SRF-Moderator nach Rap-Sendung «Es tut mir leid, wie viele homophobe Aussagen gefallen sind»

Von Manuel Kellerhals

26.4.2022

Am Wochenende massen sich über 80 Schweizer Rapper im SRF-Virus-Studio miteinander. Dabei gab es nicht nur clevere Reime und kreative Wortspiele – sondern auch Homophobie und Frauenfeindlichkeit.

Von Manuel Kellerhals

26.4.2022

«Ich zücke die Pumpgun und dann halte Abstand, du Gay.» «Ich inseriere deine Mum auf Tutti ohne Gebühren. Denn die Schlampe ist heftig wie Broschüren.» «Sie lutschen wie F**gots.» «Ich bin ein verdammter Pimp, turne die Lesben straight.» 

Das sind nur einige der Aussagen, die am 21. April in der «SRF Virus Bounce Cypher» fielen. Der Jugendsender des Schweizer Radios versammelt einmal im Jahr bekannte Rapper*innen und aufstrebende Newcomer*innen der Schweiz bei sich im Studio. 

In einer knapp siebenstündigen Session messen diese ihr Können. Die Sendung wurde sowohl live im Radio als auch über YouTube gesendet.

Nachdem der Instagram-Kanal «srfarchiv» einen Zusammenschnitt von Aussagen wie den zu Beginn genannten veröffentlichte, wurde im Netz aber nicht mehr nur über das Können der Teilnehmer*innen diskutiert. 

Stattdessen steht die Frage im Raum, ob SRF Virus als gebührenfinanzierter Radiosender solchen Aussagen eine Plattform bieten darf. Und wieso es 2022 immer noch dazu kommt. 

«Ich finde es sehr schade, dass Sexismus und Homophobie in der Szene immer noch so vorkommen», sagt etwa Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross, der Dachorganisation für schwule und bisexuelle Männer, zu blue News. 

«Schwul mit dumm oder schwach gleichzusetzen, ist völlig daneben. Es ist traurig, dass diese Gleichung heute immer noch zu finden ist.»

Moderatoren griffen nicht ein

Besonders fragwürdig: Die Moderatoren Pablo Vögtli und Livio Carlin reagierten während der Sendung auf fast keine der fragwürdigen Lines. «Sie haben die Verantwortung, dass man dagegen klar vorgeht», sagt Heggli dazu. «Es muss betont werden, dass es so etwas nicht mehr geben darf.»

In der Nachbesprechung der Sendung streiften die Moderatoren dann das Thema Diskriminierung zwar, gingen aber nicht in die Tiefe. «Ich bin müde davon, über Homophobie im CH-Rap zu sprechen», sagte stattdessen der Zürcher Rapper Semantik auf Kritik von der Rap-Expertin Mira Weingart.

Roman Heggli schüttelt bei solchen Sätzen den Kopf: «Für uns Betroffene ist die Situation noch viel ermüdender. Man muss sich in solchen Situationen beispielsweise einen jungen, queeren Jugendlichen vorstellen, der merkt, dass er schwul ist. Wenn er dann noch Rap mag, wird er durchgehend damit konfrontiert, dass Homosexualität nicht cool ist. Das ist eine enorme psychische Belastung.»

Pablo Vögtli entschuldigt sich

Inzwischen hat sich Moderator Pablo Vögtli auf Instagram wegen der Aussagen der von ihm gebuchten Rapper entschuldigt. «Wir müssen über die dunkle Seite des Cyphers sprechen», sagt er in einer Videobotschaft auf Instagram. «Es tut mir weh und es tut mir leid, wie viel homophobe und sexistische Aussagen an dem Cypher gefallen sind.» Die diskriminierenden Zeilen seien «ein Armutszeugnis».

Aber warum sind die Aussagen dann immer noch online zu finden? Auf dem YouTube-Profil von SRF-Virus kann man sich jeden Rap-Part anschauen – egal wie diskriminierend er ist. Auf Anfrage von blue News antwortet das SRF nicht direkt auf diese Frage.

Stattdessen betont SRF-Senior-Producer Alpcan Özkul dass man zukünftig «den Diskurs mit der Szene» verstärken wolle. Aber: «Der Cypher ist ein offenes Zusammentreffen von Rapper*innen aus unterschiedlichen Szenen und bildet ein Ausschnitt der Schweizer Rap-Kultur ab. Wir möchten nicht zensieren und der Kreativität der rund hundert Rapper*innen freien Lauf lassen.» 

Der Entschuldigung von Pablo Vögtli schliesst sich das SRF «voll und ganz» an: «Wir sind uns der Problematik einzelner Texte, die am Cypher vorgetragen wurden, bewusst und diskutieren diese intern auch – jedes Jahr, bei jedem Cypher. Dass solche Texte im Jahr 2022 noch vorgetragen werden, ist bedauerlich.»