Junge Zürcherin diskriminiert Menschenwürde von Muslimin verletzt – Stefan Büsser gerügt

Petar Marjanović

20.5.2025

Die Muslimin Vera Çelik war Teil einer missglückten Pointe in der SRF-Sendung «Late Night Switzerland» von Comedian Stefan Büsser.
Die Muslimin Vera Çelik war Teil einer missglückten Pointe in der SRF-Sendung «Late Night Switzerland» von Comedian Stefan Büsser.
Screenshot SRF

Die SRG-Ombudsstelle hat die SRF-Satiresendung «Late Night Switzerland» gerügt. Ein Beitrag über die junge Muslima Vera Çelik verletze laut Einschätzung der Ombudsstelle die Menschenwürde und sei diskriminierend.

Petar Marjanović

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die SRF-Sendung «Late Night Switzerland» hat eine junge Muslima in einem satirischen Beitrag mit Terrorismus in Verbindung gebracht.
  • Die Ombudsstelle sagt: Das verletzt ihre Menschenwürde und ist diskriminierend.
  • Moderator Stefan Büsser hat sich entschuldigt, aber seine Pointe verteidigt.

Die SRG-Ombudsstelle hat die SRF-Comedy-Sendung «Late Night Switzerland» von Stefan Büsser gerügt. In der beanstandeten Folge wurde die Zürcher SP-Jungpolitikerin Vera Çelik, eine junge Muslima mit Kopftuch, im Rahmen einer satirischen Pointe in einen Zusammenhang mit islamistischem Terrorismus gebracht.

Konkret verglich Büsser Çelik mit dem JSVP-Präsidenten Nils Fiechter, der 2016 auf dem Bundesplatz mit Burka und einem gebastelten Bombengürtel für das Verhüllungsverbot demonstrierte. Während Fiechter damals bewusst provozierte, war Çelik lediglich als Interviewpartnerin an einer Jugendveranstaltung zu sehen. In der Sendung wurde sie dennoch in denselben Kontext gestellt.

SRF hat Grundrechte verletzt

Die Ombudsstelle wertet dies als Verletzung der Menschenwürde und als diskriminierend, nachdem insgesamt 514 Personen eine Beschwerde eingereicht hatten. Das Radio- und Fernsehgesetz verpflichtet SRF zur Wahrung der Grundrechte. Beiträge dürfen nicht diskriminierend sein oder zu «Rassenhass» beitragen. Solche Rügen wegen Grundrechtsverletzungen sind selten: 2024 wurde SRF in 81 Fällen wegen Grundrechtsfragen gerügt. In den meisten Fällen – insgesamt 458 – ging es hingegen um Verstösse gegen das Sachgerechtigkeitsgebot.

Laut Ombudsbericht, der blue News vorliegt, ging die Darstellung zu weit: Eine junge Frau in muslimischer Alltagskleidung sei durch die Kombination von Bild und Pointe mit dem Stereotyp einer Selbstmordattentäterin verknüpft worden.

Oder wörtlich: «Sie wurde mit ihrer Identität als muslimische Frau zum Objekt reduziert und durch die verwendete Bidsprache in einen, in der Realität in keiner Weise bestehenden Kontext zum islamistischen Terror gesetzt.» Auch wenn dies nicht beabsichtigt gewesen sei, habe die Darstellung ein diskriminierendes Pauschalurteil erzeugt. 

Zudem sei Çelik zur Zeit der Ausstrahlung keine Person des öffentlichen Interesses gewesen, betont die Ombudsstelle. Sie habe kein öffentliches Amt ausgeübt, ihr Bekanntheitsgrad sei gering gewesen. Die Verwendung ihres Bildes in diesem Zusammenhang habe sie zum Objekt gemacht.

