Danke, Nemo, wir sind ESC!
Nemo gewinnt den Eurovision Song Contest 2024 in Malmö. Damit holt das Bieler Ausnahmetalent den grössten Gesangswettbewerb der Welt in die Schweiz. Eine Video-Hommage an die erste non-binäre Person, die den ESC gewonnen hat.
11.05.2024
Nemo hat den Eurovision Song Contest 2024 gewonnen. Ein Blick auf die Geschichte zeigt: Ein ESC-Sieg bedeutet viel Ehre, aber nur selten weitere Charts-Erfolge. Bleibt auch Nemo ein internationales «One-Hit-Wonder»?
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- «Was ist bloss mit Nemo los?», fragte diese Woche der «Tages-Anzeiger». Und der «Blick» doppelte nach: «Wie weiter mit Nemo?»
- Nachdem das Bieler Poptalent den Eurovision Song Contest 2024 gewonnen hat, träumte manch ein Fan bereits von einer internationalen Karriere.
- Ein Blick auf die Geschichte des grössten Musikwettbewerbs der Welt zeigt jedoch: Ein ESC-Sieg bedeutet nicht in jedem Fall viel Rückenwind für die Karriere einer Künstlerin oder eines Künstlers.
- Nimmt sich Nemo ein Beispiel an der schwedischen Popband Abba, dann kommt es gut – wenn auch mit etwas Verzögerung.
«Noch während in Malmö der güldene Sieger-Glitzerregen über Nemos Haupt niederprasselte, war man sich in der Branche einig, dass auch die internationale Karriere Nemos von Glitzer und Gloria begleitet sein dürfte», schrieb der «Tages-Anzeiger» diese Woche.
Das ist nett geträumt. Aber auch Hinweis darauf, dass «die Branche» in diesem Moment die Gegebenheiten des Eurovision Song Contest komplett ausser Acht gelassen hat.
ESC-Insider wissen: Die Mehrheit der Sieger*innen des weltweit grössten Musikwettbewerbs erleiden jedes Jahr das gleiche Schicksal. Sie bleiben international gesehen ein «One-Hit-Wonder».
Nemo begeistert mit Witz, Charme und Extravaganz
Genau, ein ESC-Sieg bedeutet nicht in jedem Fall Rückenwind für die internationale Karriere eine*r Künstler*in. Nemo wäre nicht das erste Poptalent, dem der ESC kurzfristig viel Ehre, aber keinen längerfristigen Ruhm einbringt.
Seit dem Sieg im schwedischen Malmö hat Nemo eine einzige Single veröffentlicht. Mit knapp zwei Millionen Streams auf Spotify und mit etwas mehr als 850'000 Aufrufen bei Youtube blieb der Song «Eurostar» hinter den Erwartungen «der Branche» zurück.
Dieser Tage sollte die Europa-Tournee von Nemo starten. Doch aufgrund der Arbeit an einem neuen Album wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass sie auf Ende des Jahres verschoben wird.
Derweil sucht Nemo in der Wahlheimat London ein neues Management. Die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs mag Musik made in Switzerland: Kurz nach dem ESC-Sieg war Nemo zu Gast in der «The One Show» auf BBC One und begeisterte mit Witz, Charme und modischer Extravaganz.
Nemo braucht mehr Zeit, um «wieder grossartig» zu werden
Aktuell glaubt manch einer in «der Branche» zu wissen, dass Nemos Karriere ins Stolpern geraten ist. «Während die Euphorie für den ESC in Basel steigt, sinkt der Hype um Nemo immer mehr», behauptet der «Blick».
«Seither hat sich der gleissende Optimismus um Nemo ein bisschen abgedunkelt», schreibt der «Tages-Anzeiger».
Zerstört der ESC-Sieg die Kreativität von Nemo?
Von wegen.
Das 25-jährige Poptalent aus Biel sang bisher vor allem auf Berndeutsch. Künftig soll Englisch die Hauptsprache sein. So ein Wechsel braucht aber Zeit, wie der «Tages-Anzeiger» richtig schreibt:
«Bei Nemo stellt sich die Frage, was auf einen stilistisch so wunderbar konfusen Hit wie ‹The Code› folgen könnte.»
