Neuverfilmung von «Dumbo» Was für ein Zirkus um diesen animierten Elefanten

Marlène von Arx

28.3.2019

Zirkus ohne abgerichtete Elefanten? Das geht auch bei «Dumbo», sagte sich Tim Burton. Wie der Filmemacher den Disney-Klassiker aus dem Jahr 1941 modernisierte, zeigt sich beim Setbesuch.

Es ist ein grauer Herbsttag und ein Set-Besuch ausserhalb Londons angesagt. Deckname: «Big Ears». Die grossen Ohren gehören aber nicht etwa einem Mitglied der königlichen Familie, sondern «Dumbo», dem fliegenden Elefanten.

Für die Live Action Adaption des animierten Disney-Klassikers gibt Tim Burton in den neuen Pinewood-Ost Studios den Dompteur hinter der Kamera. Von Kopf bis Fuss schwarz gekleidet und mit zerzaustem Haar, stellt sich der Regisseur auf die Bande einer kleinen Manege und instruiert per Mikrophon die Statisten in den Zuschauerrängen. Sobald die Stunt-Person mit Elefantenmaske via Trampolin auf der Matte am Boden landet, soll enthusiastisch applaudiert werden. Alles klar? Und Action!

Burtons Version von «Dumbo» spielt 1919 in Florida. Der Trickreiter Holt Farrier (Colin Farrell) kommt invalid aus dem 1. Weltkrieg zum Zirkus und zu seinen beiden Kindern Milly und Joe (Nico Parker, Finley Hobbins) zurück. Seine Frau ist während des Kriegs an der Spanischen Grippe gestorben. Zirkus-Direktor Max Medici (Danny DeVito) musste die Pferde verkaufen. Dem kleinen Familien-Unternehmen geht es schlecht. Max investiert das letzte Geld in eine trächtige Elefantenkuh, aber statt eines Streichelzoo-Stars kommt ein Junges mit überdimensionierten Ohren zur Welt.



Als Holts Kinder realisieren, dass es damit fliegen kann, wird Dumbo vom Aussenseiter zur Goldgrube, und alsbald interessiert sich auch der zwielichtige Vergnügungspark Impresario V. A. Vandevere (Michael Keaton) und seine Geliebte, die Trapez-Künstlerin Colette Marchant (Eva Green), für den Dickhäuter.

Ausser den Kostümen ist nur wenig echt

Opulent sind die Sets und 1’500 Kostüme, die von der vierfachen Oscar-Preisträgerin Colleen Atwood für die vielen Zirkusartisten und Zuschauer des hyper-stilisierten Films entworfen wurden. Dafür sieht man auf dem Set kein einziges Tier. Ausser den Kurzauftritten von Pferden, Hunden und einer Schlange, stammen alle Tiere in «Dumbo» aus dem Computer: «Ich habe mit Tieren gearbeitet, aber mit Wildtieren drehen finde ich grausam», so Tim Burton im Interview später. «Und nicht nur für die Tiere selber: 1992 bei ‹Batman Returns› hat ein Affe Danny DeVito fast die Eier weggebissen.»

Also Affen und Elefanten sind nicht echt, sondern animiert und auf dem Set manchmal stellvertretend von einem CGI-Performer, Animatronics oder einem Anhaltspunkt in Tennisball-Grösse «gespielt». Auch die Geschichte um den gehänselten Dumbo erforderte ein Update: «Ein Reboot ist eigentlich nur interessant, wenn ein Generationenwechsel stattgefunden hat», so der Drehbuchautor Ehren Kruger. «Heute betrachtet man den Zirkus und Tiere als Zirkus-Performer anders als 1941, als der Zeichentrickfilm in die Kinos kam. Die Geschichte musste für die heutige Sensibilität angepasst werden.»

