApp könnten dann wieder unabhängige Firmen werden. Ein solches Vorgehen wäre ein Nuklearangriff auf Facebook, gegen den sich das Unternehmen erbittert vor Gericht wehren würde. Da Trump die US-Gerichte in seiner Amtszeit allerdings mit erzkonservativen, regulierungsfeindlichen Richtern vollbesetzt hat, könnte er Zuckerberg sogar noch vom Ruhestand aus beistehen.
Amazon zeigt Widerspruch der Trump'schen Politik auf
Am Beispiel Amazon zeigt sich besonders deutlich die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Trump'schen Politik gegenüber Big Tech. CEO Jeff Bezos gehört zu den Lieblingsfeinden von Trump, steht da fast auf einer Ebene mit Hillary Clinton und Barack Obama. In regelmässigen Abständen wettert Trump gegen Bezos auf Twitter, sein Hass scheint allein der Tatsache geschuldet, dass der Amazon-Chef auch Eigentümer der «Washington Post» ist.
Deren Berichterstattung ist Trump regelmässig ein Dorn im Auge, er nennt sie durchgehend «Amazon Washington Post» und überträgt so seinen Hass von der Zeitung auf Amazon. Fast in Bernie -Sanders-Manier hält er Amazon dann die niedrigen Steuerzahlungen – zu der die eigene Steuerpolitik entscheidend beigetragen hat – vor oder beschwert sich, dass der staatliche Postdienst Amazon-Pakete zu Gefälligkeitspreisen transportiere.
In der Praxis juckt das alles Amazon eher wenig. Der einzige Punkt, bei dem Trumps Bezos-Antipathie dem Unternehmen geschadet haben könnte, war bei der Vergabe eines 10 Milliarden schweren Cloud-Vertrags des Verteidigungsministeriums. Diese Ausschreibung hatte Microsoft gewonnen, Amazon klagt allerdings gegen das Vergabeverfahren und wirft der Regierung vor, dabei politisch gehandelt zu haben.
«Union Guy» gegen reichsten Mann der Welt
Biden versteht sich als «Union Guy», also als ein Freund der Gewerkschaften. Die haben bei Amazon einen ganz schweren Stand. Das Unternehmen geht teilweise mit Geheimdienstmethoden gegen sie vor, um eine Gewerkschaftsbildung in den Lieferzentren zu verhindern. Aktivisten und Organisatoren werden regelmässig mit offensichtlich fadenscheiniger Begründung entlassen. Hier dürften von Biden ernannte Arbeits- und Justizminister in Zukunft sehr viel genauer hinschauen, wobei sich auch Amazon Hoffnung auf Rückendeckung durch die Trump-Richter machen kann.
In der jüngsten Kongressanhörung konzentrierten sich die Demokraten zudem auf die Behandlung von Dritthändlern auf Amazon. Der Firma wurde unter anderem vorgeworfen, vertrauliche Geschäftsdaten abzugreifen, um die Dritthändler beim Preis zu unterbieten und besonders populäre Produkte als Eigenmarke nachzumachen. Hier wäre es vorstellbar, Amazon dazu zu zwingen, keine Eigenprodukte mehr auf der Plattform zu verkaufen.
Google ist schon im Visier
Google ist wie erwähnt der einzige Tech-Gigant, den die Trump-Regierung mit einer Kartellklage beglückt hat. Auf persönlichen Druck von Justizminister Barr wurde sie vergangene Woche eingereicht. Unterstützt wird die Trump-Regierung dabei von republikanisch regierten Bundesstaaten. Hauptsächlich befasst sich die Klage mit Googles Dominanz bei der Websuche. Die Firma habe Browser- und Smartphone-Hersteller mit Zuckerbrot und Peitsche dazu gebracht, Google zur Standard-Suchmaschine bei ihren Produkten zu machen, so der Vorwurf, und damit ein illegales Monopol aufgebaut.
Prinzipiell wird das Vorgehen gegen Google auch von Demokraten unterstützt. Von ihnen regierte Bundesstaaten schlossen sich der Klage allerdings vorerst nicht an, vor allem weil sie das Timing so kurz vor der Wahl für suspekt halten. Viele Demokraten wollen allerdings noch weitergehen und Google auch wegen seines Online-Werbegeschäfts generell verklagen. Hier hat das Unternehmen zusammen mit Facebook ein De-facto-Duopol.
Apple hat wenig zu befürchten
Apple-Chef Tim Cook, von Trump liebevoll «Tim Apple» genannt, ging sehr diplomatisch mit dem Präsidenten um. Mit gemeinsamen Auftritten in «Made in America»-Fabriken von Apple konnte er Trump bei Laune halten, ohne gleich die Wut der Demokraten auf sich zu ziehen.
Der von Trump angezettelte Handelskrieg mit China hat Apple ein wenig geschadet, aber selbst bei den Strafzöllen auf Importe aus China konnten Apples Lobbyisten zahlreiche Ausnahmen sicherstellen. Das Positive an Trumps Amtszeit durch die Steuersenkungen überwiegt massiv. Besonders geholfen hat Apple auch eine spezielle Provision im Trump'schen Steuergesetz, die eine Rückholung von im Ausland geparkten Gewinnen zu einem stark reduzierten Steuersatz möglich machte. 200 Milliarden Dollar konnte Apple damit abgreifen und grösstenteils für Aktienrückkäufe verwenden, die den Kurs nach oben trieben.
Da das bereits erledigt ist, dürfte sich für Apple bei einem Machtwechsel eher wenig ändern. Bei Apple scheint es auch eine geringere regulatorische Bedrohung als bei Amazon, Facebook und Google zu geben. Vor allem die Kontrolle über den App Store dürfte hier im Mittelpunkt stehen, darauf hatten sich zumindest die demokratischen Kongressabgeordneten jüngst eingeschossen. Allfällige gesetzliche Verpflichtungen, hier mehr Konkurrenz zuzulassen, dürften für Apple aber verkraftbar sein.
