Klage steht bevorTwitter will Musk zwingen, Twitter zu übernehmen
dpa
12.7.2022 - 10:46
Hat Twitter zu viele Fake-Accounts? Mit dieser Begründung will Elon Musk den 44-Milliarden-Dollar-Deal aufkündigen. Belegen kann er das bislang aber nicht – und Twitter positioniert sich juristisch.
12.07.2022, 10:46
DPA/dj
Twitter stellt die Weichen für eine juristische Auseinandersetzung mit Tech-Milliardär Elon Musk um dessen Versuch, die Übernahme des Online-Dienstes abzublasen.
Twitters Anwält*innen hielten in einem Brief an Musks Rechtsvertreter*innen fest, seine Aufkündigung des Deals sei aus Sicht des Unternehmens «ungültig und unrechtmässig». Twitter habe anders als von Musk behauptet nicht gegen die Übernahmevereinbarung verstossen, heisst es in dem veröffentlichten Schreiben. Hingegen verletze Musk mit seinem Rückzieher die Übereinkunft wissentlich und absichtlich.
Musk beschwert sich über angebliche Fake-Accounts
Musk hatte am Freitag mitgeteilt, dass er von der Vereinbarung zum Kauf von Twitter für rund 44 Milliarden Dollar zurücktrete. Zur Begründung verwies er auf seine bisher nicht belegten Behauptungen, dass Twitter deutlich mehr Fake-Accounts habe als die vom Unternehmen stets genannte Schätzung von weniger als 5 Prozent.
Seine Anwälte führten unter anderem an, Twitter sei seiner Pflicht aus dem Vertrag nicht nachgekommen, Musk den nötigen Datenzugang zur Überprüfung der Zahlen bereitzustellen. Twitter kündigte bereits an, am offiziellen Sitz des Unternehmens im Bundesstaat Delaware vor Gericht gehen zu wollen.
Im Vertrag ist eine Konventionalstrafe in Höhe von einer Milliarde Dollar vorgesehen, die bei Rückzug aus der Übernahme zu zahlen ist. Doch Twitter hat noch eine andere, für Musk deutlich teurere Karte, die es vermutlich ziehen wird. Es kann vor Gericht beantragen, Musk dazu zu verdonnern, den Vertrag genau so umzusetzen, wie er unterschrieben wurde.
Diese Forderung nennt sich «specific performance» und ist ein ziemlich archaisches Rechtsprinzip, das heutzutage eher selten angewendet wird, da es grösstenteils durch Schadenersatz bei Vertragsbrüchen ersetzt wurde. Im zuständigen Delaware Court of Chancery jedoch, seinerseits ebenfalls eine archaische Institution, wird «specific performance» noch angewendet.
Rechtsexpert*innen bewerten Twitters Chancen als sehr gut, vor diesem Gericht zu obsiegen. Denn die Übernahmevereinbarung ist ziemlich vorteilhaft für Twitter formuliert.
Musk wirft Twitter vor, bei den Bot-Zahlen geschummelt zu haben und zudem nicht genug Daten herausgerückt zu haben. Für den ersten Punkt hat er keinerlei Beweise sondern nur Mutmassungen geliefert. Aber selbst wenn er diesen Vorwurf substantiieren könnte, muss er dann noch darlegen das die hohe Bot-Zahl einen dramatisch negativen Einfluss auf das Twitter-Geschäft hat.
Musks zweiten Vorwurf bestreitet Twitter. Man habe immer alle erforderlichen Daten geliefert und sei bereit, dies auch weiterhin zu tun. Musks immer stärker eskalierende Forderungen nach Daten erscheinen eher als Vorwand, um Gründe für ein Platzen des Deals zu konstruieren.
Was will Musk wirklich?
Trotz der scheinbar guten Ausgangslage für Twitter liegt es im Interesse des Unternehmens, noch eine gütige Einigung zu finden. Ein langwieriger Rechtsstreit bringt viele Unsicherheiten mit sich.
Das Problem dabei ist, dass niemand richtig weiss, was Musk wirklich will. Viele Beobachter*innen vermuten, dass Musk mit dem Manöver einfach nur den Preis drücken will. Dann wäre er wohl für Verhandlungen offen. Andere glauben jedoch, Musk sei die Lust am Twitter-Kauf völlig vergangen. Dann würde er wohl alles daran setzen, so billig wie möglich aus der Sache herauszukommen.
Musks Vermögen schrumpft um drei Twitters
Der allgemeine Rückgang bei Tech-Aktien in den vergangenen Monaten hat nicht nur Twitters Wert reduziert, sondern auch das Vermögen von Musk. Die 44 Milliarden Dollar Kaufpreis werden so langsam selbst für ihn zu einer Belastung.
Zu Spitzenzeiten hatte er ein Vermögen auf dem Papier von 340 Milliarden Dollar. Inzwischen sind es «nur» noch rund 220 Milliarden Dollar, also fast drei Twitters weniger. Da ist es fast verständlich, dass er noch ein bisschen um Twitter feilschen will.