Die computeranimierte Sonne

Eine weitere Zutat zur Magie eines Tim-Burton-Films enthüllt Hauptdarsteller Colin Farrell in einer Drehpause: «Wir haben überhaupt nichts draussen gedreht, aber 40 bis 60 Prozent des Films spielt unter freiem Himmel, mit Sonnenauf- und Sonnenuntergängen. Auch der Einzug in den Vergnügungspark wurde alles in einem Studio gedreht – mit 600 Statisten, acht Model T Ford Autos und fünfzehn Pferden. Wie sich die ganze Action in einem Gebäude bewegt ist gleichzeitig seltsam und wunderschön.»

Eva Green konnte sich hingegen nicht nur auf Spezialeffekte und den Set-Design-Zauber einer Tim-Burton-Fabel verlassen. Sie trainierte mit Trapez-Künstlern und baute die nötigen Muskeln für eine Akrobatin auf. «Tim bat mich, einige Stunts selber zu machen. Ich versprach es zu versuchen, aber garantierte für nichts. Ich habe mich dann aber wirklich selber überrascht. Ich hätte nie gedacht, dass ich mit meiner Höhenangst tatsächlich so abheben könnte.»

Max Medici (Danny DeVito), Milly Farrier (Nico Parker) und ihr Vater Holt (Colin Farrell) während einer Vorstellung.
Max Medici (Danny DeVito), Milly Farrier (Nico Parker) und ihr Vater Holt (Colin Farrell) während einer Vorstellung.
Disney

Das Training nahm sie schliesslich in ihren nächsten Film «Proxima» mit, in dem sie eine Astronautin spielt. Astronauten und Akrobaten hätten viel gemein, hat die Schauspielerin herausgefunden: «Beide leiden offenbar gern für ihre Fitness und bringen für ihre Jobs grosse Opfer.»

Ein Genre mit dem Burton nichts am Hut hat

Von einer makaberen Atmosphäre, die man auf dem Set des Schöpfers von «A Nightmare Before Christmas» und «A Corpse Bride» erwarten könnte, ist weit und breit nichts zu spüren. «Es ist auch nie jemand wütend oder schreit herum», beteuert Nebendarsteller Joseph Gatt, der den unangenehmen «Darth Vader zu Michael Keatons Emperor» verkörpert.

Und Eva Green, Burtons Muse, versteht eigentlich auch nicht, wieso der Filmemacher, der als Bub Kleider seines Bruders in den Swimmingpool warf und ein Nachbarskind davon überzeugte, dass sich der Bruder wegen zu viel Chlor im Wasser aufgelöst hatte, ein seltsamer Vogel sein soll: «Er ist so ein netter, bodenständiger Mensch. Vielleicht ist er ein bisschen anders, aber nicht seltsam, sondern eher sehr sensibel, leidenschaftlich und real. Und er lügt nicht. Mit uns Schauspielern ist er immer sehr offen und darum besorgt, dass es uns wohl ist.»

Tim Burtons Heimat sind eigentlich die absurden Gruselgeschichten mit einer Prise Humor. Nun widmet er sich dem fliegenden Elefanten – von Grusel keine Spur.
Tim Burtons Heimat sind eigentlich die absurden Gruselgeschichten mit einer Prise Humor. Nun widmet er sich dem fliegenden Elefanten – von Grusel keine Spur.
Disney

Und ihm selber? Ist es Tim Burton auch wohl? Der Film ist unterhaltend, stimmt aber auch nachdenklich. Er greift aktuelle soziale Themen auf, wie beispielsweise die Trennung von Kindern und Eltern und deren Folgen. Oder wie kleine Familienbetriebe von der Gier grosser Unternehmen bedroht werden. Erstaunlich ist an «Dumbo» insbesondere, dass der Bösewicht Vandevere einem Vergnügungspark vorsteht, das Disneyland sehr ähnelt – und das in einem von Disney produzierten Familienfilm.

«Ich realisiere gerade, ‹Dumbo› ist wie meine Geschichte mit Disney: Komischer Kauz kommt in dieses Ding und alle sind … happy», sagt Burton, ohne den Faden zu Ende zu spinnen. Schliesslich fügt er noch hinzu: «Fabeln braucht man nicht zu wörtlich zu nehmen, aber wenn sie Fragen aufwerfen, habe ich nichts dagegen.»

Die Kino-Highlights im März
Zurück zur Startseite