Neues PhänomenWas ist ein Chatbot und was will er von mir?
dj
7.9.2018
Immer mehr Unternehmen setzen für ihre Kundenberatung auf Chatbots statt menschlicher Angestellter. Bedeutet dies einen Leistungsabbau oder profitieren die Kunden am Ende davon?
Besonders auf Online-Shops fallen sie auf: Die Chatfenster, auf denen man zum Stellen von Fragen animiert wird. Obwohl die vermeintlichen Chatpartner hier normale, menschliche Namen tragen, kommen die Antworten dort meistens von Chatbots. Das sind Programme, die dazu geschrieben sind, mit Menschen zu kommunizieren. Sie beantworten rund um die Uhr und auch an Feiertagen Fragen zu Öffnungszeiten oder geben erste Support-Hinweisse.
Chatbots sollen in der Lage sein, Konversationen wie Menschen durchzuführen. Bisher meistens nur in Textform, aber langsam aber sicher auch in Sprachausgabe, wie etwa bei Amazon Alexa und ähnlichen Diensten. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz werden Chatbots immer besser. Doch was können Sie derzeit wirklich leisten?
Wie versteht ein Roboter, was ich will?
Chatbots setzen auf das «Natural Language Processing» (NLP), als das Verständnis natürlicher Sprache. Zu verstehen, was Menschen wirklich wollen, wenn sie etwas sagen, gehört für Computer immer noch zu den grössten Herausforderungen. Denn Sprache ist komplex und Computer müssen sie so annehmen, wie sie im Alltag genutzt wird. Denn wenn man nur in formalistischen Subjekt-Prädikat-Objekt-Sätzen mit Chatbots kommunizieren kann, ist deren Nützlichkeit doch stark eingeschränkt.
Mit dem so genannten «Maschine learning», einem viel benutzten Schlagwort bei Technologie-Unternehmen, sollen die Bots klüger werden. Je mehr Interaktionen mit Menschen sie dabei haben, desto besser, da die Computer so etwa Muster erkennen und ihre eigenen Reaktionen anpassen können. Dass das aber bisher meistens nicht so klappt wie gewünscht, musste Microsoft 2016 lernen. Damals liess es den Chatbot «Tay» auf Twitter los und bat Nutzer darum, Gespräche mit diesem anzufangen.
Doch Tay bekam natürlich nicht nur die freundlichen Seiten des Netzes zu sehen und wurde daher in kürzester Zeit zu einem, in den Worten des «MIT Technology Review», «Neo-Nazi Sexbot», der plötzlich nur noch vulgäre und rassistische Tweets absetzte. Microsoft beendete dieses Experiment daher verständlicherweise schnell wieder.
Wow it only took them hours to ruin this bot for me.
— ℤoë “Haute Topic” ℚuinn (@UnburntWitch) March 24, 2016
Hat es Google geknackt?
Mit komplexen Interaktionen sind Chatbots also in der Regel immer noch überfordert. So wurden etwa auch mehrere Unternehmen dabei erwischt, dass hinter ihren vermeintlich durch Künstliche Intelligenz angetriebenen Bots in Wirklichkeit Mitarbeiter aus Fleisch und Blut waren.
Einen grossen Schritt in dieser Sache schien aber Google in diesem Jahr gemacht zu haben, als es auf seiner Entwicklerkonferenz I/O neuen Sprachfunktionen des Google Assistant demonstrierte. Konkret wurde dort gezeigt, wie der Google Assistant selbstständig bei Friseuren und Restaurants anruft und Reservierungen vornimmt. In den Anrufen gab sich der Chatbot nie als solcher zu erkennen und baute stattdessen Verlegenheitslaute und Interjektionen wie «äh» oder «Mmm-mm» ein, um Menschlichkeit vorzutäuschen.
Ethische Fragen bleiben offen
Im Saal selbst führte das wie gesehen zu Begeisterung, in der Nachberichterstattung wurden allerdings kritische Stimmen immer lauter. So sei es ethisch schwer zu vertreten, die Angerufenen nicht darüber zu informieren, dass sie mit einem Computer reden. Ausserdem wurden die Gespräche zwangsläufig auch aufgenommen, was in den meisten Ländern illegal ist. Inzwischen hat Google seine Vorgehensweise hier geändert, und informiert Gesprächspartner klar über den Charakter des Bots:
Wann die neuen Features des Google Assistants wirklich verfügbar sein werden, ist allerdings noch unklar. Neben Restaurantreservierungen sind dann möglicherweise auch andere Anwendungen vorstellbar, etwa «Google, ruf meine Freundin an und sag, dass es vorbei ist.» Irgendwann wird die Frage zu Chatbots dann nicht mehr sein, ob sie etwas können – sondern ob sie es auch wirklich tun sollen.
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