Oscar-Rekord mit 90 Jahren James Ivory: Oscar-Rekord mit 90 Jahren

von Barbara Munker, dpa

30.5.2018

Bei den diesjährigen Oscars stellte James Ivory einen Rekord auf.
Bei den diesjährigen Oscars stellte James Ivory einen Rekord auf.
Bild: Keystone

Auf seinen Oscar hat James Ivory lange gewartet. Im März wurde der Regisseur von «Zimmer mit Aussicht» und «Was vom Tage übrig blieb» mit dem prestigeträchtigen Filmpreis gekürt – dabei stellte er einen Rekord auf. Mit 90 Jahren packt er nun ein neues Drehbuch an.

Mit einem Gehstock trat James Ivory im März auf die Oscar-Bühne, um Hollywoods höchsten Preis in Empfang zu nehmen. Bei der 90. Oscar-Gala stellte der weisshaarige US-Regisseur einen Rekord auf. Mit 89 Jahren ist er in der Geschichte der Academy Awards der älteste Preisträger, der die Trophäe im Wettbewerb gewinnt. Nur einige Ehren-Oscar-Empfänger waren schon älter. Am Donnerstag, 7. Juni, feiert er sein rundes Jubiläum.

«Einen Oscar in diesem Alter zu gewinnen, ist wie ein Schluckauf der Natur»

Nicht als Regisseur, sondern als Autor wurde der Filmemacher ausgezeichnet, für das adaptierte Drehbuch zu der Liebesromanze «Call Me By Your Name». Mit fast 90 Jahren für irgendeine Arbeit einen Preis zu bekommen sei schon «aussergewöhnlich», jubelte Ivory nach der Gala backstage vor Journalisten. «Einen Oscar in diesem Alter zu gewinnen, ist wie ein Schluckauf der Natur», scherzte der Preisträger. Er freue sich besonders über die Wertschätzung als Autor, schliesslich habe er im Laufe seiner Karriere an vielen Drehbüchern mitgeschrieben.

Als Regisseur war er zuvor dreimal für den Oscar nominiert gewesen – für «Zimmer mit Aussicht» (1987) und «Wiedersehen in Howards End» (1993), beide nach den Romanen von E.M. Forster, und für die Literaturverfilmung «Was vom Tage übrig blieb» (1994). Seine Vorliebe für literarische Vorlagen, schwelgerisch-romantische Schauplätze und viktorianische Gesellschaftsdramen machen Ivory vielleicht zum «unamerikanischsten» Regisseur in Hollywood.

Auf der Oscar-Bühne zollte Ivory seinen verstorbenen Filmpartnern Tribut, der britischen Autorin Ruth Prawer Jhabvala (1927 - 2013) und dem indischen Produzenten Ismail Merchant (1936 - 2005). Diesen Preis habe er ihrer fast 50-jährigen Zusammenarbeit zu verdanken, sagte Ivory. Mit Merchant, der auch sein Lebenspartner war, gründete er die Firma «Merchant Ivory Productions», eines der am längsten bestehenden Unternehmen des unabhängigen Films. Untrennbar mit den beiden verbunden war Jhabvala, Tochter polnischer Juden, die ihre Kindheit in Köln verbrachte. Sie schrieb fast alle Drehbücher für das Erfolgsduo.

Zahlreiche Kurz- und Spielfilme fernab von Hollywood

Der 1928 in Kalifornien geborene Ivory verbrachte seine Kindheit im ländlichen US-Staat Oregon, wo sein Vater eine Sägemühle betrieb. Dort studierte er zunächst Architektur mit dem Wunsch, Bühnenbildner beim Film zu werden. 1960 ging der begeisterte Dokumentarfilmer nach Indien und blieb nach seiner Begegnung mit Merchant gleich für mehrere Jahre dort.

Fernab von Hollywood drehten sie zahlreiche Kurz- und Spielfilme, vor allem über Indien zwischen westlicher und östlicher Kultur und dem Konflikt von Tradition und Anpassung. Den internationalen Durchbruch schafften Merchant-Ivory 1979 mit der eleganten Verfilmung des Henry-James-Romans «Die Europäer». Während die Darstellungen der englischen Gesellschaft in «Zimmer mit Aussicht» und «Wiedersehen in Howards End» viel Lob einbrachten, kam Ivory mit seinen in Frankreich angesiedelten Filmen «Jefferson in Paris» (1995) und «Surviving Picasso» (1996) bei den Kritikern schlechter weg. Zuletzt führte Ivory 2009 bei «The City of Your Final Destination» Regie. In dem Drama über jüdische Emigranten in Südamerika zur Zeit des Zweiten Weltkriegs spielen Anthony Hopkins und Laura Linney mit.

Mit erotisch aufgeheizter Geschichte zum Oscar

Sein Comeback im Kino schaffte Ivory nun als Ko-Produzent und mit dem Drehbuch für die erotisch aufgeheizte Geschichte «Call Me By Your Name», der er seinen unverwechselbaren Stempel des kultivierten, psychologisch ausgefeilten Erzählens aufdrückte. Es geht um die erste Liebe des Teenagers Elio (Timothée Chalamet), der sich in Italien in den älteren amerikanischen Studenten Oliver (Armie Hammer) verliebt.

Es sei eine universelle Story über die erste Liebe, die hoffentlich jeder verstehen könne, egal ob homo- oder heterosexuell, sagte Ivory in der Oscar-Nacht. Als Autor die Gefühle eines Jugendlichen auszudrücken sei eine «verjüngende Erfahrung» gewesen. Er würde viel über seine eigene Jugend nachdenken.

Ganz im alten Stil

An den Ruhestand denkt er auch mit 90 Jahren offensichtlich nicht. Für Regisseur Alexander Payne («Downsizing», «Sideways») werde er in diesem Jahr das Drehbuch für den Film «The Judge's Will» verfassen, verriet Ivory dem Filmportal «Deadline.com». Vorlage ist die letzte Kurzgeschichte, die seine langjährige Kollegin Ruth Prawer Jhabvala vor ihrem Tod schrieb. Die 2014 veröffentlichte Geschichte dreht sich um eine Ehefrau, die mit der langjährigen Geliebten ihres todkranken Mannes konfrontiert wird.

Ivory mag am Schreibtisch voller Energie sein, doch in einem Punkt ist ihm das Alter doch anzumerken. «Ich kann nicht auf einem Computer schreiben», erzählte er im Januar dem Filmblatt «Hollywood Reporter». Er würde erst handschriftlich vorschreiben und sich dann – ganz im alten Stil – an die Schreibmaschine setzen.

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