«Schatz, jetzt sind die Weiber dran» Sie ist der neue Stern am Rap-Himmel – und spaltet die Gemüter

Lea Oetiker

29.3.2025

Die Rapperin Ikkimel spaltet die Meinungen.
Die Rapperin Ikkimel spaltet die Meinungen.
Instagram/ikkimel42

Mit ihrem Debütalbum «Fotze» kämpft die Rapperin Ikkimel gegen patriarchale Strukturen und polarisiert zugleich. Ihre Musik und Auftritte spalten die Meinungen: Ist das noch Feminismus oder blosse Provokation?

Lea Oetiker

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ikkimel ist der neue Stern am deutschen Rap-Himmel.
  • In ihrer Musik provoziert sie mit expliziten Texten und kontroversen Bühnenshows. Dabei kehrt sie traditionelle Geschlechterrollen um und kritisiert die männliche Dominanz.
  • Aktuell ist sie mit ihrem Debütalbum «Fotze» auf Tour.

«Ein Mann bleibt ein Mann und ein Hund bleibt ein Hund», rappt die deutsche Rapperin Ikkimel in ihrem Song «Böser Junge». Dabei sperrt sie einen männlichen Fan bei ihrer Live-Show in Wien in einen Käfig, zieht ihm einen Hundekopf über und peitscht ihn aus. «Schnauze halten, Leine an, Schatz, jetzt sind die Weiber dran», singt sie weiter.

Eine Frau, die rappt, ist auch heute noch eine Provokation im deutschen Hip-Hop. Warum sonst gibt es so wenige? Aber, eine Frau, die unverblümt, derb und mit Erfolg über Sex rappt, ist ein Skandal. Was ihre männlichen Kollegen selbstverständlich machen, polarisiert bei Frauen so gut wie jedes Mal.

Im Moment erregt vor allem Ikkimel die Gemüter. Sie ist gerade mit ihrem Debütalbum «Fotze» auf Tour. Auch in der Schweiz hatte sie in den letzten Wochen zwei ausverkaufte Konzerte.

Doch wer ist Ikkimel, die aktuell am meisten diskutierte Rapperin in der deutschen Hip-Hop-Szene?

Drogen, Sex, Partys und das «Atzentum»

Ikkimel heisst eigentlich Melina Gaby Strauss. Wie alt sie ist, weiss man nicht. Sie wird aber auf Anfang 20 geschätzt. Aufgewachsen ist sie in Berlin-Tempelhof.

Bevor sie die Bühne eroberte, absolvierte sie einen Kombinations-Bachelor in Deutscher Philologie und Sozial- und Kulturanthropologie mit dem Schwerpunkt Sprachwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Ihre Ausbildung zeigt sich in ihren cleveren Wortspielen und ihrem gekonnten Umgang mit Sprache.

Ihre Texte sind bekannt für ihre Direktheit und Provokation. Sie rappt offen über Themen wie Drogen, Sex, Partys oder das «Atzentum». Dabei bedient sie sich einer stark sexualisierten Sprache. Doch damit bricht sie auch gesellschaftliche Tabu-Themen. Denn sie will mit ihrer Musik provozieren und den Status Quo infrage stellen. Sie kritisiert die männerdominierte Rap-Szene, indem sie deren Klischees aufgreift und überspitzt darstellt. Ikkimel entlarvt mit ihrem Stil die Absurditäten der Musikindustrie und parodiert gleichzeitig das traditionelle Mackertum im Rap.

In ihren Liedern sollen Männer «Fresse halten» und «Absätze lecken». Sie selbst bezeichnet ihre Musik ganz bewusst vulgär «Fotzenstyle». Zu ihrem Bühnenprogramm gehören nicht nur provokante Texte, sondern auch Alkohol, Dildos und Knutschereien auf der Bühne.

Eine explosive Mischung

Ihr musikalischer Stil lässt sich am besten als eine explosive Mischung aus Hip-Hop, Techno und Hyperpop beschreiben. Seit Anfang 2022 experimentiert sie mit diesem Genre-übergreifenden Sound, der Elemente aus der Berliner Rap-Schule mit Einflüssen aus der Techno- und Psytrance-Szene.

Mit ihren Texten und ihrer Musik will Ikkimel gegen das Patriarchat ankämpfen. Das stellt sie in mehreren Interviews klar. Dem ZDF sagte sie, dass sie dem «Patriarchat den Kampf angesagt hat» und «gegen alles, was Frauen unterdrücken möchte.»

«Grundsätzlich ist die Kritik gegen das Patriarchat und das ist halt eben männerdominiert und von Männern gemacht», sagt Ikkimel. «Da kann ich verstehen, wenn manche Frauen sagen: ‹Ja gut, je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr hasse ich sie auch›. Grundsätzlich finde ich eher, dass wir zusammenarbeiten sollten und gucken, wo wir eigentlich hin wollen und wo es langgeht.»

@zdf

Für einige vielleicht etwas vulgär, für andere befreiend. 🙏 💻 Die Sendung „aspekte: Welchen Feminismus brauchen wir?“ beleuchtet den aktuellen Feminismus aus verschiedenen Perspektiven, von der Selbstermächtigung im Fall Pélicot über Tradwives bis hin zum Gegenentwurf als “B*tch” oder “F*tze*, wie im Fall von Ikkimel. Jetzt im #ZDF streamen. #zdfmediathek #whattowatch #ikkimel #jiggy #interview #feminismus

♬ Originalton - ZDF

Internalisierte Misogynie als Kritik

Und die Rapperin hat Erfolg. Sie kam aus dem Nichts, ihre Karriere geht steil. Sie zählt Millionen Streams auf Spotify und füllt Konzertlocations. Ihre feministische Kunst wird von ihren Fans gefeiert. Besonders auf Plattformen wie Tiktok findet ihre Musik grossen Anklang. Dort hat sie über 237'000 Followerinnen. Ausschnitte ihrer Songs gehen regelmässig viral und lösen Debatten aus.

Trotz ihres Erfolgs muss sich Ikkimel auch Kritik stellen. Einige Kritiker*innen werfen ihr internalisierte Misogynie vor. Konkret heisst das, dass sie ungewollt sexistische Ansichten oder Verhaltensweisen verinnerlicht und reproduziert. «Einige finden auch, dass das unmöglich feministisch sein kann, eine Platte ‹fotzig› zu nennen», konfrontiert sie die ZDF-Journalistin. «Ja, die können aber auch mal die Fresse halten», kontert Ikkimel schmunzelnd zurück.

Sie habe das Wort nicht reclaimen – also etwas positiv zurückzugewinnen oder wiederzuerlangen – wollen, aber irgendwie sei es ihre Art. «Ich denke mir halt so: Ich bin ne geile Fotze. Was soll ich machen?»

Umkehrung traditioneller Machtverhältnisse

Und genau diese Art feiern auch ihre Befürworter*innen. Sie sehen in ihren Texten eine Form des Empowerments. Eine Umkehrung traditioneller Machtverhältnisse und eine Ermächtigung weiblicher Sexualität.

Vor Ikkimel haben bereits einige Künstlerinnen im deutschsprachigen Raum ähnliche provokante und sexuell explizite Inhalte in ihrer Musik thematisiert. Eine direkte Vorgängerin war die Rap-Gruppe SXTN, bestehend aus Juju und Nura, die mit ihren freizügigen Texten und kontroversen Auftritten Aufsehen erregten. SXTN behandelte in ihren Songs ebenfalls Themen wie Partys, Drogen und Sex aus einer weiblichen Perspektive.


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