Schonungsloses Porträt Die neue Sisi ist grausam, toxisch – und am Ende auch verletzlich

Von Manuel Kellerhals

31.3.2023

Der neue Film «Sisi & Ich» hat nichts gemein mit dem traditionellen Prinzessinnen-Traum, für den die legendäre Kaiserin lange stand. Stattdessen wird das Leben am Hof – und mit ihr – zum Albtraum. 

Von Manuel Kellerhals

31.3.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • «Sisi & Ich» ist der neue Film über Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn.
  • Der Film von Frauke Finsterwalder will die Prinzessinnen-Fantasie rund um Sisi entzaubern.
  • In den Hauptrollen sind Sandra Hüller und Susanne Wolff zu sehen. 

«Dicke Menschen und Männer will ich nicht um mich.»

Mit diesem Satz eröffnet Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn – besser bekannt als Sisi – ihrer neuen Hofdame Irma Gräfin Sztáray von Sztára in «Sisi & Ich», dass sie in Zukunft auf strenger Diät sein wird.

Sisi selbst will in dem Film nur Fleischbrühe und Apfeltee zu sich nehmen. Nach nächtlichen Fressattacken übergibt sie sich ins Waschbecken.

Die extreme Essstörung der legendären Kaiserin ist nicht das einzige, was der Film schonungslos zeigt.

Frauen-Kommune auf griechischer Insel

Hauptfigur Gräfin Irma (Sandra Hüller) stösst zu Sisi, als diese sich in Griechenland vor den strengen Gepflogenheiten des kaiserlichen Hofs versteckt. Auf der Insel Korfu lebt sie in einer Art Kommune und hat beinahe nur Frauen um sich. Diese verehren die Kaiserin dabei wie eine Sektenführerin.

Und das, obwohl Sisi hier immer wieder grausame Züge zeigt. Irma muss zur Begrüssung in der Hitze Griechenlands mit Sportprüfungen zeigen, «wie schnell sie ist». Ein Glas Wasser wird ihr verwehrt. Wird die Ehefrau von Kaiser Franz Joseph I. zu grob gekämmt, rammt sie ihren Untergebenen die Fingernägel in den Arm. Dennoch verliebt sich die Gräfin unsterblich in die «schönste Frau Europas».

Diese einseitige Liebe bietet die Bühne für den Rest des Films, der den Mythos Sisi in seinen Grundfesten erschüttern will. 

Besonders spannend sind dabei die vielen Seiten der Adeligen. Sisi ist oft böse, oft brutal. Wie sie sich gegenüber ihren Hofdamen verhält, würde heute wohl einen Missbrauchsskandal auslösen. Aber Sisi ist auch charismatisch. Man kann die Faszination ihrer Kommunen-Mitglieder für sie nachvollziehen.

Vor allem, wenn man später im Film sieht, wie das kaiserliche Monster überhaupt entstand. Zurück am Wiener Hof wird sie selbst zum Opfer. Unterdrückt von Patriarchat und starren Regeln, von denen sie eigentlich entkommen wollte, verliert sie jeden Lebensmut. 

Die spürbare Faszination entsteht zum einen dank der exzellenten Darstellung durch Schauspielerin Susanne Wolff. Zum anderen hilft auch die Kreativität, mit dem Regisseurin Frauke Finsterwald die letzten Jahre der Kaiserin in Szene setzt. Pop-Songs anstatt Orchester, lesbisches Verlangen anstatt Traumprinzen – so hat man Sisi noch nie gesehen. 

Dabei liegt die Kaiserin eigentlich wieder im Trend. Zwei TV-Serien und ein Kino-Film erschienen allein im vergangenen Jahr. Umso bemerkenswerter, dass «Sisi & Ich» dem Leben von Elisabeth von Österreich-Ungarn noch einmal so viel Neues abgewinnen kann. Und den Mythos Sisi damit doch irgendwie am Leben hält.

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