Ärger um YouTube-Werbung Warum Google nicht viel besser als Facebook ist

dpa/dj

23.4.2018

Unternehmen beschweren sich, dass ihre Werbung im Zusammenhang mit unangemessenen Inhalten gezeigt wird. Jugendschützer schlagen Alarm wegen irreführender Werbung, der Kinder ausgesetzt sind. Der Druck auf das Google-Unternehmen YouTube wächst.

Facebook ist nicht allein. Zwar steht die soziale Plattform gerade wegen ihres Umgangs mit Kundendaten massiv in der Kritik. Doch auch gigantische Plattformen wie YouTube, andere Google-Dienste und Twitter geraten nun wegen ihrer Methoden beim Einsatz von Werbung in den Fokus. Werbeexperten und Datenschützer beklagen eine «Wild-West-Mentalität» im Internet, wo bei der Werbung bislang weitgehend unbehelligt agiert worden sei. Sie sind überzeugt: Eine Reaktion auf diesen Umgang ist unvermeidbar.

Speziell geht es um zahlreiche Fälle, bei denen Produkte von Unternehmen in Verbindung mit extremistischen Inhalten auf den Plattformen beworben wurden. Wegen Facebooks fragwürdigem Vorgehen musste sich jüngst der Chef des Konzerns, Mark Zuckerberg, den Fragen des US-Parlaments stellen. Vermarkter und politische Akteure hatten mit Daten von Millionen Nutzern die Möglichkeit, gezielt bestimmte Bevölkerungsgruppen zu adressieren.

«Google ist als nächstes dran»

Mit Blick auf YouTube berichtete der US-Fernsehsender CNN zuletzt von mehr als 300 Fällen, in denen Werbung für Konsumgütermarken, Regierungsbehörden und Technologieunternehmen auf Seiten von Neonazis, Verschwörungstheoretikern oder nordkoreanischer Propaganda erschien. Jugendschützer schlagen zudem Alarm, weil Kinder mit ihren Smartphones unangemessenen Videoinhalten und irreführender Werbung ausgesetzt seien.

«Ich bin absolut davon überzeugt, dass Google als nächstes dran ist, was schon lange überfällig ist», sagt Josh Golin, Direktor der Initiative für eine werbefreie Kindheit mit Sitz in Boston. Diese hat bei der US-Handelskommission beantragt, dass YouTubes Werbe- und Datensammelpraktiken untersucht werden sollen. Die Videoplattform gehört zum Google-Konzern.

YouTube hat immer wieder seine Versuche dargelegt, wie man Videos mit Hass, Gewalt, Sex oder schädlichen Inhalten identifiziert und löscht. Doch oft wurde dieses Ziel auch verfehlt. Auch scheint es nicht gelungen zu sein, die Versprechen an Werbekunden zu erfüllen, dass deren Anzeigen nicht mit Inhalten verknüpft werden, die zwar zulässig sind, aber nicht zum Image des beworbenen Artikels passen.

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Film-Werbung bei Nazis

So erklärte der Filmgigant 20th Century Fox am Freitag in einer Mitteilung: «YouTube hat es erneut nicht geschafft, die Kanäle korrekt zu filtern, die unser Marketing gekauft hat.» Zuvor hatte das Unternehmen erfahren, dass seine Werbung bei Videos eines selbsterklärten Nazis gezeigt worden war. YouTube hat dessen Kanal zwar mittlerweile gelöscht. Aber das Filmunternehmen moniert, dass weiterhin nicht beantwortet ist, wie es zu dem Vorfall kommen konnte. Man habe alle Filter aktiviert, um sicherzustellen, dass genau das nicht passiere. Nun fordert Fox Schadenersatz von YouTube.  

YouTube teilte mit, seine Regeln verschärft, Kontrollen verbessert und Transparenz vergrössert zu haben. Werbetreibende könnten entscheiden, dass ihre Werbung nicht in bestimmten Kanälen gezeigt wird. Die Firma arbeite daran, Probleme zu beheben.

Nur kurze Werbeboykotts

Infolge des CNN-Berichts hat bislang erst ein Anbieter seine Werbung bei YouTube zurückgezogen - wenn auch nur kurz. Die Anzeige des Modehändlers Under Armour war in einem Kanal mit Gedankengut weisser Nationalisten zu sehen gewesen. Inzwischen arbeitet das Unternehmen mit der Videoplattform an einer Verfeinerung der Filter für bestimmte Themen und Schlüsselwörter, die solche Vorfälle künftig ausschliessen sollen.

Auch der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, der im März 2017 bei YouTube ausgestiegen war, wirbt dort inzwischen wieder. Allerdings reduzierte er die Zahl der Kanäle, in denen die Werbung gezeigt wird, erheblich - auf weniger als 10'000 von mehr als drei Millionen bestehenden YouTube-Kanälen.

Dabei habe man nicht nur mit YouTube, sondern auch mit anderen Unternehmen gearbeitet, erklärte eine Sprecherin von Procter & Gamble. Der CNN-Bericht habe deutlich gemacht, dass es wichtig gewesen sei, noch über die Pläne von YouTube hinauszugehen und eine bessere Kontrolle darüber zu erlangen, wo die eigene Werbung gezeigt werde.

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Inhalte im Netz werden nicht vorab kontrolliert

Experten sehen das Hauptproblem darin, dass Werbekunden von den enormen Reichweiten und der genauen Ansteuerung von Zielgruppen über die Online-Plattformen angelockt werden. Viele glaubten fälschlicherweise, dass die strengen Standards für das Fernsehen auch für das Internet gelten würden. Dabei werden Inhalte im Internet nicht kontrolliert, wie etwa Robert Passikoff, Präsident des New Yorker Marktforschungsunternehmens Brand Keys, sagt. Und viele Regeln zum Schutz von Kindern, die für das Fernsehen gelten, werden online nicht ebenso pflichtgemäss befolgt.

Weil hochgeladene Inhalte nicht von vornherein kontrolliert werden, wird Werbung meist nur dann von unangemessenen Inhalten entfernt, wenn Werbetreibenden massenhaft mit einem Boykott gedroht wird, sagt Werbeberater Allen Adamson vom Unternehmen BrandSimple. Die Reaktion in den sozialen Medien bereite Kopfzerbrechen.

Zugleich sind viele Politiker überfordert, mit den neuen Entwicklungen schrittzuhalten. Das zeigte sich unter anderem daran, wie schlecht oder falsch informiert sich viele Senatoren und Kongressabgeordnete bei der Befragung von Facebook-Chef Zuckerberg präsentierten. «Wir sind noch in der Anfangsphase, in der wir versuchen, herauszubekommen, welche Art von Regulierung Sinn ergibt», sagt Marketing-Professor Larry Chiagouris von der Pace University in New York. «Es wird noch einige Zeit brauchen, bis man das ins Lot gebracht hat.»

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