Interview Bond-Star Judi Dench: «Ohne M wäre mein Leben anders verlaufen»

Lukas Rüttimann

4.10.2018

Sie ist der Stargast am Zurich Film Festival. Im Interview spricht Judi Dench, 85, über ihre Award-Sammlung, Filme für Senioren – und warum sie sich ein bisschen wie eine Spionin fühlt.

Judi Dench, gestern haben Sie einen Award für Ihr Lebenswerk erhalten. Was machen Sie mit Ihren vielen Auszeichnungen?

Sie meinen, wo ich sie alle hinstopfe? Nun, meine Awards stehen alle auf einem Büchergestell bei mir zu Hause und sehen wirklich sehr schön aus. Ich bin stolz auf sie.

Was bedeutet Ihnen der Golden Icon Award des ZFF?

Es ist eine Ehre. Wissen Sie, es gibt so viele Filme, so viele gute Schauspieler. Es ist nicht selbstverständlich, dass man ausgezeichnet wird. Im Gegenteil – es ist ein unglaubliches Glück. Deshalb bin ich wirklich glücklich mit diesem Award. Auch wenn er ziemlich schwer ist. (lacht)

Sie wirken seit jeher sehr geerdet. Woher kommt Ihre Bescheidenheit?

Für mich ist das in diesem Geschäft eine Grundvoraussetzung. Nur weil ich in der Vergangenheit ein paar tolle Rollen spielen durfte, heisst das nicht, dass ich das auch in Zukunft tun werde. Man steht als Schauspieler oder Schauspielerin auf wackeligen Füssen. Deshalb ist es gut, wenn man in der Nähe des Bodens bleibt.

Spielt Ihre britische Herkunft auch eine Rolle?

Oh ja. Die urenglische Zurückhaltung ist ein Segen. Manchmal wenigstens.

Wie suchen Sie sich Ihre Rollen aus?

Wichtig ist, dass ich mich nicht wiederhole. Ich habe zum Beispiel kürzlich am Theater einen Kobold gespielt. Für diese Rolle wurden mir jeden Morgen in der Maske spitzige Ohren aufgetragen. Das müsste ich nicht mehr so schnell wieder haben.

Sie haben eine lange und beeindruckende Filmkarriere hinter sich. Sind Sie ein nostalgischer Mensch?

Vielleicht bin ich nostalgisch, was den enormen Spass angeht, den wir früher am Set oder auch am Theater hatten. Ich habe zum Beispiel für eine englische Theatergesellschaft gespielt, die als erste Shakespeare-Aufführungen in Westafrika durchgeführt hat. Das war aufregend und auch etwas beängstigend, weil dort jeweils das Publikum auf die Bühne gerannt ist. Es hat aber auch sehr viel Spass gemacht.

Eine Konstante in Ihrem Filmleben sind Spionagefilme. Was fasziniert Sie daran?

Als ich gefragt wurde, ob ich in den James-Bond-Filmen M spielen will, habe ich gezögert. Doch mein Mann sagte damals zu mir: «Judi, das musst du machen. Ich will mit einer Bond-Frau zusammenleben!» Da war der Fall klar. Ich bin heute sehr glücklich, dass ich diesen Schritt gemacht habe. Ohne M wäre mein Leben anders verlaufen. Ich habe mich inzwischen auch mit Leuten vom britischen Geheimdienst getroffen und bin fasziniert von ihrer Arbeit. Ich habe mich selber ein bisschen wie eine Spionin gefühlt.

Ihr neuer Film «Red Joan» ist ein Spionage-Drama und richtet sich wie viele Ihrer letzten Filme an ein älteres Publikum. Gibt es für Kino dieser Art eine Zukunft?

Es gibt sicher einen Markt. Solche Filme machen nicht das grosse Geld am Wochenende, so wie Superheldenfilme und andere Blockbuster. Aber es sind Filme, die man sich unter der Woche anschaut, ­ und die auch länger als eine oder zwei Wochen im Kino laufen sollten. Ich denke, das ältere Publikum wird derzeit mit guten Filmen unterversorgt.

Judi Dench in ihrem neuen Film «Red Joan».
Judi Dench in ihrem neuen Film «Red Joan».
Bild: ZVG

Gedanken an eine Pensionierung haben Sie nicht, weil Sie – wie Sie sagten – «bereits tun, was mir am meisten Spass macht». Wie sieht das Leben von Judi Dench neben der Schauspielerei aus?

Ich bin ein Familienmensch, die Familie ist für mich das Grösste. Leider hat mein Augenlicht stark nachgelassen, weshalb ich kaum mehr lesen kann. Das ist schade. Nicht aufgegeben habe ich die Malerei: Ein paar Stunden malen zu können, das ist für mich ein absoluter Segen.

Haben Sie die Auftritte von Komikerin Tracey Ullman gesehen, die Sie am britischen Fernsehen köstlich parodiert?

Und ob! Tracey Ullman ist grossartig. Sie könnte eigentlich an meiner Stelle hier sitzen und Interviews geben. Dann könnte ich endlich mal die bösen Rollen von ihr übernehmen, die ich sonst nie kriege. (lacht)

Die ganze Filmwelt rätselt, wer den nächsten James Bond spielen soll. Wen wünscht sich seine Ex-Chefin M?

Keine Ahnung. Daniel (Craig, aktueller 007, Anm. d. Red.) sagt zwar immer, dass er aufhören will. Aber ich persönlich denke, dass er ihn noch eine ganze Weile spielen wird. Lassen wir uns überraschen.

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