Büsser wollte sich nur teilweise entschuldigen

Moderator Stefan Büsser hat sich nach dem Aufkommen der Kritik öffentlich geäussert – und sich teilweise entschuldigt. In einem Instagram-Video sagte er: «Liebe Vera, dass ich dich mit diesem Joke verletzt habe, tut mir ehrlich leid.» Gleichzeitig verteidigte er jedoch die satirische Intention: Ziel der Kritik sei Nils Fiechters «rassistisches Bild von Muslimen» gewesen. Für diese Pointe könne er sich deshalb nicht entschuldigen.

Einen Fehler erkannte die Redaktion von «Late Night Switzerland» auch nach Einschaltung der Ombudsstelle nicht. «Die Meinungs- und Kunstfreiheit sind ein wichtiges Prinzip in der freien Welt. Man darf über alles reden, über alles diskutieren und über alles lachen. Und wer eine Satiresendung einschaltet, muss Satire erwarten und bereit sein, diese auszuhalten», heisst es in der Stellungnahme.

Zwar bedauert die Redaktion, wenn die «religiösen Gefühle» von Vera Çelik oder anderen Beanstandenden verletzt worden seien. Eine Verletzung des Programmrechts will sie jedoch nicht anerkennen.

Büssers Stellungnahme sorgte nicht nur für Zustimmung – besonders aus der Comedyszene kam scharfe Kritik. Der Ostschweizer Comedian und Satiriker Renato Kaiser kritisierte etwa: «Vera Çelik kriegt nicht Hassbotschaften, weil sie sich gewehrt hat, sondern weil sie in der grössten Late-Night-Sendung des Landes im Fokus eines schlechten, antimuslimischen Jokes stand.»

Der Zürcher Satiriker und Illustrator Olivier Samter kommentierte: «In einer vermeintlichen Entschuldigung dem Opfer die volle Schuld für den Hass zu geben, den sie abbekommen hat – das ist schon spektakulär.»

Beitrag führte zu Hassnachrichten

Die SRF-Medienstelle erklärte zunächst, nicht Çelik, sondern ein unkritisches Interview mit einem SVP-Politiker sei das eigentliche Ziel der Satire gewesen. Man nehme die Kritik jedoch ernst. Sowohl Vera Çelik als auch Stefan Büsser berichten inzwischen von Hassnachrichten, die sie nach der Sendung erhalten haben.

Çelik betont auf Anfrage von blue News: «Meine Kritik richtet sich nicht persönlich gegen Stefan Büsser – sondern gegen SRF. Es geht nicht um eine Einzelperson, sondern um ein öffentlich-rechtliches Medium, das sich seiner Verantwortung bewusst sein muss. Wenn rassistische Narrative ausgestrahlt werden, ist das kein ‹provokativer Humor›, sondern ein strukturelles Problem.»

«Hinter der Sendung steht ein öffentlich-rechtlicher Sender und ein ganzes Team, das mitverantwortlich ist.»

Vera Çelik

Zürcher Politikerin

SRF habe es versäumt, sich kritisch mit der eigenen Haltung auseinanderzusetzen, so Çelik weiter. Stattdessen verteidige der Sender eine Pointe, «die für viele Muslimahs kein Witz, sondern Alltag ist – ein Alltag, in dem sie ständig mit Vorurteilen konfrontiert werden». Die Verantwortung dafür dürfe nicht allein bei Büsser liegen: «Hinter ihm steht ein öffentlich-rechtlicher Sender – und ein ganzes Team, das diese Inhalte produziert, verantwortet und zu verantworten hat.»

Der Entscheid der Ombudsstelle kann von SRF oder den Beschwerdeführenden an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) weitergezogen werden.


Mehr Videos aus dem Ressort

Stefan Büsser zu Gast bei «On the Rocks»

Stefan Büsser zu Gast bei «On the Rocks»

In «On the Rocks» gibt Stefan Büsser Einblicke in «Late Night Switzerland» und verrät, wie Foxie, sein knuffiger Zwergspitz, ihn auf dem Boden hält. Ein Talk voller Charme – perfekt, um sich in Weihnachtsstimmung zu bringen.

05.12.2024