Antisemitismus oder Protest?Darum soll Macklemore am Gurtenfestival plötzlich gecancelt werden
Lea Oetiker
17.4.2025
Der Rapper Macklemore.
IMAGO/NurPhoto
US-Rapper Macklemore soll im Sommer am Gurtenfestival auftreten. Damit sind aber nicht alle einverstanden. Grund dafür sind zwei seiner Lieder über den Krieg in Gaza.
Am 16. Juli 2025 soll US-Rapper Macklemore am Gurtenfestival in Bern auftreten – doch sein Auftritt sorgt für Kritik. Grund dafür: Dem 41-Jährigen werden antisemitische Aussagen in einzelnen Liedern vorgeworfen.
So erhielt die Festivalleitung und die Migros als Hauptsponsor einen offenen Brief. Darin fordern bislang 40 Unterzeichnende aus der ganzen Schweiz – darunter auch Politikerinnen und Politiker wie Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch –, das Engagement Macklemores nochmals zu überdenken.
Doch auf was für Aussagen bezieht sich die Kritik überhaupt?
Um welche Lieder geht es?
Konkret geht es um die beiden Lieder «Hind’s Hall» und «F*cked up». Beide Lieder beschäftigen sich mit dem Gaza-Konflikt. Dabei stellt sich Macklemore auf die Seite der Palästinenser und macht auf die aktuelle Situation aufmerksam. Die Einnahmen, welche er durch die beiden Songs generiert, spendet er an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNWRA).
«Hind's Hall» erschien im Mai 2024. Darin drückt der Rapper seine Unterstützung für die propalästinensischen Proteste an US-amerikanischen Hochschulen gegen den Krieg in Gaza aus.
Demonstrierende forderten ihren Universitäten auf, aufgrund des israelischen Vorgehens im Gaza-Krieg ihre Verbindungen zu israelischen Einrichtungen abzubrechen. Mehr als 2'300 Studierende wurden verhaftet. Viele von ihnen drohte der Rauswurf und ein Hausverbot.
Proteste an der Columbia University waren prominent. Dort besetzten Aktivisten die Hamilton Hall und benannten das Gebäude in «Hind's Hall» um, zu Ehren von Hind Rajab , einem sechsjährigen palästinensischen Mädchen, das in Gaza-Stadt zusammen mit ihren Verwandten und Sanitätern, die ihr zu Hilfe kamen, von israelischen Streitkräften getötet wurde.
In «Hind's Hall» rappt Macklemore von Israel als Kolonialmacht. Er kritisiert die US-Finanzhilfe für Israel und bezeichnet die israelische Politik gegenüber den Palästinensern als Apartheid und Völkermord. Er verurteilt Spenden von proisraelischen Lobbygruppen an US-Politiker und wirft Präsident Biden Mitschuld am Leid in Gaza vor, weshalb er ihn 2024 nicht wählen will. Der Rapper fordert einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg, kritisiert das Schweigen der Musikindustrie und thematisiert weisse Vorherrschaft sowie das Verbot von TikTok. Zudem unterscheidet er zwischen Antizionismus und Antisemitismus. Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wird nicht erwähnt.
Übrigens erschien ein paar Monate später Hind's Hall 2. Darauf rappt Macklemore zusammen mit anees, MC Abdul und Amer Zahr über die Situation in Palästina. Doch dieser Song scheint in der Debatte kaum thematisiert zu werden.
Der zweite Song heisst «fucked up». Er erschien im Februar 2025. Darin kritisiert der Rapper Kapitalismus, soziale Ungleichheit und die US-Politik im Gaza-Konflikt. Er prangert Milliardäre und Ressourcen-Monopole an, zeigt zerstörte Gazaviertel im Video und thematisiert Medienzensur.
Besonders umstritten ist jedoch eine Szene im Musikvideo. Die Gegenüberstellung eines jüdischen Jungen aus dem Warschauer Ghetto mit einem Kind aus Gaza löste Vorwürfe der Holocaust-Relativierung aus.
Der Israelitische Gemeindebund stufte den Holocaust-Vergleich letzte Woche gegenüber SRF als antisemitisch ein. Die anderen kritisierten Äusserungen sieht die Vereinigung jedoch lediglich als «sehr polemisch».
Was sagt das Gurtenfestival?
Eine Absage kommt für die Verantwortlichen des Gurtenfestivals nicht infrage, wie sie der «Berner Zeitung» auf Anfrage mitteilen.
Man verurteile generell Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus. Die Organisatoren stellten sich jedoch auf den Standpunkt, dass Kritik an Israels Politik nicht per se antisemitisch sei. Sie beziehen sich dabei auf die Holocaust-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance, schreibt die Zeitung weiter. Zudem setze sich Macklemore regelmässig für Respekt gegenüber allen Religionen und Ethnien ein.
Philip Bessermann, Geschäftsleiter der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, widerspricht dieser Einschätzung entschieden. Zu «Blick» sagt er, dass Kritik an Israel legitim sei, aber «es scheint mir, als hätte Macklemore jedes Mass verloren. Wer sich so engagiert für Palästina äussert, sollte eine Grenze kennen, bevor legitime Kritik in Hass umschlägt. Diese Grenze hat er nun überschritten.»
Bessermann kritisiert insbesondere, dass jüdische Stimmen, die auf Bedrohungen hinweisen, übergangen würden. Dies zeuge von einer «bewussten oder unbewussten Blindheit gegenüber antisemitischen Realitäten».
Die Migros will sich nicht dazu äussern.
Was sagt Macklemore?
Macklemore hat sich bisher nicht zu den Antisemitismus-Vorwürfen geäussert.
Wie ist die Situation im Ausland?
Nicht nur in der Schweiz äussern kritische Stimmen ihre Bedenken, auch in Deutschland geraten Festivalveranstalter unter Druck, dem Rapper abzusagen.
Beispielsweise am Deichbrand-Festival. Der deutsche Zentralrat der Juden warnt, dass das Festival für Jüdinnen und Juden nicht sicher sei. Der Rapper verharmlose den Holocaust und verknüpfe seine rassistische Haltung mit «kruder Kritik an Israel» und verschweige dabei den Auslöser des Krieges im Gazastreifen. Das berichtet die «Nordsee Zeitung».
Mehr Videos aus dem Ressort
«Wie im Mittelalter»: Mit einer jungen Zürcherin an der Landsgemeinde
Der blue News-Auszubildende Lucas lädt seine Kollegin Anna auf die Landsgemeinde in Appenzell ein. Warum nur Männer mit dem Degen abstimmen dürfen und ob Gruppenzwang die Wahl beeinflusst, erfährst du im Video.