Interview Sebastian Koch: «Ich fahre gerne auf dem Motorrad durchs Engadin»

dpa

4.10.2018

Er spielt einen eiskalten Professor im Oscar-nominierten Film «Werk ohne Autor». Im Interview verrät Sebastian Koch, was ihn an dieser Rolle besonders reizt, welche Vorbilder er hat und was ihn mit der Schweiz verbindet.

Der deutsche Schauspieler Sebastian Koch (56) blickt inzwischen auf unzählige nationale sowie internationale Kino- und Serien-Erfolge zurück. In «Werk ohne Autor» steht Koch nun in einer neuen Charakterstarken Filmrolle vor der Kamera. Im Gespräch mit «Bluewin» spricht er über die Herausforderung, den eiskalten Professor Carl Seeband zu spielen, die Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart, Wege zum Glück und was ihn mit der Schweiz verbindet.

Am 4. Oktober startet der Kinofilm «Werk ohne Autor» mit Ihnen als Professor Carl Seeband, in dem es auch um das Wesen der Kunst geht. Glauben Sie, dass es für einen Künstler förderlich ist, zerrissen zu sein oder Brüche in der Biografie zu haben? Anders gefragt: Ist es für einen Künstler schlecht, zu glücklich zu sein, zu sehr in sich zu ruhen?

Brüche in der Biografie scheinen tatsächlich fast eine Voraussetzung für wahre Kunst zu sein. Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben ausgedrückt. Aber ich glaube schon daran, dass Kunst aus einem gewissen Leidensdruck entsteht. Der Druck sucht sich ein Ventil – und dadurch entsteht eine enorme Kraft, sich kreativ auszudrücken. Wenn da was rumort, hat das eine andere Energie, als wenn alles irgendwie im Gleichgewicht ist. Wenn man die Biografien grosser Künstler liest – wie die des französischen Lyrikers Arthur Rimbaud oder des französischen Dramatikers Jean Genet, um nur zwei zu nennen – bestätigt sich das ja eindeutig

Sebastian Koch: Auf der Leinwand eiskalt

Oscarpreisträger Florian Henckel von Donnersmarck, der Regisseur von «Werk ohne Autor», glaubt, jedes grosse Kunstwerk sei ein Stoff gewordener Beweis dafür, dass es möglich ist, ein Trauma in etwas Positives zu verwandeln. Inwiefern ist das auch Ihre persönliche Erfahrung? Wie hat die Tatsache, dass Sie als Schauspieler verschiedene Leben leben, Ihnen bei der Bewältigung Ihrer eigenen Biografie geholfen?

Dass man Schauspieler wird, hat sicherlich auch damit zu tun, dass es etwas zu verarbeiten gibt, dem man Ausdruck verleihen will. Ich denke, das ist bei mir auch der Fall.

Von Donnersmarck, mit dem Sie eine enge Freundschaft verbindet und unter dessen Regie Sie bereits als Hauptdarsteller den Welterfolg «Das Leben der Anderen» gedreht haben, wurde unter anderem durch Leben und Werk des deutschen Malers Gerhard Richter zu «Werk ohne Autor» inspiriert. Haben Sie in Ihrer Arbeit als Schauspieler ein künstlerisches Vorbild?

Idole habe ich eher nicht in meinem Leben. Aber natürlich gibt es Schauspieler, die ich sehr gerne mag – und das sind meistens die, die einen ganz eigenen Weg gefunden haben. Die nicht in Kopie arbeiten. Die in der Auswahl ihrer Rollen sehr präzise sind und bei sich bleiben. Für mich persönlich finde ich es richtig, zu gucken: Wo ist mein Weg? Was passt damit zusammen? Mit welchen Leuten will ich mich vier Monate lang an einen Stoff wagen? Und: Ist der Stoff stark genug, dass er erzählt werden, dass er in die Welt getragen werden muss? Das sind meine Ansätze bei der Auswahl der Rollen, die ich spiele.