Nemo sagt dazu auf Instagram: «Ich habe erkannt, dass grosse Projekte ihre Zeit brauchen. Wenn ich mir nicht die nötige Zeit für neue Musik nehme, wird sie nicht das Potenzial haben, grossartig zu werden.»
Abba konnte nach dem ESC lange keinen Hit mehr landen
Wer weiss, vielleicht nimmt sich Nemo ein Beispiel an Abba. Die internationale Karriere der schwedischen Band begann vor 51 Jahren mit dem Lied namens «Waterloo» – was so viel wie «vernichtende Niederlage» bedeutet.
Das war beim Eurovision Song Contest, damals noch Grand Prix d’Eurovision de la Chanson, am 6. April 1974 im englischen Seebad Brighton.
Seither wird immer wieder behauptet: Der ESC-Sieg habe die Schweden über Nacht zu Weltstars gemacht. Nur: «Die Branche» weiss, dass das nicht stimmt.
Momoll, «Waterloo» war ein Hit. Abba schaffte es damit auch in den USA in die Top 10 der Charts. Aber konnte die Band auch direkt daran anschliessen? Nein. Sage und schreibe 18 Monate lang platzierte Abba danach keinen Hit in den internationalen Charts.
Maneskin gingen nach dem ESC-Sieg auf Welttournee
Bleibt die Frage: Ist der ESC eine gute Startrampe für eine Karriere als weltweit erfolgreiche*r Musiker*in? Wer auf die Liste der Sieger*innen der vergangenen Jahre zurückblickt, muss sagen: nein.
Oder sagt dir der Name Duncan Laurence noch etwas? Der Niederländer gewann 2019 des ESC.
Und wann gewann nochmals Måns Zelmerlöw den ESC? 2015 für Schweden.
Na ja, vielleicht erinnerst du dich noch an Netta. Die Sängerin aus Israel gewann 2018 ESC. Heute verdient sie ihr Geld als Hochzeitssängerin und ist Jurymitglied in einer israelischen Castingshow.
Ja, es gibt aber auch Sieger*innen, die nach ihrem Erfolg am ESC eine Weltkarriere gemacht haben. Allen voran Céline Dion, die vor 36 Jahren den ESC für die Schweiz gewann.
Auf Welttournee gingen auch Måneskin. Die italienischen Glamrocker*innen gewannen den ESC 2021 Jahren und gehören heute zu den weltweit erfolgreichsten Rockbands.
Darum klappte es doch noch mit der Weltkarriere von Abba
Und so darf sich auch Nemo weiterhin berechtigt Hoffnungen machen, dass der Sieg am ESC als Boost wirken wird. Manchmal braucht es einfach Geduld und etwas Glück, wie die Geschichte von Abba zeigt.
Warum es 18 Monate nach dem ESC-Sieg doch noch mit der Weltkarriere des schwedischen Popquartetts klappte? Schuld sind die Australier*innen – und der Song «Mamma Mia».
Das Lied wurde anfänglich nur in «Down Under» als Single veröffentlicht und erreichte dort am 3. November 1975 Platz eins der Hitparade. Zehn Wochen verharrte der Song ganz vorne und löste am anderen Ende der Welt eine richtige «Abbamania» aus.
Wochen später schwappte diese bis nach Europa rüber – und so kam es, dass «Mamma Mia» am 13. Dezember 1975 auch in Grossbritannien auf Platz eins kletterte. In der Schweiz und Deutschland geschah das eine Woche später.
Der Rest der Geschichte ist nicht nur «der Branche», sondern weltweit bekannt: Nach «Mamma Mia» folgten 19 weitere Hits von Abba, jener Popgruppe, die bis heute mit ihrer Musik weltweit die Menschen glücklich macht.
Momoll, Nemo, wir glauben an dich.
Mehr Videos aus dem Ressort
«Was brauche ich zum Popstar?» – «Ein, zwei Stunden»
Als Kind träumte er davon Popstar zu werden. Jetzt hat er sich den Traum erfüllt: blue News Redaktor Bruno Bötschi ging ins Tonstudio, um einen Song aufzunehmen.
16.11.2021