Was ist mit den chinesischen Unternehmen?
Als Teil seiner Kampagne, vom eigenen Versagen in der Coronakrise abzulenken, hat sich Trump nochmals verstärkt auf China und chinesische Unternehmen eingeschossen. Prominentestes Beispiel aus dieser Zeit ist wohl die hochpopuläre Videoapp TikTok des Pekinger Unternehmens ByteDance. Mit mehrere Verordnungen wollte Trump einen Zwangsverkauf an ein US-Unternehmen erzwingen oder alternativ die App gleich ganz verbieten.
Dabei ging er aber so stümperhaft vor, dass ein von ihm selbst ernannter Richter die Verordnung per einstweiliger Verfügung erst mal ausser Kraft setzte. Entsprechend in der Schwebe sind auch die Verkaufsgespräche mit Oracle und Walmart. Aus freien Stücken würde ByteDance TikTok wohl nicht verkaufen und sieht wohl keine Veranlassung, hier Fakten zu schaffen, solange es vor Gericht noch Hoffnung gibt. Unmittelbar nach der Wahl soll es die nächste Anhörung geben.
Joe Biden sagt, er habe «ernsthafte Bedenken» zu TikTok und wolle eine «Sicherheitsprüfung» durchführen. Das klingt deutlich weniger martialisch als bei Trump und deutet nicht darauf hin, dass Biden besonders scharf darauf ist, mit einem Verbot Millionen junge Amerikaner zu vergraulen. Er könnte sich durchaus mit einem Kompromiss, bei dem etwa ein amerikanisches Unternehmen die tatsächliche Kontrolle über amerikanische Nutzerdaten bekommt, zufriedengeben. Entsprechende Szenarien sollen ja bereits vor Trumps Verbotsankündigung zwischen ByteDance und Microsoft diskutiert worden sein.
Auch wenn Biden nicht der bevorzugte Kandidat der Generation Z auf TikTok war – das war wohl Bernie Sanders – sorgt der Hass auf Trump bei den jungen Amerikanern dafür, dass der 77-jährige Demokrat überwiegend positiv gesehen wird. Biden selbst hat seinen Mitarbeitern verboten, TikTok zu nutzen, weshalb die Kampagne offiziell auf der Plattform nicht vertreten ist. Inoffizielle Fanaccounts gibt es aber zuhauf. Prominenteste Vertreterin aus dem Biden-Orbit auf TikTok ist wohl Meena Harris, die Nichte der Vizekandidatin Kamala Harris, die knapp 400’000 Follower hat.
Wenig Hoffnung für Huawei
Deutlich weniger Hoffnung auf Besserung unter Biden wird sich wohl Huawei machen können. Die US-Sanktionen gegen das Unternehmen, die das internationale Geschäft Huaweis dezimiert haben, geniessen im Kongress überparteiliche Unterstützung. Dass Biden hier wertvolles politisches Kapital zum Wohle Huaweis ausgeben würde, erscheint extrem unwahrscheinlich.
Verkompliziert wird Huaweis Situation noch durch ein anhängiges Strafverfahren gegen die Tochter des Firmenchefs Ren Zhengfei wegen vermeintlicher Verletzungen von Sanktionen gegen den Iran sowie Industriespionage. Meng Wanzhou sitzt seit fast zwei Jahren in Kanada fest und kämpft gegen ihre Auslieferung – Ausgang offen. Auch hier erscheint es ausgeschlossen, dass Biden in ein laufendes Verfahren eingreifen würde. Bestenfalls die internationale Kampagne zur Ächtung von Huawei, die von Aussenminister Mike Pompeo fanatisch vorangetrieben wurde, könnte sich in einer Biden-Regierung etwas abschwächen.
Auf eine baldige Besserung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen im Allgemeinen, von der auch Huawei profitieren könnte, sollte man aber nicht unbedingt wetten. Biden mag zwar nicht ganz so an destruktiven Handelskriegen gelegen sein wie Trump. Menschenrechtsfragen wie die Unterdrückung der Uiguren und der Demokratiebewegung in Hongkong, die Trump ziemlich egal sind, dürften aber bei einer demokratischen Regierung mehr in den Vordergrund rücken und eine Normalisierung der Beziehungen zu China erschweren.
Wird Biden das alles auch umsetzen?
Kurz erwähnt werden sollte auch noch der fünfte grosse US-Tech-Konzern im Bunde, Microsoft. Dieser hat sich in den letzten Jahren erfolgreich von Kontroversen ferngehalten. Und obwohl sich, etwa beim Browser Edge oder der Coworking-Software Teams, wieder erste Anzeichen des alten, monopolitisch agierenden Microsoft zeigen, scheint es derzeit keine grosse Bedrohung für Microsoft von Regierungsseite aus zu geben. Um sicherzustellen, dass das so bleibt, gehören Microsoft-Manager auch zu den grössten Wahlkampfspendern für Biden.
Entscheidend für die Zukunft der Tech-Giganten wird sein, ob die Demokraten auch beide Kammern im Kongress kontrollieren werden –, wenn nicht, wird ein Grossteil der Biden-Agenda nicht umsetzbar sein. Dann wird es auch sicherlich Druck geben, inmitten der schlimmsten Wirtschaftskrise seit fast hundert Jahren nicht auch noch gegen erfolgreiche US-Firmen vorzugehen. Erste Priorität für Biden wäre wohl die Kontrolle des Coronavirus und der Wiederaufbau der Wirtschaft – erst danach kommen die Tech-Konzerne dran.