Ihre Figur des Seeband wird von Florian Henckel von Donnersmarck als «Ungeheuer» charakterisiert, als «eiskalt und dominant». Sie selbst haben über die Figur gesagt, Seeband strahle «keinerlei Wärme aus, keine Empathie». Würden Sie sich selbst als empathischen Menschen bezeichnen?

Wenn man Kinder hat, geht es doch gar nicht ohne Empathie – also zumindest in meinem Leben ist das so. Ich bin privat sehr weit weg von diesem Professor Seeband. Das hat es auch so spannend gemacht, die Rolle zu spielen. Zu überlegen, wie verkörpere ich diese Gefühlskälte, diese Ausgeburt an Disziplin und Kontrolle. Dieser Mann kommt in den Raum, und die Temperatur sinkt um ein paar Grad, und man fühlt – er ist da. So einen extremen Menschen nicht zur Karikatur werden zu lassen, sondern ins Detail zu gehen, die Wurzeln einer solchen Biografie zu erforschen, zu gucken: Wo ist denn die Not, der Druck, aus dem dieser Charakter entsteht? Das fand ich interessant.

Sebastian Koch stellt am 14. Zurich Film Festival seinen neuen Film «Werk ohne Autor» vor, 2018.
Sebastian Koch stellt am 14. Zurich Film Festival seinen neuen Film «Werk ohne Autor» vor, 2018.
Bild: Getty Images

«Werk ohne Autor» erzählt eine Familientragödie, die sich über drei Jahrzehnte deutscher Nachkriegsgeschichte erstreckt. Was ist für Sie ein Grund, sich für Geschichte zu interessieren?

Ich glaube, dass Geschichte immer eine grosse Bedeutung hat, weil sich Dinge so oft wiederholen. Es ist wohl ein ganz menschliches Problem, dass man aus Fehlern nicht klug wird. Man kann und muss aus der Geschichte aber eben doch lernen. Was in der Vergangenheit passiert ist, ist ja ein Teil der Energie, die immer noch im Raum ist. Mit dieser Essenz muss man umgehen, und immer wieder zwischen gestern und heute eventuelle Parallelen festzustellen, und aufpassen, dass man nicht wieder in dieselben Fallen tappt.

Sind Sie privat jemand, der eher nach hinten oder nach vorne blickt?

Ich bin jemand, der oft zurückguckt – eben, um zu untersuchen, ob ich irgendwas hätte besser machen können. Wenn ich fühle, dass da etwas schiefgelaufen ist, versuche ich sicher, das in der Zukunft besser zu machen und aus meinen Fehlern zu lernen. Ansonsten wünsche ich mir natürlich, nur im Hier und Jetzt zu leben.

Welche Umstände müssen gegeben sein, dass Sie Glück verspüren?

Wenn sich um mein kleines Häuschen in Brandenburg draussen am See die Nacht auf das Wasser legt und es ganz still wird, die Natur sich schlafen legt, sind das grosse Glücksmomente. In einem anderen Moment kann mich dasselbe Szenario aber vielleicht auch bedrohen. Die Frage nach dem Glück ist ganz schwer zu beantworten. Ich wünsche natürlich jedem, dass er glücklich ist – aber: Was ist denn Glück? Das ist doch immer relativ. Andauernd glücklich zu sein, das gibt es ja nicht, eine Illusion die die Werbung und Kleingeister am Leben erhalten. Es gibt immer eine Art Gegenbewegung. Nicht aufs Glücklich sein zu bestehen, ist, glaube ich, ein guter Ansatz für ein zufriedenes Leben.

Zu guter Letzt: Was verbindet Sie mit der Schweiz?

Schoki! (lacht) Ich war zu Beginn meiner Karriere, von 1986 bis 1990, am Staatstheater Darmstadt engagiert, während meine Freundin in Basel Theater gespielt hat. Damals war ich natürlich oft in der Schweiz. Und ich fahre immer wieder gerne mit Freunden auf dem Motorrad durchs Engadin – das ist so wunderschön! Was mir noch einfällt: Als Kind habe ich leidenschaftlich gern Ovomaltine getrunken.

«Werk ohne Autor» mit Sebastian Koch läuft am Donnerstag, 4. Oktober, in den Schweizer Kinos an.

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